Mit der Drohung milliardenschwerer Strafzölle nimmt die US-Regierung China ins Visier. Peking reagiert und kündigt Gegenmaßnahmen an. Die EU bleibt zwar vorerst von Strafzöllen verschont. Grund zur Entwarnung gibt es allerdings nicht.

Aufgeschoben, aber nicht aufgehoben: Die US-Regierung hat die Länder der Europäischen Union vorerst von den seit Freitag geltenden Strafzöllen auf Stahl- und Aluminiumimporte befreit. Zugleich unterzeichnete Präsident Donald Trump ein Dekret, das vorsieht, den Rivalen China mit milliardenschweren Strafzöllen zu belegen. Die deutsche Wirtschaft begrüßte die Entscheidung für die EU, fürchtet aber einen Handelskrieg zwischen Washington und Peking.

Juncker: "Aussetzung ist gut wie schlecht"

Die EU-Staaten forderten die USA unterdessen dazu auf, europäische Unternehmen dauerhaft von Schutzzöllen auf Stahl- und Aluminium auszunehmen. Die vorläufige Befreiung von den Maßnahmen müsse in eine ständige Befreiung umgewandelt werden, heißt es in einer am Freitag beim EU-Gipfel in Brüssel veröffentlichten Erklärung.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hofft und erwartet eine "richtige Entscheidung" der USA betreffend die Ausnahme der EU von Strafzöllen. Vor Beginn des EU-Gipfels Freitag in Brüssel sagte Kurz, angesprochen darauf, ob er fürchte, dass es sich nur um eine Atempause für die EU handeln könnte, "es geht nicht darum, sich zu fürchten". "Aber wenn der Präsident (der USA) sich falsch entscheiden sollte, wird die EU stark darauf reagieren."

Unmittelbar vor Inkrafttreten der Zölle hatte US-Präsident Donald Trump die EU vorläufig befreit. Die Ausnahme gilt auch für Argentinien, Brasilien, Australien, Südkorea sowie für die US-Nachbarn Mexiko und Kanada. Wie das Weiße Haus mitteilte, werde der Präsident am 1. Mai weitere Entscheidungen treffen.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sieht die Aussetzung sowohl positiv als auch negativ. "Dass die USA erklärten, bei Stahl und Aluminium die EU bis 1. Mai freizustellen, ist gut wie schlecht. Negativ ist, dass es unmöglich scheint, über alle Dinge bis 1. Mai zu sprechen", sagte Juncker nach dem EU-Gipfel am Freitag.

Kritik an China

Die milliardenschweren Strafzölle gegen China hatte Trump am Donnerstag mit unfairen Handelspraktiken und Diebstahl geistigen Eigentums begründet. Das Paket werde Zölle und andere Maßnahmen im Volumen von etwa 60 Mrd. Dollar (49 Mrd. Euro) enthalten, sagte der US-Präsident. Der US-Handelsbeauftragte Robert Lighthizer soll die Zölle binnen 60 Tagen ausarbeiten.

Als Reaktion drohte die chinesische Regierung mit Handelsstrafen gegen Washington im Umfang von 3 Mrd. Dollar, wie das Pekinger Handelsministerium am Freitag mitteilte. China habe eine Liste von 128 US-Produkten erstellt, auf die Zölle erhoben werden könnten.

Schon am Donnerstag hatte die chinesische Botschaft in Washington auf die Ankündigung von Trump reagiert. "Würde ein Handelskrieg von den USA initiiert, dann wird China bis zum Ende kämpfen, um seine eigenen legitimen Interessen mit allen notwendigen Maßnahmen zu verteidigen", teilte sie mit. Das chinesische Handelsministerium rief die USA dazu auf, den Konflikt durch Gespräche zu lösen, um "einen Schaden für die gegenseitigen Beziehungen zu verhindern".

Vertreter der deutschen Industrieverbände reagierten besorgt auf den Konflikt zwischen Washington und Peking. "Wir alle sind auch ein bisschen China", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Martin Wansleben, am Freitag im ARD-"Morgenmagazin". "Wenn China Schwierigkeiten hat, haben wir als Lieferant von China Schwierigkeiten."

Keine Ausnahmen für Japan

Auch Japan, das sich wie China ebenfalls nicht auf der Liste mit den Ausnahmen wiederfand, bedauerte die verhängten Einfuhrzölle, will sich aber weiter für eine Ausnahme stark machen.

Die wachsende Furcht vor dem Ausbruch eines Handelskrieges war auch an den internationalen Börsen zu spüren. Der Dax fiel am Freitag unter die Marke von 12.000 Punkten. Tags zuvor hatte die Unsicherheit bereits die US-Börsen erfasst und auf Talfahrt geschickt. Auch die asiatischen Börsen waren unter Verkaufsdruck geraten.

Beobachter werteten den verhältnismäßig geringen Umfang der von Peking geplanten Strafen allerdings als Zeichen, dass es China nicht unmittelbar auf eine Eskalation des Konflikts ankommen lassen will. Bereits vor Wochen hatte Chinas Präsident Xi Jinping seinen wichtigsten Wirtschaftsberater Liu He zu Verhandlung nach Washington geschickt, der aber im Weißen Haus kein Gehör fand.

Derzeit gelten in China im Durchschnitt deutlich höhere Zölle als in Europa und den USA, wo die Handelsschranken im Vergleich noch am niedrigsten sind. Auch machen ausländische Unternehmen immer wieder ihrem Ärger über den unfairen Wettbewerb in der Volksrepublik Luft.

Trump hatte vor zwei Wochen umfassende Einfuhrzölle auf Stahl von 25 Prozent und auf Aluminium von 10 Prozent verhängt. Der US-Präsident und sein Handelsminister Wilbur Ross hatten für die Strafzölle die nationale Sicherheit angeführt - für Europa ein Scheinargument. Es gehe vielmehr um die Auslastung der US-Stahlwerke.