Sie starten in diese Woche mit Ihrem Premierenauftritt als Finanzminister auf dem EU-Parkett. Es liegen einige Vorschläge zur Reform der Eurozone vor. Wie stehen Sie zur Idee eines eigenen Eurofinanzministers?
HARTWIG LÖGER: Es ist natürlich notwendig, bei der Wirtschafts- und Währungsunion einmal klarzustellen, was die großen strategischen Themen sind, wo wir hier visionär ansetzen. Die EU braucht eine gemeinsame Marschrichtung, wohin sie sich entwickeln will, bevor man sich den Kopf über neue Strukturen oder Ämter zerbricht. Wir brauchen mehr gemeinsame Visionen statt zusätzlicher Funktionen oder Strukturen. Ich erkenne derzeit noch nicht die Grundlage, um die Frage eines europäischen Finanzministers sinnhaft zu beantworten.

Der neue Eurogruppenchef hat die Forderung nach einer gemeinsamen europäischen Einlagensicherung erneuert, Österreich, aber auch Deutschland, waren immer strikt dagegen. Bleibt’s dabei?
Wir haben hier mit nicht unwesentlichen Playern in Europa eine klare Meinung dazu. Ich will mir nicht vorstellen, dass die Sparer in Österreich die Verantwortung für das tragen sollen, was möglicherweise bei Banken in südlichen Ländern passiert. Es ist also klar, dass wir unsere ablehnende Haltung bei diesem Thema beibehalten werden.

Im Regierungsprogramm ist die digitale Betriebsstätte ein Ziel, um multinationale Digitalkonzerne wie Facebook oder Google zur Steuerpflicht in Österreich zu zwingen. Wie werden Sie das auf EU-Ebene artikulieren?
Da sind wir mit großem Nachdruck dahinter. Die Erkenntnis ist klar, es geht um Maßnahmen im Bereich Fairness und Gerechtigkeit. Es ist nicht verständlich, dass es Konzerne gibt, die in Österreich Wertschöpfung lukrieren, aber aufgrund dessen, dass sie keine physische Betriebsstätte haben, derzeit auch keinen Angelpunkt geben, entsprechende Abgaben und Steuern zu zahlen. Wir wollen eine möglichst breite internationale Lösung finden. Erforderlichenfalls werden wir auch nationale Ansätze erwägen.

Bis wann?
Bis Ende März soll es auf OECD-Ebene ein Papier geben, das wird eine erste Grundlage sein. Parallel dazu wird es auf EU-Ebene schon länger bearbeitet. Auf beiden Ebenen bringen wir unser Konzept ein, das bei der entgeltlichen Verwertung von Daten an Dritte ansetzt, weil damit in der Regel eine in Österreich geschaffene Wertschöpfung verbunden ist. Im Rahmen der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft wollen wir das Thema massiv forcieren. Meine Hoffnung ist, dass wir im Rahmen der Präsidentschaft schon Beschlüsse fassen können.

Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer hat mahnende Worte an die Regierung gerichtet und gemeint, es reiche nicht, Veränderung zu proklamieren und nur das Populäre zu tun, er fordert diese Reformen auch ein. Fühlen Sie sich angesprochen?
Das sind richtige Formulierungen. Wenn wir über Reformen reden, reicht nicht nur das Bewusstsein, es braucht auch die Bereitschaft, das gemeinsam zu machen. Es kann nicht sein, auf Länderebene zu sagen, der Bund muss reformieren und der Bund sagt, die Länder müssen reformieren ...

... also das Bild der vergangenen Jahre?
Ich gestehe, dass das vielleicht noch der naive Blick eines Quereinsteigers ist, aber mein Verständnis ist, dass es die Bereitschaft von allen braucht, Veränderungen mitzutragen. Ich sage das auch auf Basis vieler Restrukturierungen, die ich auf Unternehmensebene gemacht habe. Was kann und soll sinnhaft in welchem Bereich gemacht, verantwortet und entschieden werden? Die Grundlogik einer grundlegenden Reform muss sich von unten nach oben entwickeln. Genauso wie wir bei den Förderungen eben nur über eine Transparenzdatenbank den Weg finden werden, um das zu regeln.

Aber gerade die Einführung der Transparenzdatenbank wurde im Ministerratsbeschluss in Seggauberg sehr zahm formuliert.
Wir werden weiterkommen, weil es in beiderseitigem Interesse ist. Wenn wir über den Förderdschungel diskutieren und man nicht mehr weiß, wie welche Förderung überhaupt wirkt, dann müssen wir eben auch darauf schauen, dass wir sinnlose Verwirrungen auf Bundes-, Länder- und sonstigen Ebenen abschaffen. Ich werde auch darauf bestehen, dass wir das konsequent umsetzen. Ich traue mich sagen, dass uns 2018 Wesentliches gelingen wird.

Aber ohne Sanktionierung, eher über Waldorf-Pädagogik?
Androhungen mit dem Revolver bringen nichts. Ich werde mich auf logischer, sachlicher Ebene bewegen und das zeigt derzeit sehr gute Reaktionen.

„Sparen im System“ – gehört haben wir das schon häufig, was macht Sie zuversichtlich, dass es diesmal klappt?
Ich unterstelle, auch aus meiner früheren Wahrnehmung von Politik, dass in der Vergangenheit vieles an ideologischen Blockaden gescheitert ist. Ich erkenne jetzt ein Verständnis für diese notwendigen Maßnahmen. Im Ministerratsbeschluss wurden ja die Eckpunkte fixiert. Das war davor keine einfache Diskussion, die aber auf Basis detaillierter Fakten erfolgt ist. Wir sind bei den Verwaltungskosten wirklich in die Tiefe gegangen und können sagen, dass wir im System sparen werden.

Höhere Steuern für Diesel? Wie grün denkt und tickt da der neue Finanzminister?
Ich habe mich in meiner kurzen Amtszeit schon weit hinausgelehnt und gesagt, keine neuen Steuern und Abgaben ...

... aber Studiengebühren sollen doch eingeführt werden?
Für manche Studenten gibt es die ja schon. Jetzt sieht das Regierungsprogramm moderate Studienbeiträge vor, um die Verbindlichkeit zusätzlich zu steigern. Insgesamt werden wir die Steuer- und Abgabenquote senken und machen keine Refinanzierung über Abtauschgeschäfte.

Innenminister Herbert Kickl hat gemeint, dass das Regierungsprojekt ein Gegenentwurf zur linken 68er-Bewegung sei, die in vielen Bereichen zerstörerisch gewirkt habe. Teilen Sie diesen Befund?
Ich kann dieser Formulierung nicht wirklich folgen und damit nicht wirklich etwas anfangen. Ich würde meine Regierungsarbeit und Positionierung nicht in eine solche Relation bringen. Ich bin 1965 geboren, habe also zwar schon gelebt, die 68er-Bewegung aber nicht erlebt. 1968 war auch eine Zeit des Aufbruchs. Ich würde auch im Sinne meiner Musikvorlieben nicht alles schlechtmachen, was damals gekommen ist. Eine Janis Joplin oder andere haben mich in den Sturm- und Drangphasen meiner Jugend durchaus begeistert.

Wie viel an Selbstverleugnung und Abstriche bei Überzeugungen muss man in Kauf nehmen, wenn man plötzlich Politiker wird?
Bis jetzt erfreulicherweise noch keine. Das war auch Basis meiner Entscheidung. Weil ich auch in diesem Regierungsprogramm nichts erkannt habe, was im völligen Widerspruch zu meinen Überzeugungen oder zu meinem Weltbild stehen würde. Es gab auch jetzt noch keine Themenstellung, die dazu geführt hätte, hier für mich einen Zweifel zu kriegen. Ich muss mich nicht verleugnen und ich sage auch klar mit meinem Selbstbewusstsein, dass ich das auch nicht in Kauf nehmen würde. Diesen Preis an mich würde ich nicht bezahlen.