Auf EZB-Chef Mario Draghi wartet 2018 eine Herkulesaufgabe. Er muss die Finanzmärkte auf die Entwöhnung von den jahrelangen Geldspritzen vorbereiten, ohne dabei Börsen-Turbulenzen auszulösen. Gleichzeitig dürften in der Notenbank die Rufe nach einer Kursänderung lauter werden, sollte sich der Aufschwung im Währungsraum wie erwartet fortsetzen.

Die Inflationstrends lassen jedoch bisher kaum erkennen, dass die Preise im Sog der anziehenden Konjunktur stärker klettern werden. Selbst für 2020 rechnen die EZB-Ökonomen nur mit einem Preisanstieg von 1,7 Prozent, womit das Notenbankziel von knapp zwei Prozent Inflation selbst zu Beginn des nächsten Jahrzehnts noch verfehlt würde. Nach Ansicht der Essener National-Bank wird sich daher der Konflikt um eine angemessene Geldpolitik im Euroraum 2018 zuspitzen: "Für die nordeuropäischen Länder wären deutlich höhere Zinssätze angemessen, die strukturellen Probleme in Südeuropa können hingegen durch niedrige Zinsen entschärft werden", sagt Chefvolkswirt Jan Bottermann. Doch Draghi ließ keinen Zweifel daran, dass trotz der schwachen Inflation eine grundsätzliche Kurskorrektur vorerst nicht zu erwarten ist. "Ein umfangreiches Ausmaß an geldpolitischem Stimulus bleibt daher notwendig," so sein Mantra.

Kritik an Inflationsziel

Genau dies wird jedoch in Deutschland immer kritischer gesehen. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer meint, der schwache Preisdruck habe der Wirtschaft im Euroraum bisher nicht geschadet. Im Dezember beispielsweise kletterte der Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft dank einer boomenden Industrie auf den höchsten Stand seit sieben Jahren. Die Allianz rechnet für 2018 mit einem Wachstum im Euroraum von 2,2 Prozent nach 2,4 Prozent im Jahr 2017. "Neben dem günstigen weltwirtschaftlichen Umfeld spricht für eine anhaltende Konjunkturerholung im Euroraum insbesondere die erhebliche Besserung am Arbeitsmarkt, die die Binnennachfrage stützt", so Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise.

Dessen Kollege Krämer von der Commerzbank vermutet, dass der EZB-Rat seine Zinspolitik dennoch weiter an die niedrige Inflation kettet, weil er von Vertretern hoch verschuldeter südeuropäischer Länder dominiert wird. Diese hätten aber ein vitales Interesse an weiterhin niedrigen Zinsen. "Vermutlich wird die EZB die Anleihenkäufe nicht im vierten Quartal 2018 auf null zurückfahren, sondern sie noch bis Ende des ersten Quartals 2019 fortsetzen. Die erste Zinserhöhung rückt damit in noch weitere Ferne", prophezeit Krämer.

Die EZB hat allerdings vorsichtige Schritte Richtung Zinswende unternommen. So beschloss sie im Oktober, ihre monatlichen Anleihenkäufe ab Jänner auf 30 Mrd. Euro zu halbieren. Allerdings wurden die seit März 2015 betriebenen Wertpapier-Käufe um neun Monate bis Ende September 2018 verlängert - und zwar mindestens: Ein klares Enddatum - wie etwa von Bundesbank-Präsident Jens Weidmann gefordert - setzte die EZB bisher nicht fest. Zugleich bekräftigte Draghi, dass mögliche Zinsschritte erst weit nach dem Ende der Käufe anstehen. Die meisten Experten rechnen damit nicht vor 2019. Der Leitzins liegt bereits seit März 2016 wie einzementiert auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent.

Zögerlicher Exit als Risiko

NordLB-Volkswirt Christian Lips sieht die Gefahr einer zu späten Kurskorrektur. Sollte eine Verringerung der EZB-Konjunkturhilfe früher als von der EZB angepeilt notwendig werden, "könnte dies viele Marktteilnehmer auf dem falschen Fuß erwischen", sagt Lips. "Das Risiko von Marktverwerfungen geht eben nicht nur von einem zu schnellen, sondern auch von einem zu zögerlichen Exit aus", warnt er. Der Volkswirt schließt nicht aus, dass sich im Jahresverlauf 2018 die Anzeichen für einen stärkeren Preisauftrieb mehren.

Auf jeden Fall müssen die Hüter des Euro alle Schritte sorgfältig vorbereiten und die Börsen frühzeitig einstimmen. Die Experten Gilles Moec und Ruben Segura-Cayuela von der Bank of America Merrill Lynch erwarten, dass die EZB im Frühling damit beginnen wird, ihre Botschaft vorsichtig anzupassen: "Der erste Schritt könnte sein, die Verknüpfung zwischen der Inflationsdynamik und der Fortsetzung der Anleihenkäufe zu trennen." EZB-Direktor Benoit Coeure war bereits mit einem entsprechenden Vorschlag vorgeprescht. Bisher hält die EZB aber in ihrer sogenannten "Forward Guidance" an der Klausel fest, dass die Wertpapierkäufe auf jeden Fall so lange weiter laufen werden, bis die Inflation nachhaltig dem Ziel von knapp unter zwei Prozent entgegensteuert.

Fed als Forbild

Aus Sicht von Moec und Segura-Cayuela könnte die US-Notenbank Federal Reserve Draghi als Vorbild dienen. Denn als die Fed im Herbst 2014 ihr großes Wertpapierkauf-Programm beendete, sei die Inflationsentwicklung in den USA ebenfalls noch nicht gefestigt gewesen. Inzwischen ist die Fed mit ihrer Normalisierung der Geldpolitik schon viel weiter als die EZB. So erhöhte sie allein in diesem Jahr dreimal ihre Leitzinsen auf das nun aktuelle Niveau von 1,25 bis 1,50 Prozent. Zudem begann sie bereits mit dem Abbau ihrer im Zuge der Finanzkrise aufgeblähten Bilanz. Darüber hinaus signalisierte die US-Notenbank für 2018 weitere Zinsanhebungen.

Damit dürfte die Zinsschere zwischen dem Währungsraum und den USA 2018 noch weiter aufgehen. Die Steuerreform von US-Präsident Donald Trump könnte der US-Wirtschaft zusätzlichen Schub geben und womöglich die Fed zu einem noch strafferen Kurs bewegen. Für Zinsexperte Christian Reicherter von der DZ Bank ist das im Währungsraum alles noch Zukunftsmusik: "Eine Zinserhöhung oder sogar eine Verminderung der Notenbankbilanz liegt noch in weiter Ferne."