Jahrelang kämpfte die einst so stolze und mächtige Musikindustrie mit Umsatzrückgängen. Die Digitalisierung setzte der Branche enorm zu, der Absatz klassischer Tonträger brach in rasendem Tempo ein. Eine Antwort auf die wenigen, teils freilich aber auch mit illegalen Raubkopien agierenden Online-Musikplattformen blieben die großen Plattenlabels lange schuldig. Doch die Trendwende ist gelungen.

Zuletzt verzeichnete die globale Musikindustrie den stärksten Anstieg der Umsatzerlöse (auf 14,5 Milliarden Euro) seit mehr als 20 Jahren. Hauptgrund: das starke Wachstum der digitalen Verkäufe über Streamingdienste, das mittlerweile den Rückgang bei Downloads und beim Verkauf von Tonträgern mehr als ausgleicht, wie der Musikverband IFPI festhält. Die Industrie profitiert von diesem Boom. Streamingdienste zählen weltweit bereits deutlich mehr als 120 Millionen zahlende Nutzer. Tendenz steigend.

Trotz Verlusten viele Milliarden wert

Beim Streaming wird Musik direkt aus dem Internet abgespielt, Nutzer haben so Zugriff auf Millionen von Musiktiteln – und das jederzeit und überall. Noch entscheidender: Immer mehr Nutzer sind bereit, kostenpflichtige Abos abzuschließen. Marktführer Spotify hat heuer beispielsweise bereits die Marke von 60 Millionen zahlenden Kunden geknackt. Das 2006 gegründete schwedische Unternehmen gilt als einer der heißesten Börsenkandidaten im kommenden Jahr. Trotz anhaltend hoher Verluste wird die Firma mit 14 Milliarden Euro bewertet. Zuletzt haben sich Spotify und der chinesische Konkurrent Tencent Music übrigens etwas verschränkt, die beiden Player haben Firmenanteile am jeweils anderen gekauft. Das Kalkül dahinter: Je größer, je vernetzter, desto stärker und besser die Verhandlungsposition gegenüber den Plattenfirmen. Spotify ermöglicht es seinen Nutzern, gegen Bezahlung Musik von großen Plattenfirmen wie Sony, EMI, Warner Music Group und Universal über das Internet zu hören. Dafür müssen jedoch mehr als 80 Prozent der Einnahmen an Plattenfirmen und Künstler abgeführt werden.

Bei Apple Music, der Nummer zwei am Weltmarkt, liegt dieser Anteil laut „Bloomberg“ bei rund 58 Prozent, zuletzt war man darum bemüht, eine Absenkung auf 52 Prozent zu erreichen. All das ist auch Ausdruck dafür, dass in diesem Wachstumsmarkt ein enormer Wettbewerb entbrannt ist. Mit 60 Millionen zahlenden Abonnenten liegt Spotify weit vor Apple Music (30 Millionen).

Technologische Unterscheidungsmerkmale

Doch die Liste der Anbieter ist beachtlich und wird noch länger: Google ist mit Play Music am Start, Amazon bietet Prime Music, es gibt u. a. auch Napster (das in Österreich gemeinsam mit der Handelskette Hofer den Dienst „Hofer life music“ anbietet), Deezer und Tidal. Die meisten Abos kosten zehn Euro pro Monat, bei Hofer sind es acht Euro, bei Amazon für Prime-Kunden ebenfalls. Laut US-Medien steigt im März 2018 auch das Videoportal Youtube in den Ring Musikstreaming ein. Die Google-Tochter will demnach ebenfalls einen Bezahldienst bieten. Die Musikdatenbanken der Anbieter sind durch die Bank prall gefüllt.

Unterscheidungsmerkmale werden daher zunehmend auf technologischer Ebene sichtbar. Vor diesem Hintergrund ist auch die vor wenigen Tagen erfolgte Übernahme von Shazam durch Apple zu werten. Shazam ist eine App (100 Millionen Nutzer), die über den Zugriff auf die Mikrofone eines Smartphones den Namen des Songs anzeigt, der gerade in der Umgebung gespielt wird. Eine Technologie, auf die übrigens bereits seit Längerem die digitale Apple-Assistentin Siri zugreift. Apple könnte es so gelingen, mit diesen Daten seine Empfehlungsfunktionen zu verbessern. Hier gilt Spotify bisher als Benchmark in der Branche.

Das Verhältnis zwischen Streamingdiensten und Künstlern ist vielfach nicht friktionsfrei. Einen völlig anderen Weg hat jetzt die kanadische Musiklegende Neil Young eingeschlagen. Er hat erst unlängst sämtliche Alben seiner jahrzehntelangen Karriere online unter www.neilyoungarchives.com frei verfügbar zum Download veröffentlicht. Bis Ende Juni 2018 soll das Archiv kostenlos sein, danach will er eine „bescheidene Gebühr“ einheben.