Nach und nach kommen durch die Paradise Papers immer mehr Details zu den Steuertricks der Großkonzerne heraus. Und es zeigt sich, man muss nicht immer in die Karibik fahren, um der Kontrolle der europäischen Finanzämter zu entkommen. Es reicht ein Flug nach Dublin, Jersey oder Amsterdam.

Dublin, die irische Hauptstadt ist der Sitz der Europa-Gesellschaften namhafter IT-Konzerne, allen voran Google, Facebook und Apple. Angezogen wurden die Unternehmen bis 2014 durch eine elegante Firmenkonstruktion: den Double-Irish, also Doppel-Irisch. Und das funktionierte so: Man gründete zwei Firmen in Irland. Eine wickelt ganz normal die Geschäfte in Irland ab, die Gewinne fließen allerdings in die zweite Gesellschaft. Diese durfte bis 2014 aus dem Ausland geführt werden und war dann in Irland nicht mehr steuerpflichtig. Kluge Unternehmensberater schlugen dafür Null-Steuerländer wie die Bermudas vor.

2014 leitete die EU-Kommission eine Prüfung dieser Praxis am Beispiel Apple ein und kam zur Ansicht, es handle sich um illegale Beihilfen. Apple muss 13 Milliarden Euro an Steuern nachzahlen. Bisher weigert sich Irland das Geld einzuheben. Doch das Gesetz musste geändert werden. Solche Konstruktionen sind nicht mehr möglich. Aber Irland gewährt den Konzernen eine lange Übergangsfrist bis 2020.

Klare Vorstellungen

Apple machte sich auch gleich auf die Suche nach neuen Möglichkeiten, Steuerzahlungen aus den EU-Geschäften irgendwie zu vermeiden. Dokumentiert in den Paradise Papers, die der Süddeutschen Zeitung zugespielt wurden. 2014 wurde die Steuerflucht-Kanzlei Appleby von Apple beauftragt, eine neue Steueroase zu suchen. Apple hatte dabei klarer Vorstellungen. Es müsse möglich sein, Geschäfte abzuwickeln, ohne Steuern zu zahlen. Doch Apple geht noch einen Schritt weiter. Denn es darf im besagten Steuerparadies auch keine politische Opposition geben, die irgendwann die Gesetze zulasten Apples verändern könnte.

Gefunden hat Apple diesen Hafen in der Kanalinsel Jersey. Diese gehört zwar zu Großbritannien, hat aber eine eigene Gesetzgebung und ist nicht Teil der EU. Die Insel ist zentraler Bestandteil der Steueroptimierung europäischer Konzerne und war schon in zahlreichen Steuerskandalen Thema. Apple wehrt sich gegen die Vorwürfe und betont, weltweit mehr als 35 Milliarden Dollar Körperschaftssteuer zu zahlen.

Das Urteil der EU-Kommission hat den Ruf Irlands, ein steuerschonender Standort zu sein, etwas beschädigt. Doch die Iren haben sich bereits etwas Neues einfallen lassen, wie die New York Times berichtet. Unternehmen mit Sitz in Irland Markenrechte und Patente erwirbt, wird darauf ein großzügiger Steuerrabatt gewährt.

Steueroase mitten in der EU

Doch man muss nicht nach Dublin, um Steuern zu sparen. Auch ein Trip nach Amsterdam zahlt sich aus. Das zeigt das Beispiel des Sportartikel-Herstellers Nike. Das Geschäft für Österreich, die Schweiz und Deutschland wickelt die Nike Deutschland GmbH ab. Wer jetzt glaubt, dass diese Gesellschaft in besagten Ländern Schuhe verkaufen würde, hat weit gefehlt.

Denn Nike Deutschland ist lediglich ein Agent. Verkauft werden die Schuhe mit dem geschwungenen Haken von der niederländischen Gesellschaft Nike Retail BV, wie die Recherchen der Süddeutschen Zeitung zeigen. Das ist kein Zufall. Das Unternehmensrecht des Landes  hat die Niederlande zu einer der wichtigsten Steueroasen auf EU-Boden gemacht.

Die Paradise Papers zeigen genau, wie der Trick mit der Steuervermeidung funktioniert. Denn eigentlich müsste die Nike Retail BV ja richtig gute Gewinne schreiben, schließlich werden dort die ganzen Schuhverkäufe abgewickelt. Es gibt nur ein Problem. Das Unternehmen hat hohe Kosten. Es muss nämlich Lizenzgebühren für das Markenlogo und den Namen zahlen, an ein ebenfalls niederländisches Unternehmen, die Nike Innovate.

Keiner will die Steuern

Und genau dort passiert die Magie. Denn steuerrechtlich betrachtet, ist die Firma keinem Land zuzuordnen. Die Gesellschaft ist als "Commanditaire vennootschap" strukturiert, das entspricht einer österreichischen Kommanditgesellschaft. In den Niederlanden werden diese Gesellschaften nicht direkt besteuert, sondern der jeweilige General Partner, eine Art Hauptgesellschafter, der Kommanditist.

Dieser ist die Nike Holding mit Sitz im US-Bundesstaat Delaware. Und nach den US-Gesetzen ist für die Gewinne in Europa nicht die Nike Holding in der Steuerpflicht, sondern die Europa-Tochter Nike Innovate.

Am Ende ist also kein Land für die steuerpflichtigen Gewinne von Nike aus Europa zuständig und der Konzern senkt so sein weltweites Steueraufkommen ganz legal auf rund 13,2 Prozent.

Wer in Europa Steuern sparen will, muss also nicht in die Ferne schweifen. Er kann es ganz legal auch in der EU machen.

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