Österreich hat am Donnerstag mit seiner lange angedrohten Klage gegen die deutsche Pkw-Maut vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Ernst gemacht. "Die deutsche Maut ist eine Ausländermaut", kritisierte Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ). Europarechtsexperte Walter Obwexer bezeichnete die Erfolgsaussichten der Klage als gut, wenn der EuGH bei seiner bisherigen Judikatur bleibe.

Schließlich stelle die deutsche Maut aus mehreren Gründen eine "indirekte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit" dar, so Obwexer. Mit einer Entscheidung des EuGH rechnet er "Ende 2018/Anfang 2019". Das könnte aus Sicht von ihm und Leichtfried noch früh genug sein, damit die Maut, deren Start für 2019 vorgesehen ist, gar nicht mehr kommt. Eine aufschiebende Wirkung hat die österreichische Klage gegen die deutschen Mautpläne, der sich die Niederlande im Gegensatz zu Tschechien anschließen wollen, aber nicht.

Die EU-Kommission habe bei der deutschen Pkw-Maut beide Augen "fest zugedrückt", kritisierte Leichtfried. Durch die Klage werde die Causa nun "eine Nagelprobe für das europäische Rechtsverständnis". Die EU müsse eine Solidargemeinschaft sein, es dürfe nicht das Gesetz des Stärkeren gelten. Die Kommission habe es verabsäumt, in der abgelaufenen Frist für "Recht und Fairness" zu sorgen, kritisierte Leichtfried: "Ein Skandal."

Der ÖAMTC begrüßte das Vorgehen Österreichs wie auch einige SPÖ-Politiker. Die einzige nicht sozialdemokratische politische Reaktion zur Klage kam zum Wahlkampfhöhepunkt vorerst nur von der ÖVP-Europaabgeordneten Claudia Schmidt. Sie sagte, es sei "gut, dass Österreich gegen die Diskriminierung vorgeht".

In Deutschland sprechen sich die Grünen und die FDP gegen die Maut aus, die als CSU-Prestigeprojekt gilt. Grüne und FDP wollen mit der CDU/CSU eine Koalition verhandeln. Auch die SPD ist gegen die Maut. Sie fordert den Stopp jeglicher Vorbereitungen und das Abwarten der EuGH-Entscheidung. Aus dem Verkehrsministerium in Berlin des CSU-Politikers Alexander Dobrindt hieß es am Donnerstag: "Die Maut kommt."

Österreich klagt vor EuGH gegen deutsche Pkw-Maut

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Die 30-seitige Klagsschrift wurde vom Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts ausgearbeitet und wird heute eingebracht. Sie zielt gegen eine seitens Österreich geortete "indirekte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit" ab, wie Obwexer erklärte. "Deutsche zahlen nicht weil sie Deutsche sind. Österreicher zahlen, weil sie Österreicher sind", kritisierte Leichtfried. Österreich habe "wohlwollende Unterstützung" von anderen EU-Staaten wie den Niederlanden oder Italien.

Der SPÖ-Politiker hat sein deutsches Verkehrsminister-Pendant Alexander Dobrindt (CSU) auch persönlich informiert, dass geklagt wird. "Er hat das zur Kenntnis genommen", so Leichtfried über das Telefonat.

"Das geplante deutsche Mautsystem dürfte und darf so nicht halten vor dem EuGH", betonte Obwexer. Er erläuterte, die Klage ziele gegen Teile von zwei deutschen Gesetzen ab, die die neue Maut organisieren. Es geht um das Infrastrukturabgabegesetz und das zweite Verkehrssteueränderungsgesetz, durch die nicht nur Privatfahrer sondern auch ausländische Transporteure benachteiligt würden.

Die Entscheidung des EuGH wird laut Leichtfried zeigen, "ob in Europa das Recht des Stärkeren oder die Stärke des Rechts regiert".