Knapp zwei Drittel der Mitglieder der Wirtschaftskammer sind Ein-Personen-Unternehmen (EPU), in Summe 306.000. Diese will nun die Verkehrsgewerkschaft vida mit einem eigenen Servicepaket an Bord holen. Der monatliche Beitrag beträgt 25 Euro, dafür gibt es ein eigenes Konto, Hilfe bei Steuer- und Rechtsfragen, eine Versicherung und ein Weiterbildungspaket, so die vida bei einer Pressekonferenz.

Zu den 306.000 EPU gehören auch gut 65.000 Personen, die in der Pflege tätig sind. Der Frauenanteil bei EPU liegt bei 51 Prozent, das Durchschnittsalter bei 46 Jahren. Umgesetzt wird das Servicepaket "vidaflex" mit externen Partnern (Sparda Bank, HFP Steuerberater, D.A.S. Rechtsschutz, Österreichische Beamtenversicherung).

"Nicht die Rechte, die ihnen zustehen"

"Wir sind die erste Gewerkschaft, die zum Vollanbieter wird", verkündete vida-Vorsitzender Roman Hebenstreit am Donnerstag. Mit dem neuen Angebot "vidaflex" werde "der Schutzschirm weiter gespannt". Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) an seiner Seite assistierte, dass viele EPU "definitiv nicht die Rechte haben, die ihnen zustehen". Oftmals komme es zu Umgehungskonstruktionen - sprich Scheinselbstständigkeiten. Außerdem würden manche Firmen ihr Auslastungsrisiko auf EPU abwälzen.

Kern plädierte für eine sofortige Auszahlung des Krankengeldes - statt nach einer Wartezeit von sechs Wochen. Und auch die Selbstbehalte beim Arztbesuch möchte der Kanzler abschaffen.

Zu der aktuellen politischen Situation rund um die Facebook-Affäre wollte sich Kern nicht näher äußern. Nur soviel: "Darum muss man sich kümmern, aber das ist ein kleines Thema. Viel wichtiger sind die Themen Miete und Arbeit."

Wirtschaftskammer verärgert

Bei der Wirtschaftskammer löste die Initiative indes Verwunderung aus. Elisabeth Zehetner-Piewald, EPU-Beauftragte in der Wirtschaftskammer Österreich, findet die Gründung einer Gewerkschaft dreist, weil: "Die Gewerkschaft ist im Zusammenhang mit EPU nur dadurch aufgefallen, dass sie Selbständige in Arbeitnehmer und potenzielle Gewerkschafts-Mitglieder bzw. Versicherte bei den Gebietskrankenkassen umwandeln wollten, selbst gegen den Willen und zum Nachteil der Betroffenen."

Die Ansicht, dass alle EPU unfreiwillig selbständig und durchwegs unglücklich seien, weist Zehetner-Piewald zurück: „Die Realität sieht ganz anders aus. EPU sind Innovationstreiber und ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor in Österreich – keine Selbständigen zweiter Klasse, wie das immer wieder unterstellt wird. Es geht um eine innovative Unternehmergruppe, die sich sicher nicht in die Opferrolle drängen lassen und schon gar nicht als ‚moderne Ziegelarbeiter‘ gesehen werden will“, kritisiert Zehetner-Piewald.