Registrierkasse, Rauchverbot, Personalmangel, Bürokratieflut: Was ist der Reiz, anno 2017 dennoch Gastwirt zu sein?
Klaus FRIEDL: Du musst eine Freude mit Menschen haben. Man darf ja nicht vergessen, dass man es mit vielen freudigen Dingen im Alltag seiner Gäste zu tun hat: In Gasthäusern werden Taufen, Erstkommunion, Firmung bis hin zur Hochzeit gefeiert.

Und Begräbnisessen.
FRIEDL: Ja, auch die gehören zum Leben.

Apropos Leichenschmaus: In kürzer werdenden Abständen kommen aus der Interessensvertretung Alarmrufe bezüglich des Sterbens der Dorfgasthäuser.
FRIEDL: Ja, denn wenn die Dorfwirte nicht mehr in diesem Ausmaß da sind, wird das den Gemeinden schwer zu schaffen machen. Das sind ja eingesessene Institutionen. Dem Verlust wollen wir entgegenwirken und die Bürgermeister ins Boot holen. Sonst müssen Gemeinden mit Steuergeld ein Veranstaltungszentrum bauen und einen Pächter suchen. Die sind aber auch immer schwerer zu finden. Ich sag immer: Jeder Bürgermeister, der sich keinen Wirt erhalten kann, muss sich schämen.

Kaum eine Berufsgruppe ist im TV so präsent wie Köche. In der Realität wird aber in jeder Region über einen Mangel geklagt. Woran liegt das?
FRIEDL: Wir haben derzeit rund 1200 Lehrlinge im Bereich Hotel- und Gastgewerbe sowie Köche. Freilich: Wir hatten auch schon 2000, aber es gibt wieder einen leichten Trend nach oben, wobei die Konkurrenz der anderen Lehrberufe und neuen Berufsbilder immer größer wird. Manche Branchen finden nicht einmal mehr Hilfskräfte. Bei uns ist es etwas besser. Wir haben auch sehr gute neue Projekte mit dem AMS, wo junge Menschen bis 25 noch umsteigen. Das funktioniert.

Bei den Gastro-Lehrlingen gab es aber einen markanten Rückgang von 47 Prozent seit 2010.
FRIEDL: Wie gesagt, die Auswahl an Lehrberufen steigt und die Torte wird ja nicht größer, Stichwort Demografie. Es gibt aber auch Top-Betriebe in der Gastronomie, bei denen es sogar Wartelisten für die Lehrstellen gibt. Die Jungen wissen zwar, dass sie dort zu Beginn nicht so viel verdienen und viel arbeiten müssen. Aber wenn sie ausgebildet sind, können sie überall arbeiten und steigen mit einem dementsprechend guten Gehalt ein. Da gibt es enorm tolle Jobangebote für 25-Jährige im Ausland. Ich mach mir im Urlaub immer den Spaß und rufe einmal in die Hotel- oder Restaurantküche „Griaß eich, Burschen!“ rein – und es gibt immer einen, der aus Österreich kommt. Egal, wo du hinkommst, auch in Asien, man findet überall Fachkräfte, die in Österreich sehr gut ausgebildet wurden.

Und in Österreich arbeiten derweilen ostdeutsche Köche und ungarische Servicekräfte.
FRIEDL: Ja, die gibt es in der Saisonarbeit. Die gliedern sich aber sehr gut ein, treten freundlich auf. Die Nationalität spielt da für mich überhaupt keine Rolle.

Wird es der Branche in Anbetracht des Mitarbeitermangels zu schwer gemacht, dass man Hilfe aus dem Ausland holen darf?
FRIEDL: Man will eben darauf achten, dass zunächst Arbeitslose aus Österreich drankommen. Bis zu einem gewissen Grad ist das verständlich. Aber wenn zu wenige da sind, dann wäre es hilfreich, wenn man hier ein etwas größeres Kontingent auch aus dem Ausland holen darf. Es gibt vor allem in Westösterreich Fälle von Hotels, die nicht aufsperren konnten, weil das Personal fehlt. Ich kenne einen Hotelier, der aus seinem Winterbetrieb einen Ganzjahresbetrieb gemacht hat – und im Sommer Verluste in Kauf nimmt, damit er seinem wichtigsten Personal eine Ganzjahresstelle bieten und mit Saisonbeginn voll starten kann, weil er das Personal sicher hat. Das ist schon krass. Es gibt weitere Fälle, wo man aus Personalmangel sogar die Halbpension aufgegeben hat und nur noch Frühstücksbuffet anbietet.

Die Landwirtschaftskammer kritisiert regelmäßig, dass in der Gastronomie zu wenig Wert auf heimische Produkte gelegt wird, etwa bei Fleisch oder bei Eiern.
FRIEDL: Man muss da schon differenzieren: Zum Teil gibt es die notwendigen Mengen einfach nicht. Aber es wird immer stär
ker versucht, die Bio-Linie zu fahren und regionale Qualität anzubieten. Wenn ich in einem Ort angesiedelt bin, wo ein Bauer direkt vermarktet, dann kauf ich ihm das ab.

Und die Kunden sind tatsächlich bereit, dafür mehr zu bezahlen?
FRIEDL: Ja, wenn man auf der Speisekarte extra ausschildert, dass es Produkte aus der Region sind, dann schon. Wenn ein Gast heute freilich nur schnell zwischendurch was essen will, dann geht er in eine Kantine oder einen Schnellimbiss. Da herrscht auch entsprechendes Preisbewusstsein. Aber in der gehobeneren Küche ist die Erwartungshaltung eine andere, da wird zu Recht mehr Qualität gefordert. Dafür ist man auch bereit, etwas mehr zu bezahlen.

Regionale Herkunftsbezeichnungen scheinen also sinnvoll. Wie sehen Sie das mit dem Buchstabensalat rund um die Allergenverordnung?
FRIEDL: Ich koche mehr als tausend Essen im Monat aus, aber es hat mich erst einmal jemand danach gefragt – und das war der Lebensmittelinspektor. Die Gäste fragen uns sogar, wer sich diesen Unsinn denn hat einfallen lassen. Das sind Schildbürgerstreiche, die einfach niemand braucht. Wenn wer eine Unverträglichkeit hat, kann er jederzeit bei den Mitarbeitern nachfragen. Das ist Kommunikation, dafür gibt’s uns, das wird auch schon in der Berufsschule gelernt. Jeder, der da mit Lehrabschlussprüfung rauskommt, hat das intus. Man sieht aber auch, dass es in diesem Zusammenhang von der Behörde keine Beanstandungen gibt. Das haben die Gastronomen also wirklich perfekt umgesetzt.

Von vielen politischen Seiten wird regelmäßig ein Bürokratieabbau gefordert, teilweise auch versprochen. Tut sich da etwas?
FRIEDL: Nein, gar nichts. Die Politik hat uns im Stich gelassen. Wenn man die Hotellerie oder Gasthäuser mit Betten anschaut, die sind sogar noch bestraft worden, indem die Umsatzsteuer erhöht wurde – obwohl sie beispielsweise im Nachbarland Deutschland ohnehin schon niedriger ist. Wir stehen da im direkten Wettbewerb, werden aber geprügelt. Wenn ich nur an die ganzen Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten denke … das spürt der Gast ja nicht. Wir müssen alles aufzeichnen, wir müssen Reinigungs- und Desinfektionspläne führen, unterschreiben. Man muss Kühltemperaturen aufzeichnen. Ich bin ja für die Lebensmittelpolizei. Es ist wichtig, dass die Branche gut gewahrt ist. Aber dieses ganze Führen von Listen, die dicken Ordner, die sieben Jahre lang aufbewahrt werden müssen: Die kann ja gar niemand zur Gänze kontrollieren. Das ist nur Papier, Papier, Papier. Und für uns Gastronomen ist es stundenlanges Arbeiten nur für Dokumentation – jede Woche.

Was müsste in Sachen Bürokratie sofort wegkommen?
FRIEDL: Es wäre sehr lobenswert, wenn die Aufzeichnungspflichten zurückgefahren werden, weil sie nichts bringen. Selbiges gilt für die Betriebsanlagenüberprüfungen. Ab einer gewissen Größe braucht man das nicht. Wenn heute ein kleines Lokal einen Pächterwechsel hat, kommen die gesamten zuständigen Magistratsabteilungen. Wenn nur eine Person kommt und schnell und unbürokratisch kontrolliert – kein Problem. So aber fühlt man sich ein bisserl geneppt. Und die Verfahren dauern meist lange und sind abgeschlossen, wenn der Wirt schon wieder zugesperrt hat.

Glauben Sie noch an eine Umkehr beim generellen Rauchverbot in der Gastronomie ab 2018?
FRIEDL: Nein, das Thema ist durch. Die Hotellerie hat noch die Möglichkeit, eine Raucherkoje mit dementsprechender Belüftung zu schaffen, wo aber nichts hineinserviert werden darf. Ich habe selbst schon vor Jahren auf ein Rauchverbot umgestellt, muss aber zugeben, dass ich das beim Umsatz gespürt habe – und zwar massiv beim Kaffeeumsatz. Ich hab das aber kompensieren können, indem andere Gäste mehr Essen konsumiert haben. Jetzt muss sich jeder ein Konzept zurechtlegen, wie er damit umgeht, wenn es in neun Monaten so weit ist – das Gesetz ist unumstößlich. Da müsste eine Partei schon die absolute Mehrheit haben und selbst dann müsste sie es von Brüssel absegnen lassen, was nicht passieren würde. Das ist gegessen.

Aber der Weg dahin war schon eine Stolperei, mit der man niemandem etwas Gutes getan hat.
FRIEDL: Typisch österreichisch! Ein klarer Schnitt wäre besser gewesen. Da gibt es hoch bezahlte Politiker, die diese Entscheidung zu treffen haben. Das Thema Rauchen könnte längst vom Tisch sein, so zieht es sich aber schon seit so vielen Jahren. Andere Länder können es ja auch, warum Österreich nicht?

Hat sich die Aufregung rund um die Registrierkasse gelegt?
FRIEDL: Die Registrierkasse finde ich grundsätzlich fair. Gleiche Regeln, gleiches Spielfeld. Was uns aber sehr ärgert, ist, wie es dazu gekommen ist. Und die 200 Euro, die für die Anschaffung und Umrüstung versprochen wurden, sind nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein. Tatsächlich gibt es Umstellungskosten von über eintausend Euro. Das ärgert uns schon.