Sie sind eine passionierte Läuferin. Waren Sie heute früh schon unterwegs?

Barbara Potisk-Eibensteiner: Nein, das schaffe ich nur am Wochenende.

Weil Sie der Endspurt Richtung Fusion so beansprucht?
Zeitlich voll, aber nicht im negativen Sinn. Dieses vorwärtsgerichtete Arbeiten, ein Ziel zu haben, das Closing gut zu erreichen, das gibt mir Energie und setzt auch ganz viel Positives frei. Eine riesige Motivation.

Eingefädelt hat den Deal noch Franz Struzl mit seinen Kontakten in Brasilien, oder?
In diese Richtung zu arbeiten, ist sehr stark von der Aktionärsseite der Magnesita gekommen. Wir waren in den letzten Jahren immer wieder dran. Magnesita ist unser größter Wettbewerber. Bis zu einem gewissen Grad sind die Verhandlungen deshalb auch eine hoch emotionale Angelegenheit gewesen.

Und wie ist das jetzt mit den Emotionen?
Freude.

Hier bei Ihnen in der RHI.
Auch in Brasilien. Ich glaube, dass auch dort gesehen wird, was das für den gemeinsamen Konzern bedeutet. Natürlich gibt es in beiden Unternehmen noch eine gewisse Verunsicherung. Das muss man als Vorstand managen. Wir werden den Menschen rechtzeitig sagen, welchen Platz sie in der neuen Organisation haben werden. Führung heißt ja Verantwortung.

Steht die neue Struktur schon?
Mit dem Closing werden wir sie bekannt geben. Klar muss sie natürlich schon vorher sein.

Sie mussten im Laufe der Verhandlungen besonders feuerfest sein, Franz Struzl ist ja schwer erkrankt, schied im Sommer aus.
Das war hart, ich hatte das erste Arbeitspapier kurz vor Weihnachten 2015 auf dem Tisch. Im Sommer ist dann Wolfgang Ruttenstorfer als Interimsvorstand gekommen.

Wie war das? Er gilt als Vollprofi, hat aber auch viele Kritiker.
Die Zusammenarbeit war hervorragend. Es war ein sehr gutes Vertrauensverhältnis.

Was war die härteste Herausforderung in dieser Zeit?
Es gab nicht nur eine. Die Fusion war einige Male am Kippen.

Aus emotionalen Gründen?
Unter den angeführten Sachgründen war das auch sehr emotional, glaube ich. Franz Struzls Erkrankung hat es natürlich nicht leichter gemacht. Er war trotzdem extrem stark.

Die RHI ist ja im Grunde jetzt schon ein Weltmarktführer, nur in einem relativ zergliederten Markt. Was bringt Magnesita?
Es ist ein erster Schritt in der Feuerfestindustrie Richtung Konsolidierung am Weltmarkt, der auch stark von vielen chinesischen Firmen geprägt ist. Irgendjemand muss jetzt einmal beginnen, den Markt ein kleines Stück aufzuräumen. Wir können mit Magnesita in andere Regionen gehen, wo wir noch nicht so stark sind, eben Südamerika abdecken und auch ein Stück Nordamerika. In Europa, wo die für uns so wichtige Stahlproduktion nicht mehr das große Wachstum erfahren wird, bekommen wir durch andere Produkte Zusatzpotenzial.

Wie ist die Magnesita wirtschaftlich beisammen?
Sie ist ein operativ gesundes Unternehmen, dem aber der Preis vom Private Equity (Einstieg von Finanzinvestoren, Anmerkung der Redaktion) umgehängt wurde. Außerdem hat sie vor Jahren zu teuer ein Unternehmen zugekauft. Durch beides hat sie hohe Schulden.

Wie geht es Ihnen mit Mitarbeiterabbau?
Je näher Sie die Menschen kennen, desto schwieriger ist das natürlich. Ich musste selbst hier im Finanzbereich Arbeitsplätze nach Spanien verlagern. Über allem steht immer die Prämisse, was für das Unternehmen nachhaltig das Beste ist.

In welchen Zeiträumen denkt man da?
Von mindestens zehn Jahren.

Wie ist die Fusion aus diesem Blickwinkel in Zahlen zu fassen?
Wir können es finanzieren, wissen, wo wir mit unserer Verschuldung hinkommen. Zu den zentralen Fragen gehörte sicher auch jene, ob die Integration angesichts der zusätzlichen Arbeitsbelastungen überhaupt für eine Organisation möglich ist. Schließlich wachsen wir im Umsatz um über 50 Prozent.

Als Sie vor fünf Jahren Finanzchefin geworden sind, haben Sie erzählt, dass Sie das Denken in der RHI verändern wollen. Top-Manager kämpfen ja oft damit, nicht immer die volle Wahrheit zu erfahren.
Es ist ja generell so, dass man tagtäglich viele Ja-Sager trifft. Man muss die Leute wirklich heranführen, einen offenen Dialog zu führen und die Wahrheit zu sagen. Das ist eine elementare Frage der Kultur, welches Feedback Mitarbeiter bekommen, wenn sie Kritik üben. Das heißt auch, gute Leute ihre Arbeit machen zu lassen und Fehler zu erlauben. Das sind nicht immer die gemütlichsten Menschen. Man rauft sich oft selbst die Haare und sagt, jetzt kommt der wieder und bringt ein Problem mit.

Sie sind wahrscheinlich auch nicht so gemütlich?
Wie kommen Sie darauf?

Das wäre doch schlimm.
Ich verbiege mich nicht, möchte immer in den Spiegel schauen können.

Ist etwas ganz anders gekommen, als Sie es erwartet haben?
Die Frage, ob man fachlich alles abdecken kann, war kein Problem. Aber die politischen Komponenten, wie ich es nenne, mit denen man es zu tun hat, mit denen muss man erst einmal zurechtkommen. Da geht es stark um das eigene Wertegefüge und das der verschiedenen Stakeholder, also Aktionäre und Mitarbeiter.

Wird es im Zuge der Fusion auch in Österreich Kündigungen geben?
Die österreichischen Werke werden aus heutiger Sicht von der Fusion profitieren. In anderen Bereichen gilt es, aus beiden Unternehmen das Beste zusammenzuführen.

Was ist für Sie das Spannende an der Feuerfest-Industrie?
Ich habe überhaupt ein Faible für Fabriken, Schlote. Ich liebe das. Das hat Substanz. Ich sage immer: Ein Kilo Feuerfest kostet so viel wie ein Kilo Kartoffeln. Nur bei uns steckt extrem viel Technologie dahinter. Wir können schon komplexe Feuerfestprodukte in 3D drucken, wie das in der konventionellen Produktion gar nicht möglich ist. Unterschiedliche Formate, spezifische Kundenanwendungen zu kompetitiven Herstellungskosten, damit können wir jetzt extrem spannende Dinge anbieten. Für mich bedeutet Industrie Freude am Gestalten, Weiterentwicklung.

Setzt auch der Generationswechsel beim Vorstandsvorsitz, den Stefan Borgas übernommen hat, neue Energien frei?
Vier von unseren fünf Vorstandsmitgliedern werden in zwei Staffeln zusammen mit anderen Mitarbeitern beim Wien-Marathon antreten. Er ist voll dabei. Das ist Ansporn pur.