Die Vienna Insurance Group (VIG) kommt mit einem stetigen Prämienplus und kostendämpfenden Maßnahmen gut durch die Niedrigzinsphase, die die Kapitalerträge anknabbert. In den kommenden Jahren soll der Gewinn sukzessive weiter steigen, auch heuer. Für 2016 gibt es mehr Dividende. Stärken soll den Konzern ein "Agenda 2020"-Programm. Aktiver werden will man auch in CEE in der Krankenversicherung.

Im Versicherungsgeschäft gegen laufende Prämie wuchs der VIG-Konzern 2016 nach vorläufigen Angaben um 4,4 Prozent, samt den gut 19 Prozent weniger Einmalerlägen in der Sparte Leben betrug der Zuwachs 0,3 Prozent auf 9,05 Milliarden Euro. Die Nachfrage nach Vorsorgeprodukten sei noch immer vorhanden, das habe sich auch heuer im Jänner und Februar gezeigt, so VIG-Chefin Elisabeth Stadler. Dieses Thema habe auch künftig seine Berechtigung, die VIG biete auch weiter die klassische Leben mit Garantiezins an, obwohl der Trend Richtung Fonds- und Indexpolizzen gehe. Mehr als ein Drittel des Gesamtgeschäfts entfiel 2016 mit 3,94 Milliarden Euro (-2,8 Prozent) auf Österreich, gefolgt von Tschechien mit 1,53 Milliarden Euro (-1,7 Prozent). Bis 2019 sollen die Konzerneinnahmen kontinuierlich auf 9,5 Milliarden Euro steigen.

Leben wächst langsam

In der Lebensversicherung gegen laufende Prämie wuchs der VIG-Konzern 2016 um 1,3 Prozent auf 2,49 Milliarden Euro, die Leben-Einmalerläge sanken um 19,2 Prozent auf 1,26 Milliarden Euro. Stark legte man mit plus 10,8 Prozent auf 1,30 Milliarden Euro in der Auto-Haftpflicht zu, in der Kfz-Kasko um 8,2 Prozent auf 959 Millionen Euro. Die sonstige Sachversicherung warf mit 3,75 Milliarden Euro um 4,8 Prozent mehr ab.

Der Vorsteuergewinn (EGT) kletterte voriges Jahr von 138 auf 407 Millionen Euro, fast eine Verdreifachung und über dem eigenen Ziel und den Analystenprognosen. Jedoch war die Ausgangsbasis 2015 durch eine damalige IT-Abschreibung sehr niedrig gewesen. Periodenüberschuss und Konzernergebnis vervierfachten sich auf 321 bzw. 288 Millionen Euro. Die Dividende soll um ein Drittel von 60 auf 80 Cent je Aktie angehoben werden. Für das EGT sind für 2019 bis 450 bis 470 Millionen Euro angepeilt, erklärten Stadler und Finanzvorstand Martin Simhandl am Donnerstag. Die Combined Ratio (Schäden und Kosten gemessen an den Prämien) lag unverändert bei 97,3 Prozent, soll aber Richtung 95 Prozent sinken.

Als Nummer 1 in Österreich und CEE will die VIG mit der "Agenda 2020" ihr Geschäftsmodell in Richtung Kostensenkung und Profitabilitätssteigerung optimieren, die konzerninterne Organisation auf neue Beine stellen sowie die Zukunftsfähigkeit absichern. Zum Geschäftsmodell geht es - nach dem Screening aller 25 Märkte nach Potenzialen - um Änderungen der Annahmepolitik, Back-Office-Zusammenlegungen, aber auch Fusionen. An der Mehrmarkenstrategie wolle man aber festhalten, bekräftigte Stadler vor Journalisten. Zur Absicherung der Zukunftsfähigkeit stehen die Digitalisierung, die Intensivierung bestimmter Geschäftsbereiche und eine Verstärkung von Assistance-Leistungen im Mittelpunkt.

Der Fokus des Konzerns mit zuletzt 24.000 Mitarbeitern liege auf einem profitablen Wachstum, "organisatorisch und eventuell auch durch Akquisitionen, wo es sinnvoll scheint", sagte Stadler. Mit Stand 3. Quartal war die VIG Marktführer in Österreich, Tschechien, der Slowakei, Rumänien, Mazedonien und - neu - mit 19 Prozent Marktanteil im Baltikum. Für vier Länder hat man sich ein besonderes Wachstum vorgenommen: In Polen, Ungarn, und Kroatien will man mindestens 10 Prozent Marktanteil erreichen, in Serbien (mit Axa) hat man das schon geschafft. Polen, wo man erst bei 6,7 Prozent hält, sei ein Markt mit sehr viel Potenzial, aber etwa auch einem Preiskampf in Kfz, so Stadler.

Optimistisch für CEE stimmen die VIG-Chefin die BIP-Anstiegsprognosen, die für den Osten bis 2019 durchwegs höher als für Österreich und die Eurozone sind, meist doppelt bis dreimal so hoch. Dieses Plus werde die Versicherungsdichte positiv beeinflussen, die selbst im "besten" CEE-Land Tschechien nur bei einem Viertel der österreichischen liegt, in Rumänien bei einem Zwanzigstel. Privater Verbrauch und steigende Lebenserwartung seien die Haupttreiber der steigenden Versicherungsdichte.

Besonderes Potenzial sieht die VIG in der privaten Krankenversicherung, die heute erst 6 Prozent der Konzernprämie ausmacht, voriges Jahr aber um 6,6 Prozent auf 516 Millionen Euro angestiegen ist, in CEE sogar um 20 Prozent. In fünf Ländern - Polen, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und Türkei - erwarte man eine exponentielle Steigerung der Krankenversicherung, das wolle man ausnützen, so Stadler.

Apropos Türkei: Dort nahm die VIG 2016 rund 160 Millionen Euro ein und steht bei knapp zwei Prozent Marktanteil. Den Riesenmarkt sieht man mittlerweile auch als sehr positiven, dynamisch wachsenden und versicherungstechnisch hochprofitablen an, so CFO Simhandl. Sollten die Einbrüche im Tourismus samt negativen Effekten auf Außenhandelsdefizit und Dienstleistungsverkehr anhalten, könnte das das Wachstum der Türkei dämpfen und das Land auch in eine Rezession rutschen - "die Lira hat ja schon sehr stark abgewertet". Trotz der politischen Konflikte zwischen Türkei und mehreren europäischen Ländern würden die türkischen VIG-Gesellschaften, auch wegen ihres Namens, dort als lokale aufgenommen.

Die Trennung von versicherungsfremden Beteiligungen hat die VIG derzeit nicht vor - hier seien "momentan keine großen Veränderungen geplant", so Simhandl, auch erzielten diese gute Ergebnisse. Wegen der hohen 40-prozentigen Eigenkapitalunterlegungspflicht infolge Solvency II seien aber Aktienbeteiligungen "schwieriger" und würden sich "nicht sehr gut rechnen". Daher habe man hier über die letzten Jahre schon tendenziell verringert; Anteile hält man etwa an voest oder AT&S.

Ziel sei es, die Ergebnisse trotz der auf die Kapitalerträge drückenden Niedrigzinsen zu steigern, sagte Simhandl: "Die negativen Effekte des Finanzergebnisses werden wir überkompensieren." Das gelte wie für die Mittelfristprognose für 2019 auch für heuer, gab der CFO zu verstehen. Zinsanstiege würden sich nicht unmittelbar im Ergebnis niederschlagen - etwa wenn dann die Kurse von Staatsanleihen wieder sinken -, ebenso wenig wie Zinssenkungen, denn man sei langfristig aufgestellt. Insgesamt verfügt die VIG seinen Angaben zufolge über rund 36 Milliarden Euro an Kapitalanlagen, davon mehr als 30 Milliarden Euro den Versicherungsgesellschaften zurechenbar, vom Fixed-Income-Volumen rund 40 Prozent Staatsanleihen, samt supranationalen und covered bonds liege der Anteil bei leicht über 50 Prozent.

Ohne Effekte für die VIG-Bilanz würde laut Simhandl eine Umsetzung des von der Regierung geplanten Wohnpakets bleiben, das gemäß Arbeitsübereinkommen der Koalition eine Öffnung des gemeinnützigen Wohnbaus für Geld privater Investoren bringen soll - mit einer vielfach gesehenen Aufwertungs-Fantasie. Diese sieht der CFO aber für die VIG nicht, die an insgesamt neun derartigen Gesellschaften beteiligt ist, unter anderem am größten Player des Sektors, der Sozialbau AG. "Bei uns wird sich in der Konzernbilanz Null ändern", sagte Simhandl, denn man weise diese Beteiligungen im Eigenkapital mit dem Barwert der künftigen Dividenden aus, und diese Ausschüttungen selbst sind bei Gemeinnützigen ja limitiert. Dass nach der Reform also das Immo-Vermögen auch der VIG über Nacht um ein Vielfaches steigen soll, sieht der CFO nicht - auch nicht, wenn wie für die Reform geplant "der künftige Verkaufspreis dieser Anteile über dem Kaufpreis liegen können" soll. "Wer soll das denn kaufen?", fragt sich Simhandl, der die Rolle der VIG hier primär darin sieht, "leistbaren Wohnraum für Mieter zu generieren". Alles was dazu beitrage, sei gut, natürlich seien Rahmenbedingungen nötig, die dies für Bankversicherer darstellbar mache.

2016 musste die VIG ihre Anteile an den neun Gesellschaften nach einem Bescheid der Finanzaufsicht (FMA) von at equity wieder auf vollkonsolidiert umstellen. Das betreffe u. a. Liegenschaften mit rund 3,5 Milliarden Euro Buchwert, so die VIG im August, noch vor der Änderung. Bei Vollkonsolidierung steige der Anteil der gemeinnützigen Wohnbaugesellschaften am VIG-Eigenkapital um rund eine Milliarde Euro, hatte der Versicherungskonzern damals erklärt - und diese Milliarde bestätigte Simhandl heute.

Die VIG-Aktien lagen heute kurz nach 13 Uhr mit 23,045 Euro um 3,34 Prozent im Plus, der ATX war zur gleichen Zeit 0,52 Prozent fester.

(GRAFIK 0312-17, Format 88 x 55 mm)