Die Verkehrs- und Gastronomiegewerkschaft vida hat Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl einen Brief geschrieben. Sie will eine "Sonderverhandlungsrunde" zur Anhebung der kollektivvertraglichen Mindestlöhne auf 1.500 Euro brutto für einen Vollzeitjob. Von den 70 Kollektivverträgen, die die vida verhandelt, liegen 18 unter diesem Mindestbetrag. Taxler liegen sogar unter 1.300 Euro.

Gerade in den boomenden Branchen Paketzustellung und Sicherheitsdienste würde großflächig unter einem Mindestlohn von 1.500 Euro gezahlt. Das gelte auch für das Reinigungspersonal, wobei sich dort die Arbeitszeit zusätzlich noch immer mehr in die Nacht verlagere.

Insgesamt verdienen 356.500 Beschäftigte unter 1.500 Euro brutto monatlich. Dieser Betrag entspricht rund 1.200 Euro netto. Für den vida-Vorsitzenden Roman Hebenstreit ist das eindeutig zu wenig. "Von Arbeit muss man leben können. Für viele Menschen in Österreich geht sich das aber trotz Vollzeitarbeit nicht aus. Viele gehen arbeiten und sind trotzdem arm", schreibt er gemeinsam mit dem steirischen vida-Chef Horst Schachner an Leitl.

Armutsgrenze

Dass niedrige Löhne ein Land wettbewerbsfähiger machen sei realitätsfremd. "Warum funktioniert dann Afrika nicht. Warum funktioniert dann die Schweiz?", so Hebenstreit am Donnerstag vor Journalisten. Und er stellt klar: "Wir reden hier vom Leben an der Armutsgrenze." Allein im Hotel- und Gasgewerbe würden von 220.000 Beschäftigten 100.000 einen Mindestlohn von 1.420 Euro bekommen.

Noch während Hebenstreit seine Pressekonferenz hielt, kam bereits Kritik von der Hoteliervereinigung (ÖHV). "Schluss mit der Inszenierung! Packt die Nebelgranaten wieder ein und seht zu, dass die Mitarbeiter mehr von dem bekommen, was wir ihnen Monat für Monat überweisen", so ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer, die sich wünscht, dass sich die Gewerkschaften für mehr Netto vom Brutto einsetzen.

Hotelerie gefordert

Für mehr Netto ist auch Hebenstreit, aber ansonsten sieht er die Hoteliers selbst gefordert. "Ich kann das Gesudere nicht mehr hören", so der Gewerkschafter. Gerade in dieser Branche gebe es besonders viele prekäre Arbeitsverhältnisse. Wenn die Hoteliers nicht erkennen würden, dass Arbeitsqualität auch eine entsprechende Bezahlung voraussetzt, "dann weiß ich nicht mehr, was hier abgeht", sagte Hebenstreit. Gespräche mit den Arbeitgebern seien jedenfalls zuletzt von Absagen geprägt gewesen.

Verständnis für Taxler

Der steirische vida-Chef Schachner zeigt dennoch auch Verständnis für manche Unternehmer. "Vor allem bei Taxi-Unternehmen geht es um viel Geld. Dennoch muss die Forderung nach vernünftigen Mindestlöhnen legitim sein." Das gelte auch auf die Gefahr hin, dass die Tarife für Taxikunden dann steigen würden.

Dass der Mindestlohn von 1500 Euro notfalls gesetzlich verankert werden soll, wie Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) dies vorschwebt, wäre für Schachner kein Problem. Ihm ginge es um die Sache. "Wichtig ist der Mindestlohn mit 1500 Euro. Wie wir diesen erreichen, ist zweitrangig." Sein Bundesvorsitzender Hebenstreit würde die Verankerung in Kollektivverträgen allerdings bevorzugen.