70 Menschen, die auf kleinstem Wohnraum gemeldet sind. Wohnungen, die ohne Kasten auskommen, viele fehlende Türschilder und Partnerschaften, die plötzlich keine mehr sind.

Der Kreativität scheint an ausgewählten Orten keine Grenze gesetzt, wenn es darum geht, Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe zu bekommen, obwohl diese rechtlich eigentlich nicht zustehen würde. In der steirischen Landeshauptstadt Graz will das Arbeitsmarktservice (AMS) nun stärker dagegenhalten. Gestartet wurde deswegen 2016 ein Projekt, das sich „Erhebungsdienst“ nennt. In aller Stille, die Mission ist nämlich eine heikle.

„Das Personal wurde sehr bedacht ausgewählt“, erzählt Lieselotte Puntigam (AMS Graz-Ost) von den insgesamt drei Personen, die das Grazer Team bilden. Von einer nun geschaffenen, „zusätzlichen Möglichkeit zum vorgeschriebenen Überprüfungsjob“, spricht man beim AMS gerne. Auf die zurückgegriffen wird, wenn die Berater – Vernaderungsanrufe reichen naturgemäß nicht aus – „begründete Verdachtsmomente“ haben, dass Kundendaten nicht stimmen. „Wir können manche Fälle einfach nicht am Schreibtisch klären“, ergänzt Puntigam.

Viele Scheinwohnsitze, kein Generalverdacht

Seit vergangenem Jahr ist die Aufklärung einfacher, der Kleinen Zeitung liegen nun die ersten Zahlen des neuen Dienstes vor. Denen zufolge kam es 2016 in 411 Fällen zu Erhebungen, die Verdachtsmomente bestätigten sich dabei erschreckend häufig. 160 Mal wurde ein Scheinwohnsitz vermutet, knapp 75 Prozent der Visiten bestätigten das dumpfe Gefühl der Berater.

Bei (nicht) angeführten „Lebensgemeinschaften“ – entscheidend für die Berechnung der Notstandshilfe – haben sich die Verdachtsmomente bei zwei Dritteln der 130 Fälle bewahrheitet. In Sachen falsch angeführtes Dienstverhältnis stießen die AMS-Ermittler indes öfters auf „eklatantes Rechtsunwissen“ und seltener auf kriminelle Energie.

Die Überschlagsrechnung am Ende des Jahres zahlt sich dennoch aus: Alleine durch die Arbeit des „Erhebungsdienstes“ wurde in etwa eine Million Euro an Zahlungen eingespart, die rechtlich nicht zustehen.

Den Generalverdacht soll die frische AMS-Maßnahme freilich keinesfalls schüren – er wäre übrigens ohnehin statistisch gänzlich unbegründet. Bedenkt man, dass alleine im Monatsschnitt des letzten Jahres in Graz knapp 19.000 Menschen als arbeitslos vorgemerkt waren, relativieren sich die 400 Verdachtsmomente.
Den „Erhebungsdienst“ überlegt das AMS  flächendeckend in der Steiermark auszurollen. Noch im ersten Quartal präsentieren die Grazer ihre Ergebnisse jedenfalls in den steirischen Regionen.