Börsencrash in China, das Brexit-Votum und die für viele überraschende Trump-Wahl - das war der Stoff, der 2016 die Kapitalmärkte besonders getrieben hat und wohl auch in den nächsten Jahren weiter treiben wird. In all den Turbulenzen hat sich die Wiener Börse nicht einmal so schlecht geschlagen. Um 10,6 Prozent - inklusive Dividenden um fast 14 Prozent -  legte der heimische Leitindex ATX zu. Der Frankfurter DAX schaffte ein Plus von 6,9 Prozent.

Begünstigt werden Aktien weiterhin von einem Nullzinsniveau, das für Sparer verheerend ist. Da sich am Kurs der Europäischen Zentralbank so schnell nichts ändern wird, sehen Experten auch für das kommende Jahr Potenzial für die Aktienmärkte. Kursanstiege um die acht Prozent sehen die Chefanalysten von Erste Group und Raiffeisenbank International in Wien.

Der neue Börsenvorstand Christoph Boschan kurbelt bereits heftig, um den Handelsplatz attraktiver zu machen, nach den Negativnachrichten vor allem rund um den künftigen Abgang des ATX-Schwergewichts RHI.  Niedrigzinsen wie derzeit halten Unternehmen nicht von der Börse ab,“ so Boschan, „sie begeben nur keine neuen Aktien, sondern bevorzugen Anleihen.“ So brachten 45 Unternehmen Anleihen über 7,28 Milliarden Euro auf den Markt. Sie notieren wie eine Reihe anderer Papiere im außerbörslichen Handel, für den ab 2018 verschärfte Transparenzregeln gelten. Hier will die Börse mit neuen IT-Dienstleistungen Unternehmen bei der Stange halten. „Wir wollen Handelsteilnehmern bei der Bewältigung der regulatorischen Erfordernisse unter die Arme greifen,“ kündigt der Technik-Vorstand der Wiener Börse, Ludwig Nießen, an.

ATX steuert 2800 Punkte an

Friedrich Mostböck, Chefanalyst der Erste Group, sieht die Abgänge von der Börse als nicht dramatisch an. Jeder Verlust sei schmerzlich, aber selbst der RHI-Rückzug sei keine existenzielle Bedrohung. Grundsätzlich sehe man für Wien ein positives Bild. „Bewertungen und Dividendenrenditen bleiben attraktiv, das Gewinnwachstum intakt“, so Mostböck. Die Prognose für den ATX: Ende 2017 wird er bei 2800 Punkten erwartet. Zum Jahresende lag er bei 2618 Punkten. Es sei aber weiter mit Volatilitäten, also Kursschwankungen, zu rechnen. So könnte es etwa wegen Wahlen in Europa unterjährig zu Irritationsphasen kommen.

Auf die politischen Entwicklungen legt auch Peter Brezinschek, Chefanalyst der Raiffeisenbank International, besonderes Augenmerk. Wahlen in vier EU-Ländern - Deutschland, Frankreich, Italien und den Niederlanden - könnten sich auf das allgemeine Investitionsklima auswirken. Grundsätzlich könnten wie schon 2016 politische Entscheidungen viel Einfluss auf die Märkte haben. Mit der größten Spannung dürfte die Entwicklung in den USA beobachtet werden. Massive Steuersenkungen um den Preis deutlich höherer Budgetdefizite dürften neue Dynamik in die Märkte bringen, aber auch die Preise treiben, infolgedessen dann in kleinen Schritten die Zinsen erhöht werden. 

Eine der wichtigsten Fragen ist, wann das auch die EZB unter Zugzwang bringt. Brezinschek glaubt, dass das erst Ende 2018 der Fall sein wird. Für den Wiener Kapitalmarkt ist Brezinscheks Ausblick optimistisch. Er sieht den ATX ebenfalls bei rund 2800 Punkten. Er begründet das mit einer grundsätzlich guten Ausgangslage, weiterer Konjunkturbelebung - auch in den meisten Ländern rund um Österreich.