Bis es klappte mit dem Backpulver, hatte Firmengründer August Oetker jahrelang im Keller experimentiert. Er tüftelte an der richtigen Mischung. Am Ende stand ein Sackerl für zehn Pfennig, genau die richtige Menge für ein Pfund Mehl. Vor 125 Jahren war das der Durchbruch. Bei der Suche nach dem Topmanager an der Spitze des deutschen Familienunternehmens stockt es dagegen schon länger. Offiziell gibt es keine Entscheidung, lässt Dr. Oetker mitteilen.

Dr. Oetker verdiente mit Backpulver in der Gründerzeit prächtig und legte so den Grundstein für das heutige Pudding, Back- und Pizza-Imperium aus Bielefeld. Kein Markenanbieter in Deutschland ist so bekannt. Längst aber zählen auch Bier, Sekt, Container-Schiffe, ein Bankhaus sowie Hotels mit 31.000 Mitarbeitern und 12,2 Mrd. Euro Umsatz (2015) dazu. Wie bei der Suche nach der richtigen Backmischung tüfteln die Oetker-Erben seit Jahren an der Nachfolgefrage.

Acht Erben

Rudolf-August Oetker, der Enkel des Firmengründers, hinterließ bei seinem Tod 2007 acht Erben aus drei Ehen. Seine Kinder erblickten von 1940 bis 1979 das Licht der Welt. Zwischen den Halbgeschwistern liegen zum Teil fast 40 Jahre Lebenserfahrung.

Ende 2016 muss Richard Oetker (4. Kind aus der 2. Ehe) die Konzernleitung laut Statut mit 65 Jahren aufgeben. Bereits 2010, als er das Ruder an der Spitze übernahm, waren sich die Familienstämme nicht einig. Er, in der Öffentlichkeit seit 1976 bekannt als das Entführungsopfer von Dieter Zlof, galt vor sechs Jahren als Puffer zwischen den Generationen und verhinderte Alfred Oetker (1. Kind aus 3. Ehe) an der Spitze.

Familien-Diplomatie

Wer das Rennen machen soll, dazu äußert sich niemand offiziell. Ein mit viel Macht ausgestatteter Beirat muss Vorschläge liefern. Um das Unternehmen vor Streitereien zu schützen, kommt eine Mehrheit der Mitglieder von außen wie etwa der Lufthansa-Chef Carsten Spohr.

"Dieser Beirat aber kann nicht gegen den Willen der Stämme entscheiden", sagt ein Unternehmens-Kenner. Deshalb laufe seit Monaten eine Art Pendel-Diplomatie. Zuletzt hatte der Beirat im September getagt. Der nächste Termin ist im Dezember. "Zu beachten ist, wer beim vergangenen Treffen eben nicht für die Konzernspitze vorgeschlagen wurde", heißt es in Firmenkreisen.

Spiel auf Zeit

Der Clou: Die September-Entscheidung gleicht einem Schachzug, um Zeit zu gewinnen. Richard Oetker, bisher Chef des Konzerns wie auch der Lebensmittelsparte, zieht sich zwar von der Spitze zurück. Für die Nahrungsmittelsparte aber bleibt er auch nach Erreichen der Altersgrenze überraschend weiter zuständig. Mit ihm bilden bisher Finanzchef Albert Christmann und der Chef der Rederei-Tochter Hamburg Süd, Otmar Gast, ein Trio an der Spitze des Konzerns. Mit der Entscheidung des Beirates im September wird aus dem Trio jetzt ab 2017 ein Duo.

Spekulationen, dass Christmann als familienfremder Manager für Richard Oetker an die Spitze rückt, gibt es schon seit Jahren. Als schwere Bürde gilt eine Millionen-Kartellstrafe aus seiner Zeit bei der Radeberger-Gruppe. Christmann soll beteiligt gewesen sein an Preisabsprachen auf dem deutschen Biermarkt. Der Manager bestreit ein Mitwissen. Am Oberlandesgericht Düsseldorf ist eine Klage gegen die Strafe anhängig. Bei August Oetker (1. Kind aus 2. Ehe), dem Vorsitzenden des Beirates, wie bei Richard Oetker genießt Christmann allerdings hohes Ansehen.

"Beworben habe ich mich nicht", sagte Christmann im Juni zur Nachfolgefrage. Bewerben müsste er sich aber wohl kaum. Er würde wohl gefragt. Ein Dementi war das somit nicht.

Strategie und Eitelkeit

Der Streit der Halbgeschwister dreht sich um die Unternehmensstrategie und Eitelkeiten. Die Älteren trauen Alfred und Carl Ferdinand (2. Kind aus 2. Ehe) den Topjob nicht zu. Das seit Jahren zitierte Credo lautet: "Bei guter Leistung kann es auch ein Oetker sein." Muss aber nicht. Neben dem Personal steht der Streit um die Strategie: Altes bewahren oder immer wieder auf den Prüfstand stellen? Das aktuelle Management neigt zum Prüfstand.

In diesem Streit sieht Prof. Nadine Kammerlander kein Grundsatzproblem. Die Wissenschafterin leitet den Lehrstuhl für Familienunternehmen an der Otto Beisheim School of Management bei Koblenz. "Konflikte sind nicht böse oder schlecht. Sie bringen das Unternehmen weiter, wenn Argumente ausgetauscht werden", sagt Kammerlander. So ein Streit dürfe sich aber nicht jahrelang aufstauen und persönlich werden. "Schwierig wird es, wenn es klassische Stammesfehden gibt."

Auch die Belegschaft will wissen, wie es weitergeht. "Kein Mitarbeiter hat jetzt wegen dieser Frage schlaflose Nächte", sagt Gabriele Böhm von der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG). Aber die Familie habe schon die Pflicht, sich zu äußern.