Wie baut man Österreichs weitverzweigtestes Genossenschaftsbankennetz Raiffeisen mit ihrer tief in Osteuropa stehenden Raiffeisen Bank International (RBI) per Fusion zu einer börsenotierten, dreistufigen Unternehmensgruppe zusammen? Dass das keine leichte Übung sein wird, war klar. Denn es wird an Machtgefügen gerüttelt sowie am Selbstverständnis, wenn der Förderauftrag der lokalen selbstständigen Raiffeisenbanken und die Kapital-, Compliance- und Shareholderregeln der Börse aufeinander prallen. So ist es wenig verwunderlich, dass ein für diese Woche erwarteter Fusionsbeschluss, mit dem die Raiffeisen Zentralbank (RZB) in ihrer 60-Prozent-Tochter RBI aufgehen soll, nicht zustande kam.

Bewertungsfragen offen

In langen Aufsichtsratssitzungen von RZB am Dienstag und RBI am Mittwoch blieben wichtige Fragen der Bewertung, nach denen die Landesbanken als Eigentümer der RZB-Aktien diese in RBI-Aktien tauschen würden, offen. Die von Walter Rothensteiner geführte RZB und die RBI unter Karl Sevelda wurden von unterschiedlichen Wirtschaftsprüfern – Ernst & Young sowie BDO – nach unterschiedlichen methodischen Ansätzen bewertet. „Da blieben jedoch noch viele Fragen offen“, heißt es aus dem Aktionärskreis.

An der Notwendigkeit der Fusion wird nicht mehr gezweifelt, seit im Sommer der EZB-Bankenstresstest die RZB mit ihren aktuell 10,6 Prozent Kernkapital im Krisenszenario mit nur 6,1 Prozent Kernkapital hart an der 5,5-Prozent-Untergrenze und an vorletzter Stelle von 51 geprüften Bankhäusern in Europa sah. Um für die RBI die gestaffelt bis 2019 von internationalen Banken geforderte Kernkapitalquote von 15 Prozent zu erreichen, sind Fusion und Synergien mit der RZB unerlässlich. Schon die Fusion allein soll das Kernkapital der RBI von 12,2 auf 12,5 Prozent heben. Doch anstatt, wie diese Woche vertröst, im Oktober, wird es die formalen Beschlüsse überhaupt erst in Aufsichtsratssitzungen am 15. Dezember geben. Am 23./24. Jänner 2017 sollen die Hauptversammlungen alles absegnen.

Heinrich Schaller
Heinrich Schaller © APA

Heinrich Schaller Favorit

Welchen neuen Namen die RBI/RZB dann tragen wird, ist noch offen. Intern läuft das Projekt unter „R2“. Wenn statt den aus Altersgründen abtretenden Vorstandschefs Rothensteiner und Sevelda der Chef der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, Heinrich Schaller, neuer Vorstandsvorsitzender würde, wäre das keine Überraschung. Wenngleich es bisher keine Aussage von ihm gibt, ob er es überhaupt machen wolle, so fände der einstige Vorstand der Wiener Börse doch breite Unterstützung der anderen Raiffeisen Landesbanken. Ein Ausdruck geänderter Machtverhältnisse in einer Gruppe, die sich von der Dominanz eines Generalanwaltes Christian Konrad bis zu rebellierenden Ortsraiffeisenbanken ebenso autoritär wie basisdemokratisch präsentierte und Eigentumsverhältnisse oft auf den Kopf stellte.

Machtverhältnisse im Syndikat

Denn die vielen Raiffeisenbanken sind Eigentümer der Landesbanken und diese wiederum im Syndikat (zusammen mit RWA und anderen Genossenschaften) über Zwischenholdings Eigentümer der RZB, die 60 Prozent an der RBI hält (Grafik). An der fusionierten RBI/RZB werden die Landesbanken direkt oder über jeweils eigene Holdings beteiligt sein, wobei sich die durchgerechneten Anteile leicht verringern. Mit der Fusion wird sich so auch der übermächtige Anteil von Raiffeisen Niederösterreich/Wien auf unter 25 Prozent verringern. Dass innerhalb des Syndikats der Raiffeisen Landesbanken eine Achse der RLB Oberösterreich mit der von Martin Schaller geführten RLB Steiermark erstarkt, wäre nicht wegen der Brüder-Konstellation, aber schon wegen derzeit je rund 13,5 Prozent durchgerechneter Anteile denkbar.

RBI-Aktie
RBI-Aktie © Grafik

Synergieeffekte

Die RLBs hatten einst die RBI-Expansion ermöglicht, mussten aber mit deren Rückschlägen schmerzhafte Abwertungen vornehmen. Jetzt soll die Fusion allein aus Synergien jährlich zweistellige Millionenbeträge in der RBI/RZB einsparen.

Zwei Wertewelten

Große Anstrengung wird es brauchen, um die kleinen Raiffeisenbanken überzeugend mit ins Boot zu nehmen. Bisher war ihnen stets die RZB als Firewall zum Osteuropa-Risiko der RBI suggeriert worden. In Zukunft würden sie im Sicherungssystem für diese Risiken auch formal voll mit geradestehen müssen. Und sie müssen sich an alle scharfen Börseregeln von Compliance bis Information gewöhnen. Regional mit Förderauftrag als Finanzierer unterwegs, steht an ihrer Spitze ein Börseunternehmen, das Dividenden bringen soll. Zwei Wertewelten, die der Sektor unter ein Giebelkreuz bringen muss.