Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) hat am Freitag in den Räumen der SPÖ-Zentrale in Wien eine Mitgliederbefragung in der SPÖ zum Freihandelsabkommen CETA (EU-Kanada) angekündigt. Begleitend werde es eine breite Diskussion mit Experten, Befürwortern und Gegnern des Abkommens geben. 

"Angesichts des Widerstands, der hier bisher formuliert worden ist, ist eine Unterzeichnung Österreichs, ohne dass wir uns vorher damit genau auseinandersetzen und es Punkt für Punkt abklopfen, aus meiner Sicht gar nicht möglich", sagte der Kanzler. Das sei "kein populistischer Reflex", sondern es gehe um eine "breite Bewegung" gegen das Abkommen.

Kern weiter: "Das Problem mit CETA ist, dass hier unter dem Deckmantel eines Freihandelsabkommens eine Reihe von Dingen mittransportiert werden, die wir mit Skepsis sehen." Kritisch seien dabei insbesondere Regulierungsfragen, die Privatisierung von kommunalen Dienstleistungen, die Wahrung von sozial- und umweltpolitischen Standards und der Investorenschutz.

Karas ortet "Kniefall vor Boulevard"

Harsche Kritik erntete der Bundeskanzler für dieses Vorgehen von Othmar Karas, ÖVP-Delegationsleiter im EU-Parlament: Karas wirft Kern "Flucht aus staatspolitischer Verantwortung" vor. Handelsabkommen dürften nicht von einer SPÖ-Mitgliederbefragung abhängig gemacht werden.

Karas forderte Kern auf zu informieren statt zu befragen. "Die Fakten widersprechen Kern. Der tägliche Kniefall vor dem Boulevard - Türkei, TTIP, CETA, Notverordnung - ist ein unwürdiges Schauspiel, eine Beleidigung der Bürger". Jede einzelne Forderung an CETA sei erfüllt worden. "Die Sorgen und Ängste der Bürger wurden berücksichtigt. CETA ist das beste Handelsabkommen, das Europa je mit einem anderen Land ausgehandelt hat", betonte Karas.

Jetzt nach Ende eines mehr als siebenjährigen Prozesses eine Kehrtwende zu machen, sei sachlich nicht gerechtfertigt und unverantwortlich.

Mitterlehner: "Werden eine Linie finden"

Dass Kern das CETA-Freihandelsabkommen nachverhandeln will, hält auch Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) für ein "Ding der Unmöglichkeit", wie er dem "Kurier" sagte. "Sollten wir uns gegen das Abkommen entscheiden, würden wir voraussichtlich überstimmt, weil sich eine qualifizierte Mehrheit für CETA abzeichnet", so Mitterlehner.

Und er konkretisiert: "Für CETA werden wir eine Linie finden, da nähern wir uns ganz gut an." Auf den Vorhalt, dass die vorläufige Anwendung von CETA dazu führen könnte, dass große Teile in Kraft sind, obwohl ein oder mehrere nationale Parlamente Nein dazu sagen, sagte Mitterlehner: "Die handelsrechtlichen Kompetenzen liegen bei der Kommission, so sind die Spielregeln."

EU-Kommission will auf Kurs bleiben

"Diese Freihandelsabkommen bringen unter dem Deckmantel des Freihandels in Wahrheit eine massive Machtverschiebung zugunsten global agierender Konzerne und zulasten der demokratischen Mitbestimmung, der demokratischen Politik, das ist ein grundsätzlicher Webfehler", kritisierte der Bundeskanzler beide Abkommen, das unterschriftsreife CETA und TTIP, wo derzeit noch verhandelt wird.

"Wir verhandeln für alle 28 Mitgliedsstaaten. Wir haben am 28. September ein Treffen aller Handelsminister, da wird es besprochen", sagt unterdessen der Vertreter der EU-Kommission in Österreich, Jörg Wojahn. Grüne und FPÖ hingegen forderten den Kanzler auf, seinen Worten Taten auf EU-Ebene folgen zu lassen. Anders die NEOS, die das CETA-Handelsabkommen gerne unterzeichnet hätten.

Der Experte Daniel Gros vom Brüsseler Center for European Policy Studies sagte heute im "Ö1-Mittagsjournal", bei CETA sei vielleicht noch ein Rettungsversuch möglich. Mit Kanada gebe es bezüglich Gentechnik keinerlei Probleme, es sei schwer verständlich, warum auch gegen dieses Kanada-Abkommen so scharf geschossen werde.