Die EU-Kommission verzichtet auf Geldstrafen gegen Spanien und Portugal wegen jahrelanger übermäßiger Haushaltsdefizite. Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Lage in beiden Ländern habe sich die Behörde entschieden, dem EU-Rat keine Bußen zu empfehlen, sagte der für den Euro zuständige Vizepräsident der Kommission, Valdis Dombrovskis, am Mittwoch.

"Selbst symbolische Sanktionen (...) wären von der Öffentlichkeit nicht verstanden worden", sagte EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici. "Sie sind nicht die beste Herangehensweise in Zeiten, wenn es weitgehende Zweifel an Europa gibt."

Vorgaben verfehlt

Portugal und Spanien hatten trotz aller Ermahnungen im vergangenen Jahr erneut die EU-Vorgabe eines Defizits von maximal drei Prozent der Wirtschaftsleistung gerissen. 2015 betrug das Haushaltsloch in Spanien 5,1 Prozent, in Portugal 4,4 Prozent.

Bei Portugal verlangt die Kommission nun, dass das Land dieses Jahr noch maximal ein Defizit von 2,5 Prozent ausweist und damit unter der EU-Defizitgrenze bleibt. Bei Spanien wird eine schrittweise Verringerung des Haushaltslochs gefordert: auf 4,6 Prozent in diesem Jahr, 3,1 Prozent im kommenden Jahr und schließlich 2,2 Prozent 2018. Madrid bekommt damit nochmals ein Jahr länger Zeit als bisher vorgesehen.

Erste Bußgeldverfahren

Erstmals überhaupt hatten die Euro-Finanzminister Mitte Juli Bußgeldverfahren gegen zwei Mitglieder der Währungsunion in Gang gesetzt. Beiden Ländern drohten damit hohe Strafen von bis zu 0,2 Prozent der Wirtschaftsleistung. Im Falle Spaniens waren dies maximal 2,2 Milliarden Euro, bei Portugal bis zu 360 Millionen Euro.

Der nun empfohlene Verzicht auf die Geldstrafen muss noch durch den Rat der Mitgliedstaaten bestätigt werden. Wenn sie dies nicht wollen, müssen die EU-Staaten eine anderslautende Entscheidung fällen. Die betroffenen Länder Portugal und Spanien dürften nicht mit abstimmen.

Ein solches Vorgehen gilt aber als unwahrscheinlich und wäre politisch heikel. Ende 2003 waren nämlich Defizitverfahren gegen die großen EU-Länder Deutschland und Frankreich gegen den Widerstand der Brüsseler Kommission auf Eis gelegt worden. Dieses Vorgehen gilt bis heute als ein Grund für die mangelnde Glaubwürdigkeit des Stabilitätspakts. Später nahmen Schuldensünder wie Griechenland den Pakt nicht ernst.

Deutschland: Sieben mal drüber

Seit der Euro-Einführung im Jahr 1999 riss allein Deutschland sieben Mal die Defizitobergrenze: 2001 (3,1 Prozent Defizit), 2002 (3,8), 2003 (4,2), 2004 (3,8), 2005 (3,3), 2009 (3,1) und 2010 (4,2). Frankreich befindet sich auch derzeit wieder in einem Defizitverfahren. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte jüngst für Aufsehen gesorgt, weil er Frankreich mit den Worten "weil es Frankreich ist" als Sonderfall einstufte.

Erst nach der Sommerpause wird die Kommission die Entscheidung fällen, in welchem Maß sie Mittel aus EU-Strukturfonds wegen der anhaltenden Haushaltsdefizite für beide Länder auf Eis legt. EU-Währungskommissar Pierre Moscovici sagte, das Thema werde im September angegangen.

Anders als bei der Geldstrafe, kann auf ein Einfrieren von Geldern aus Strukturfonds für das kommende Jahr nach dem Defizitverfahren nicht verzichtet werden. Die Frage ist nur, in welchem Umfang dies geschieht. Die Entscheidung darüber erfolgt in Abstimmung mit dem Europaparlament. Eingefrorene Strukturmittel können aber auch wieder freigegeben werden, wenn Madrid und Lissabon von Brüssel gestellte Bedingungen erfüllen.