Ganz weich und zart, nahezu wie Seidenpapier fühlt er sich an: der junge Bärlauch. In den Murauen bei Mureck, wo die Welt noch vom Winter gezeichnet ist und kahle Bäume wie Streichhölzer in den Himmel ragen, kämpft er sich bereits durch den braunen Erdboden an die Oberfläche. Und erstrahlt unter der Sonne, die den Waldboden streift und in der nahen Mur glitzert, in sattem Grün. Der Bärlauch, er ist der wohlschmeckendste unter den Frühlingsboten. Der so typische sanfte Knoblauchduft hängt hier überall unter den Bäumen und tastet sich durch die Luft. Einatmen, ausatmen.

"Eine Reise in den Frühling"

"Es riecht nach Frühling“, sagt Brigitte Haberhofer und öffnet ein Sackerl, aus dem der Bärlauch quillt. Gemeinsam mit ihrem Mann Adi und Freundin Elfi Fetz stapft sie durch die Murauen und brockt die grünen Blätter. „Wir können gar nicht aufhören!“, sagt sie und lacht. Mehr als eine Stunde hat die Autofahrt von Puch bei Weiz gedauert, aber die Reise vom Apfelland in den steirischen Süden hat sich gelohnt. „Hier ist Natur pur, wie eine Reise in den Frühling“, schwärmt Brigitte Haberhofer. Bedächtig blickt sie sich um. „Bei uns in Weiz ist dagegen alles noch braun.“

Die drei Wanderer öffnen ihre vollen Sackerl. „Wir sind extra wegen des Bärlauchs hergekommen“, sagen sie und zeigen stolz ihre Beute. „Zuhause machen wir dann Pesto“, verrät Elfi Fetz. Sie steckt ihre grün verfärbten Finger in das Sackerl und fischt eine Handvoll Bärlauch heraus. „Den Rest frieren wir ein, damit die gute Würze erhalten bleibt.“ Vorsichtig lässt sie die Blätter zurück in das Sackerl gleiten. „Am besten ist der Bärlauch ohnehin, wenn er noch klein ist.“

Zart und jugendlich, genau so sieht der Bärlauch in den Murauen gerade aus. Es ist Mitte März, seine Zeit in diesem Jahr ist gekommen. In den kommenden Wochen, vor allem an den Wochenenden, quillt die Au zwischen Mureck und Bad Radkersburg regelmäßig vor Ausflüglern aus Nah und Fern über.

Vorsicht beim Pflücken

Doch Vorsicht ist geboten, sagt Biologe Bernd Wieser: „Jetzt, wo nur die Blätter des Bärlauchs zu sehen sind, kann es leicht zu Verwechslungen kommen.“ Etwa mit den hochgiftigen Herbstzeitlosen oder dem giftigen Aronstab. „Alles wächst untereinander“, sagt Wieser, „deshalb sollte man den Bärlauch am besten nicht büschelweise, sondern jedes Blatt einzeln pflücken.“

Genau so geht Erich Hauser aus Lieboch bei Graz vor. Vorsichtig stöbert er mit den Fingern durch das getrocknete Laub, um ein Bärlauchblatt nach dem anderen aus dem Boden zu zupfen. „Der Knoblauchgeruch ist das Angenehme hier“, sagt er und steckt die Nase erst in den Wind und dann in die Plastiktasse, die er in der Hand hält. Er schließt die Augen und inhaliert geradezu den wohligen Duft. „Der ganze Wald riecht nach Bärlauch!“, ruft er und die Freude ist nicht zu überhören. Brigitte Veitlmeier, die neben ihm steht, lacht. „Zuhause mache ich dann einen Aufstrich, Suppe oder ein Risotto“, erzählt sie. Eingefroren wird kein einziges Blatt, sagt sie, sondern der ganze Bärlauch sofort verbraucht.

Cordon Bleu mit Bärlauch-Füllung

Bärlauchzeit: So gelingt ein Bärlauch-Cordon Bleu

Cordon Bleu mit Bärlauch-Füllung
Cordon Bleu mit Bärlauch-Füllung © Katharina Siuka

Im Lindenhof in Laafeld bei Bad Radkersburg, quasi am anderen Ende der Murauen, macht es Köchin Cornelia Kollmanitsch genau gleich. Alle ein bis zwei Tage geht sie in die Au und brockt frischen Bärlauch. „Bärlauch wirkt blutreinigend und entkalkend“, sagt sie und hackt das Kraut in winzige Stücke. „Er weckt die Lebensgeister.“ Mit flinken Handgriffen bereitet sie ein Cordon Bleu zu und füllt es mit Schinken und Bärlauch-Topfenaufstrich. „Solange der Bärlauch so klein ist, ist er ideal“, weiß sie, „und leicht zu verarbeiten.“ Sie bäckt das gefüllte Fleisch im heißen Öl gold-braun heraus. Und schon beim ersten Bissen steht fest: der nächste Ausflug in die Murauen wird garantiert nicht lange auf sich warten lassen.