Er gehört zu seinen wichtigsten Schätzen, der dunkelblaue Reisepass mit dem goldenen DDR-Wappen. Für Stephan Werner war er der Schlüssel für das Tor zur Freiheit, damals, am 17. November 1989, nur acht Tage nach dem Fall der Berliner Mauer. Bekommen hatte Werner seinen Pass vier Tage zuvor, nicht nur für DDR-Verhältnisse eine mehr als schnelle Erledigung. Und auch wenn das Dokument schon seit Jahren ungültig ist, hütet er es wie seinen Augapfel.
Der damals 26-jährige Werner lebte in Halle-Neustadt. Als praktizierender Katholik und Kritiker des DDR-Regimes nahm er auch an den Friedensgebeten teil, die seit 1982 regelmäßig abgehalten wurden. Seit dem 4. September 1989 schlossen sich in Leipzig an die Friedensgebete die sogenannten Montagsdemonstrationen an – so auch am 9. Oktober. Eigentlich wollte Stephan Werner an diesem Tag in Halle-Neustadt bleiben, aber ein Freund bat ihn, doch nach Leipzig zu kommen: „Er hat gesagt, es müssen ganz, ganz viele kommen.“
Werner hatte Angst, aber er fuhr nach Leipzig. Erst eine Woche zuvor war der Staat mit brutaler Gewalt gegen die friedlich Demonstrierenden vorgegangen – was auch für den 9. Oktober befürchtet wurde. Denn die Demonstration in Leipzig geriet zum Massenprotest. 70.000 zogen durch die Stadt, brennende Kerzen in der Hand. Und das Wunder geschah: Es gab keine Gewalt, von keiner Seite. „Wer eine Kerze in der einen Hand hat, muss mit der anderen die Flamme schützen. Da hat er keine weitere Hand, um Steine oder Molotowcocktails zu werfen“, sinniert Werner. Seine Botschaft: „Du kannst die Welt friedlich verändern.“