Montagabend sorgte Starkregen und Hagel für Chaos in Graz. Zahlreiche Straßen, Unterführungen und Keller waren überschwemmt - vor allem in Straßgang, Wetzelsdorf, Lend und Gries. Die Regenmassen erreichten binnen weniger Stunde die doppelte Menge eines durchschnittlichen Aprils bzw. ein Zehntel des mittleren Jahresniederschlags in Graz. 162 Liter pro Quadratmeter gingen alleine im Bezirk Gries nieder.

Erst am Tag danach wird das Ausmaß der Schäden deutlich: So musste die Feuerwehr bei der Unterführung Hergottwiesgasse einschreiten und mehrere Fahrgäste aus einer überfluteten Tram evakuieren: "Die Straßenbahn konnte im Anschluss wieder selbsständig aus der Unterführung fahren - allerdings erst nachdem das Wasser wieder zurückgegangen ist", sagt Einsatzleiter Andreas Schmuck. Das war ohne Zutun der Einsatzkräfte der Fall, da der Regen am Abend nachgelassen hatte.

Mehrparteienhaus drohte einzustürzen

Besonders dramatisch war die Lage in der Nacht auch bei einem Mehrparteienhaus am Grieskai: Durch den massiven Wassereintritt wurden die Fundamente des Hauses laut Feuerwehr zum Teil unterspült. In den Nachtstunden wurde der Zustand des Hauses von einem Statiker überprüft. Bei dem Gebäude herrschte Einsturzgefahr."Der Kellerboden ist nach unten in das Erdreich gerutscht", so Schmuck.

Evakuiert werden musste trotzdem niemand, am Gebäude ist aber erheblicher Schaden entstanden. Wie es seitens der Feuerwehr heißt, sind hier nun dringende Renovierungsarbeiten erforderlich. Mit Stabilsierungsmaßnahmen wurde bereits Dienstagfrüh begonnen. So wurde laut Feuerwehr in einem Hochdruckverfahren Beton eingespritzt um das Fundament wieder zu stabilisieren.

Einsatz die ganze Nacht

Die Feuerwehr war bis 5 Uhr im Einsatz, nach Dienstwechsel ging es um 6 Uhr weiter, aktuell werden etwa noch 25 Einsätze abgearbeitet. Glück im Unglück hatten am Abend die Insassen von zwei Fahrzeugen im Südwesten von Graz. Sie waren - wie die Tram - in den Wassermassen der Eisenbahnunterführung Herrgottwiesgasse gelandet und konnten von der Berufsfeuerwehr Graz gerade noch rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden. Im diesem Bereich der Herrgottwiesgasse konnte der Mühlgang die enormen Wassermengen aus Kanälen nicht mehr fassen konnte.

© Rieger

Und seit Dienstag, 6.30 Uhr, ist wegen des gestiegenen Wasserstandes der Mur die Sperre der Muruferpromenade verordnet worden. Der Wasserstand der Mur hat einen Pegel erreicht, der Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung erfordert. Daher wurde in Anwendung des Steiermärkischen Katastrophenschutzgesetzes die Sperre des aktuellen Gefahrenbereiches angeordnet. Dieser erstreckt sich an der Ostseite der Mur zwischen den Abgängen Roseggerkai (Augartenbrücke) und Kaiser-Franz-Josef-Kai (Gründerzeitabgang).

Mur-Pegel steigt auf 4,20 Meter

Bei Nichtbefolgung dieser Verordnung ist mit einer Geldstrafe bis zu 3.634 Euro, bei besonders erschwerten Umständen bis zu 36.336 Euro Strafe.

Die Mur ist jedenfalls auf einen Stand von 4,2 Meter geklettert. Das bedeutet "Alarmstufe Rot". Die Berufsfeuerwehr hat noch in der Nacht zahlreiche Sperren an der Uferpromenade eingerichtet. Mit einer Entspannung ist in den kommenden Tagen nicht zu rechnen. Nach den starken Schneemengen im Winter, ist mit Schmelzwasser zu rechnen - das könnte den Mur-Pegel sogar weiter ansteigen lassen.

Diskussionen gab es indes online bezüglich der Rolle des Mühlgangs an der Überflutung der Unterführung der Herrgottwiesgasse. Warum sich dort so viel Wasser sammelte, lesen Sie hier.

Citypark öffnet am Dienstag wieder

Aufsehenerregend war darüber hinaus die Situation im Citypark - hier drang Wasser in die Räumlichkeiten ein. Rasch kursierten Beweisvideos auf Social Media - eines davon wurde binnen sechs Stunden mehr als 500.000 Mal angesehen. Das Grazer Einkaufszentrum hat daraufhin via Facebook mitgeteilt, dass man allen Helfern danke. Gegen 22.30 Uhr gab man dann vorläufig Entwarnung: Die Reinigungsarbeiten nach dem Regen seien zu "98 Prozent abgeschlossen" hieß es. Mittlerweile sind alle Shops wieder regulär geöffnet, hieß es.

Tatsächlich öffnete der Einkaufstempel nach einer langen Nacht voller Aufräumarbeiten am Dienstag um 9 Uhr wieder.

Auch in der die UCI Kinowelt Annenhof hielt die Decke dem enormen Niederschlag am Montag laut Videos zeitweise nicht mehr stand - Wasser tropfte hier auf den Boden. Selbst in Grazer Straßenbahnen rann Wasser von den Decken auf die Sitze.

Generell sorgten Hagel und Regen im gesamten Stadtgebiet am Abend für jede Menge Feuerwehreinsätze: Die Berufsfeuerwehr musste zu mindestens 150 Einsätzen ausrücken, wie deren Sprecher Thomas Schmallegger auf Anfrage der Kleinen Zeitung bestätigte. Insgesamt wurde die Feuerwehr etwa 320 Mal alarmiert - oft mehrmals wegen derselben Ereignisse.

150 Männer im Einsatz

Schmallegger betonte, dass alle verfügbaren Kräfte im Dienst waren: Insgesamt waren 150 Feuerwehrmänner unterwegs, wobei die 70 Berufsfeuerwehrleute Unterstützung von der Freiwilligen Feuerwehr Graz (40 Mann) und den Betriebsfeuerwehren (40 Mann) bekamen. Der erste Alarm ging um 18.07 Uhr ein. Laut Feuerwehr wurden die Notrufe im Rahmen einer Prioritätenliste abgearbeitet.

Parallel mussten die Einsatzkräfte zu einem Brand am Lendplatz ausrücken. Unwetterbedingt kam es zu einem Kurzsschluss eines Wäschetrockners. Die Lage war aber rasch unter Kontrolle, der Sachschaden hier ist laut Polizei gering.

Der Mühlgang trat in der Herrgottwiesgasse über die Ufer, Autos und Bim mussten im Wasser fahren
Der Mühlgang trat in der Herrgottwiesgasse über die Ufer, Autos und Bim mussten im Wasser fahren © Facebook/Aktuelle Wetterwarnungen für Österreich

Einige Zahlen untermauern die Schwere des Starkregens vom Montag: In der kurzen Zeit von etwa 1,5 Stunden sind in Straßgang 60,8 Liter Wasser pro Quadratmeter gefallen. An der Messstation bei der Uni Graz waren es 33,9 Liter pro Quadratmeter - alleoine zwischen 16 und 17 Uhr. Öffis hatten im gesamten Stadtgebiet erhebliche Verspätungen - vor allem aber die Linien 4 und 5: Der digitale Öffi-Monitor bescheinigte Verzögerungen bis zu 76 Minuten.

Unterführung unter Wasser

Die Linien 1, 3, 6 und 7 mussten teils mit Schienenersatzverkehr geführt werden, weil die Tram-Unterführung beim Hauptbahnhof zeitweise nicht befahrbar war. In der Inneren Stadt hatte außerdem die Schloßbergbahn teilweise ihren Betrieb eingestellt, weil sie aufgrund des Hagels nicht mehr fahren konnte.

Die Pegel der Bäche haben sich, so die Berufsfeuerwehr, mit Ausnahme der Mur, die weiterhin beobachtet wird, im Laufe der Nacht wieder beruhigt.

Die Baustelle beim Murkraftwerk ging unterdessen weiter, wie Energie-Steiermark-Sprecher Urs Harnik-Lauris betonte. Lediglich Teile der Baustraßen für den Zentralen Speicherkanal wurden weggeschwemmt. Damit habe man aber gerechnet, heißt es. Wegen der Kombination aus Schmelzwasser und Regen hat man die Geräte rechtzeitig in Sicherheit gebracht.

Chaos auch im Grazer Umland

Am Montag ab 18.30 Uhr erreichte das Unwetter auch GU: Südöstlich von Graz waren 24 Freiwillige Feuerwehren des Bereichsfeuerwehrverbandes Graz-Umgebung im Dauereinsatz um die Schäden aufzuarbeiten. 130 Adressen waren von den Einsatzkräften zu bewältigen. Auch hier standen primär Keller unter Wasser, auch Wohnanlagen und überschwemmte Objekte waren auszupumpen. Durch die Unwetter wurden hier auch Stromleitungen beschädigt, teilweise mussten Bewohner ohne Elektrizität ausharren.

Bei Wildon: Feuerwehr rettete mehrere Menschen aus Bach

Details zu den Einsätzen der Feuerwehren in Graz und Umgebung waren am Abend noch nicht bekannt. Diese werden wohl bis in die späten Nachtstunden andauern, mit einer Bilanz ist erst am Dienstag zu rechnen.

Flüge nach Wien umgeleitet

Für Chaos sorgte das Gewitter auch am Flughafen Graz-Thalerhof: Die Flüge ab Berlin, Zürich und Istanbul mussten nach Wien umgeleitet werden, jene aus Düsseldorf und Stuttgart fielen aus. Sämtliche Flüge ab Graz konnten ebenfalls nicht starten.

© Screenshot Flughafen Graz

Einzig das Flugzeug von München kommend landete um 19.20 Uhr am Thalerhof - Passagiere berichteten von einem recht abenteuerlichen Landeanflug, nachdem sogar ausnahmsweise - und das ist auf einem Linienflug unüblich - geklatscht wurde. Danach durften die Fluggäste allerdings nicht aussteigen - die Gefahr wegen Blitzschlags war zu groß. Die Passagiere mussten etwa 45 Minuten im Flugzeug verharren.

Die weiteren Wetteraussichten

Im Laufe der Nacht gab es in Graz weitere Regenschauer. Am Dienstagvormittag wird es wieder trockener - es bleibt aber stark bewölkt. Am Nachmittag kommt dann wieder mehr und mehr die Sonne durch, die restliche Woche wird das Wetter freundlicher. Am Wochenende sind sogar sommerliche 25 Grad möglich - bei strahlend blauem Himmel.