Es ist eine seltene Kombination, die Professorin Christine Moissl-Eichinger an der Medizin-Universität Graz erforscht: Einerseits ist das Thema extrem exotisch und abgelegen.

Andererseits ist die Thematik auch für Laien leicht nachvollziehbar, die Anwendungen könnten vielfältig und der Nutzen für Patienten groß sein.
Die Rede ist von einer bestimmten Art von Archaeen, das sind Einzeller (ähnlich den Bakterien), die aber ein höchst ungewöhnliches, verborgenes Leben führen. In diesem Fall geht es sogar um eine neue Ordnung, die in kalten, schwefelhaltigen Quellen in Bayern von Moissl-Eichinger gefunden wurde. Die Mikrobiologin war fasziniert davon, dass diese Archaeen in Flocken auftraten.

Dabei zeigte sich, dass die Einzeller über noch nie zuvor entdeckte winzige Häkchen verklebt sind. Winzig ist da eine Übertreibung, die Haken sind nur 60 Nanometer klein. Ein Haar ist 15.000 mal dicker, ein Stacheldraht gar 250.000-mal größer als der Nano-Haken. Der wiederum besteht aus drei Proteinsträngen, die ineinander verdreht sind.

Proteine und DNA aufgeklärt

„Wir haben lange benötigt, um die Proteine und die DNA aufzuklären“, erzählt Moissl-Eichinger. Es handelt sich um eine völlig neue Struktur innerhalb der Archaeen, die an sich bislang kaum erforscht sind.
Die Forscherin, die sich ganz allgemein mit dem Mikrobiom (die Gesamtheit der Mikroorganismen, die in bestimmten Umgebungen leben) befasst, brachte mittlerweile Hefezellen dazu, diese Proteinstränge nachzubauen.

Das ist keine einfache Sache, direkt züchten kann man diese Archaeen (bisher) noch gar nicht. Das Verfahren mit Hefe wurde daher auch patentiert. Jetzt ist die gebürtige Bayerin, die seit 2014 an der Medizin-Uni lehrt und forscht, dabei, interessierte Firmen weltweit zu suchen, die daraus spannende Anwendungen in der Medizin machen können.


Denn Archaeen haben eine Besonderheit: Es sind (ganz anders als bei Bakterien) bisher überhaupt keine pathogenen, also krankhaften Formen bekannt. Die Protein-Haken könnten daher dazu genützt werden, um Gewebe zu erzeugen, die als Wirkstoff-Reservoir bei Wunden dienen könnten. Denn die Häkchen sind nicht nur extrem stabil und heften sich selbst an Glas bombenfest an, sondern sind auch biologisch abbaubar.

Auch Nanoroboter könnten mit Hilfe eines solchen Klettverschlusses über die Blutbahn an den Einsatzort gebracht werden. Moissl-Eichingers Forscherfantasie reicht aber noch viel weiter: „Auch als Klebstoff ganz allgemein oder für Haarsprays könnten diese Mikroorganismen genutzt werden.“