Um die Kirche im sprichwörtlichen Dorf zu lassen: Nein, die steirische Jugend ist kein pöbelnder, sich prügelnder Haufen, in dem die Sprache der Gewalt regiert. Rund neun von zehn Jugendlichen gaben in der frisch erschienenen 5. Steirischen Jugendstudie zu Protokoll, im vergangenen Jahr nie Opfer von Gewalt geworden zu sein – der beste bisher erhobene Wert. Aber natürlich gibt es sie, die Anfeindungen und Übergriffe – sei es auf offener Straße oder innerhalb des Klassenverbands.

Amina Abdulahovic und Leonora Beqiri
Amina Abdulahovic und Leonora Beqiri © Marija Kanizaj

Betroffen sind laut Studie vor allem Jugendliche mit Migrationshintergrund. Fast jeder Vierte gab hier an, zumindest „alle paar Monate“ Opfer rassistischer oder ausländerfeindlicher Übergriffe zu werden. Noch deutlich höher ist dieser Anteil, wenn es um Beschimpfungen und Beleidigungen geht. „Oft sind es ältere Leute, die mir in der Bim lauthals erklären, wie die Dinge bei uns gemacht werden. So als würde ich nicht dazugehören“, sagt Amina Abdulahovic. Die 17-Jährige besucht das Grazer Gymnasium Korösi und gehört „dazu“, seit sie denken kann. Sie ist hier geboren, ihre Eltern stammen aus Bosnien.

Aminas gleichaltrige Klassenkollegin Leonora Beqiri hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Ihre Eltern stammen aus dem Kosovo. „Manchmal genügt der fremd klingende Nachname, dass man zu hören bekommt, dass ,wir‘ an allem schuld sind“, sagt sie. Vorhaltungen, an die sich die beiden gewöhnt haben. „Ich red’ meistens zurück und versuche zu erklären, wie die Dinge wirklich sind“, sagt Leonora und zuckt mit den Schultern. Effekt habe das in den meisten Fällen freilich keinen. „Das alles passiert nicht extrem oft, aber manchmal spürt man schon die feindseligen Blicke von oben herab“, sagt Amina.

Auch zwischen Migranten gibt es Konflikte. „Albaner und Serben halten oft Abstand zu einander, selbst wenn sie hier geboren sind“, sagt Leonora. „Das übernehmen die Jugendlichen häufig einfach von den Eltern.“ Immerhin gab in der Studie fast jeder vierte Jugendliche mit Migrationshintergrund an, im letzten Jahr selbst bei einer Schlägerei mitgemacht zu haben, für fast jeden Zehnten ist das sogar „alle paar Wochen“ der Fall. Junge Steirer ohne Migrationshintergrund mischen hingegen nur zu 14 Prozent bei Raufereien mit. Doch Studienautor Christian Ehetreiber warnt vor voreiligen Schlüssen: Die tatsächlichen Hintergründe dieser Angaben seien erst sozialwissenschaftlich zu untersuchen.

Streitende Jugendliche getrennt

Doch wie halten es die jungen Steirer, wenn sie Zeugen von körperlicher oder verbaler Gewalt werden? „Ich weiß nicht, ob ich bei einer Schlägerei dazwischen gehen würde, aber dass ich Hilfe hole, ist selbstverständlich“, sagt Amina. Auch Leonora überlegt nicht lange: „Erst vor zwei Wochen habe ich in einem Fast-Food-Lokal beobachtet, wie sich zwei 13-Jährige zu streiten und zu schlagen begonnen haben. Ich bin mit ein paar anderen dazwischengegangen und habe sie getrennt.“

Das deckt sich weitgehend mit den Ergebnissen der Jugendstudie. Etwas mehr als die Hälfte der Befragten gab an, schon einmal jemanden vor Gewalthandlungen in Schutz genommen zu haben, wobei dieser Wert je nach Schultyp stark schwankt.

Gewalt und Mobbing direkt an der Schule sei hauptsächlich bei den Jüngeren ein Thema, sagt Amina: „Da kann es brutal sein. Unter den Burschen geht das manchmal so weit, dass die Rettung in die Schule kommen muss, weil einer eine Gehirnerschütterung hat.“ Mit zunehmendem Alter sei das aber vorbei. „Dann bemerkt man, dass so etwas einfach Blödsinn ist.“

Das umfassende Dossier zur fünften Steierischen Jugendstudie finden Sie hier.