In Planica geht heute mit dem letzten Skifliegen die Olympia-Saison zu Ende. Kann man diese, wegen fehlender großer Erfolge, als verkorkst bezeichnen?
HEINZ KUTTIN: Sagen wir es so - so eine Saison darf uns nicht passieren. Bis zu Beginn der Vierschanzen-Tournee waren wir ganz gut unterwegs. Dann kam Garmisch-Partenkirchen und damit für uns der absolute Horror. Da haben wir schon den Tourneesieg verspielt. Wir gerieten in einen Kreislauf nach unten. Bei der Skiflug-WM gab es wieder nur Platz vier und das Trainerteam und die Mannschaft standen voll in der Kritik. Das galt dann auch für die Olympischen Spiele.

Die Kritik wurde, trotz der Podestplätze von Stefan Kraft, bis heute nicht leiser. Im Gegenteil, sie nahm sogar zu. Können Sie das verstehen?
Zum Teil schon, weil uns in diesem Winter kein großer Sieg gelungen ist. Dadurch wurde das Leben für uns nicht leichter. Immer wieder werden alle auf den fehlenden großen Wurf angesprochen. Sieht man genauer hin, so gibt es aber viele positive Punkte. Kraft springt seit vier Jahren auf höchstem Niveau, Clemens Aigner und Daniel Huber absolvierten die beste Saison ihrer Karriere. Dazu gibt es hinten nach einen sehr guten Stock. Leider geht das unter.

Gregor Schlierenzauer ist einer von den Angesprochenen, richtig?
Gregor ist ein sehr selbstkritischer Mensch, der immer auf dem höchsten Level springen will. Das gelingt aber keinem Athleten auf der Welt, in keiner Sportart. Wenn er dann einmal nicht seinen besten Sprung, seines Glaubens nach, zeigen kann, wird er schon wieder selbstkritisch. Er hat natürlich noch immer das Potenzial für große Siege. Bei der Qualifikation in Planica hat er das mit dem Flug auf 253,5 m gezeigt.

Sprechen Sie und ihr Trainerteam mit den Aktiven oft über die Misserfolge?
Natürlich reden wir innerhalb der Mannschaft darüber, aber nicht ständig. Jeder weiß selbst, dass das heuer nicht das Gelbe vom Ei ist.

Es gibt Gerüchte, Ihre Ablöse als Cheftrainer sei schon so gut wie beschlossen. Machen Sie sich Gedanken über Ihre Zukunft oder müssen Sie das nicht, weil Sie noch einen Vertrag mit dem ÖSV haben?
Auf Gerüchte gebe ich nichts und meine einzigen Gedanken an die Zukunft gelten dem letzten Einzel-Bewerb dieses Winters. Darüber hinaus denke ich noch nicht. Ich treffe mich in der Karwoche mit Präsident Peter Schröcksnadel, Sportdirektor Hans Pum und unserem Nordischen Direktor Ernst Vettori zu einer ersten Analyse der Saison. Nach Ostern wird der abgelaufene Winter einer ganz genauen Betrachtung unterzogen.

Kuttin (Mitte) mit seinen Springern Stefan Kraft, Michael Hayböck, Gregor Schlierenzauer und Clemens Aigner (von links)
Kuttin (Mitte) mit seinen Springern Stefan Kraft, Michael Hayböck, Gregor Schlierenzauer und Clemens Aigner (von links) © GEPA pictures

Zurück zum letzten Fliegen. Gibt es Messungen, wie hoch der Puls eines Springers vor einem Flug ist?
Neueste Daten kenne ich nicht, aber jene aus der Vergangenheit. Da ergaben Messungen, dass die Athleten unter Todesangst litten. Heute wird das sicher nicht mehr so sein, weil sich das Material, die Schanzen und die Springer total verändert haben. Selbst unsere jungen Springer sagen mir, sie hätten vor dem ersten Sprung immer großen Respekt, aber dann fühlen sie sich sicher.

Auch sicher genug für einen neuen Weltrekord?
Stefan Kraft & Co. sind körperliche so gut, dass sie 255 m stehen können, ohne das an der Schanze, zum Beispiel in Planica, groß etwas verändert werden müsste. In denke, eine neue Bestleistung ist nur eine Frage der Zeit.

Immer wieder wird über einen Flug auf 300 m geredet. Halten Sie so einen für möglich?
Ja, nicht in naher Zukunft, aber eines Tages. Am Ende hängt es nur von der Schanze ab. Sollte die FIS die Regeln immer wieder ein bisschen anpassen, dann gehen auch die Sprünge immer weiter. Das wird auch passieren, weil es Stillstand nicht geben kann.