Nach den öffentlichen Missbrauchsvorwürfen der ehemaligen Nachwuchs-Skiläuferin und nunmehrigen Journalistin Helen Scott-Smith hat nun auch Österreichs Ex-Skifahrer Benjamin Raich in der Tiroler Tageszeitung zum Thema und im speziellen auch zum Ski-Internat in Stams Stellung bezogen. Er selbst hat die Ausbildungsstätte, die nun nach massiven Vorwürfen eines ehemaligen Athleten stark in der Kritik steht, zwischen 1992 und 1996 besucht.

Raich wolle weder etwas verharmlosen, noch die Flut an Aussagen und Vorwürfen rund um das Thema sexueller Missbrauch im Skisport in Frage stellen: "Jeder Fall ist ein Verbrechen und einer zu viel. Und wenn nur irgendwie möglich, gehören die Täter zur Rechenschaft gezogen."

"Man bekommt Gefühl, als wäre Stams Ort des Schreckens"

Dennoch will Raich Vorwürfe und Berichte nicht so stehen lassen. "Wenn man sich das alles so durchliest, bekommt man das Gefühl, als wäre Stams ein Ort des Schreckens, wo Missbrauch gang und gäbe gewesen sei und Teenager unterdrückt wurden und werden. Das gezeichnete Bild ist für mich sehr einseitig", sagt der 39-jährige Tiroler.

Das "Pastern" war auch unter Raichs Zeit keine Seltenheit, er selbst sei jedoch nie ein Opfer gewesen und wäre auch nie dabei gewesen. Was freilich nichts daran ändert, dass unter den Schülern zum Teil Grenzen schamlos überschritten wurden – wie auch in anderen Institutionen abseits des Sports. "Da gibt es überhaupt nichts zu verharmlosen. Und das wurde es meines Wissens von der Schulleitung auch nicht", sagt er gegenüber der Tiroler Tageszeitung.

Aussagen, wonach Athleten, wie angeklagt, in einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis zu Trainern und Serviceleuten stehen, kann Raich aber nicht nachvollziehen. "Ich gehe einmal davon aus, dass sich diese Aussagen nicht nur auf Stams beziehen. Denn dort gibt es keine Serviceleute. Ich habe diesbezüglich mit meinem engsten Umfeld, aber auch mit ehemaligen Kollegen gesprochen, und sie fühlen sich wie ich zuweilen im falschen Film. Allein der Gedanke, dass eine Läuferin oder ein Läufer, wie es beschrieben wird, mit sexueller Freizügigkeit einen Startplatz erlangen soll oder dafür einen schnelleren Ski kriegt, halte ich damals wie heute fernab der Realität."