Stimmt es, dass Sie der Steiermark den Rücken gekehrt und Ihren Hauptwohnsitz an den Wörthersee verlegt haben?

Thomas Muster: Nein, mein Wohnsitz ist nach wie vor Leibnitz. Aufgrund der schulischen Situation geht unsere Tochter jetzt aber in Kärnten in eine internationale Volksschule – daher sind wir unter der Woche in Kärnten. Eine andere Variante wäre gewesen, ganz nach Australien zu gehen. Aber es war eine Familienentscheidung, in Österreich zu bleiben.

Sie sind diese Woche in Wien als Turnierdirektor des Tie Break Tens, als Turnierbotschafter und mit ihrem „Tom Talks“ im Einsatz. Sind das die einzigen Aktivitäten, die Sie derzeit mit dem Tennissport verbinden?

Muster: Das Turnier läuft ja quasi das ganze Jahr, wo wir Ideen besprechen und Sponsorentermine haben. Außerdem habe ich in Stockholm Champions Tour gespielt, in zwei Wochen bin ich in Bari dabei. Es sind immer wieder Events, wo es kurzfristig Anfragen gibt. Die Champions Tour ist aber nicht der Hauptact in meinem Leben.

Sie wirken auf alle Fälle fit!

Muster: Sagen wir so – es war schon einmal schlechter, aber es war auch schon besser.

In Wien gab es erstmals ein „Tie Break Tens“. Die ATP ist stets auf der Suche nach Verbesserungen der Formate und Regeln. Sind Sie für Erneuerungen und haben Sie Vorschläge?

Muster: Grundsätzlich bin ich Befürworter dessen, dass man Regeln so lässt, wie sie sind, weil Tennis historisch gewachsen ist. Aber das Problem ist das TV-Format, weil die Matches zu lange dauern. Eine gegenteilige Problematik hatten wir, als Tennis einst zum Two-Shot-Game verkümmerte. Damals wählte man den Weg, langsamere Beläge aufzulegen – das war gut. Aber man machte zugleich den Fehler, auch die Bälle langsamer zu machen. Damit hat man lange Matches kreiert. Dem Spiel an sich sind dadurch die Varianten verloren gegangen. Du siehst kaum noch Serve and Volley oder Netzangriffe – Tennis von heute ist sehr einheitlich. Da könnte man etwas verändern, was wiederum auch zu einer Veränderung der Weltrangliste führen würde, weil Aufschläger wieder mehr in den Vordergrund rücken. Das würde aber für Proteste der Topspieler sorgen.

Heute steigt in Wien die Galanacht des Sports. Sie haben sich für Dominic Thiem als „Sportler des Jahres“ ausgesprochen.

Muster: Aber gewinnen wird eh wieder Marcel Hirscher. Die Skifahrer-Lobby zu brechen, ist schwierig. Es ist klar, dass Skifahren in Österreich eine Position hat, weil wir es für den Fremdenverkehr brauchen. Und die Leistungen der Skifahrer sind unglaublich. Aber das spielt sich alles nur innerhalb einer gewissen Reichweite ab. Ob man das mit dem Bekanntheitsgrad eines Top-Ten-Spielers in einer Weltsportart vergleichen kann, darf bezweifelt werden. Als ich 1996 die Nummer eins der Welt war, wurde ich auch nicht „Sportler des Jahres“. Das war, glaube ich, damals der Andi Goldberger. Mir fehlt da einfach die Wertschätzung gegenüber anderen Sportarten. Es zählt nur die heilige Kuh Skifahren.

Thiems Betreuer Günter Bresnik hat gesagt, er könne sich seinen Schützling bei verletzungsfreiem Verlauf in drei Jahren in den Top drei vorstellen.

Muster: Wenn man in seinem Alter und mit seinem Potenzial dort steht, wo er jetzt ist, dann kann er es auch in die Top drei schaffen. Vielleicht wird er sogar die Nummer eins, gewinnt ein Grand Slam oder gar mehrere. Aber die Zahl der jetzt 19-, 20- und 21-Jährigen verdichtet sich immer mehr und man darf nicht glauben, dass man da oben alleine bleibt. Wichtig ist, dass er verletzungsfrei bleibt, ansonsten reißt er schnell ein großes Punktedefizit auf. Außerdem muss er dafür auch bei den großen Turnieren mehr gewinnen.

Sie waren ein herausragender Spieler, hatten aber mit Horst Skoff und Gilbert Schaller auch andere gute heimische Akteure an Ihrer Seite. Heute ist Thiem herausragend, daneben halten sich die Erfolge aber in Grenzen.

Muster: Ein Land wie Österreich kann nicht jedes Jahr Spieler en masse produzieren. In Deutschland leben 80 Millionen Menschen und sie schaffen es auch nicht. Spieler wie Jürgen Melzer, Dominic Thiem und ich sind zwar aus einem System gekommen, haben dann aber Eigenverantwortung ergriffen und sind unseren Weg gegangen. Dass Athleten vom Schulalter bis zum Weltcup vom Verband begleitet werden, gibt’s nur im Skisport. Und da haben sich ein Hermann Maier oder Marcel Hirscher am Ende auch als Individualisten durchgesetzt. Ein System kann immer nur für mehrere da sein, ein Verband ist nur eine Ausbildungsstätte. Irgendwann muss der Sportler immer seinen eigenen Weg gehen. Und ohne die Leistungen der Herren Schaller, Skoff oder Antonitsch schmälern zu wollen, aber in Österreichs Tennis gibt es hinsichtlich Weltklasse nur die Namen Muster, Melzer und Thiem.

Sollte Thiem öfter Davis Cup spielen?

Muster: Ich habe ihn bei meinem Talk darauf angesprochen. Er meinte, er spielt sehr gerne Davis Cup. Aber er müsse eben Prioritäten setzen. Und ich habe es auch verstanden, dass er aufgrund seines Turnierplans nicht Olympia und nicht Davis Cup gespielt hat. Aber alle großen Spieler haben ihrem Land einmal ein oder zwei Jahre geopfert. Eben mit der Einschränkung, dass man dann vielleicht einmal ein Turnier schlechter spielt oder auslassen muss.

Der Nutzen für ihn?

Muster: Um die Popularität zu steigern und auch um etwas zurückzugeben und die Erfolgschancen des Teams zu erhöhen, würde ich ihm raten, zu spielen. Mit Erfolgen im Davis Cup kannst du wie im Fußball in einem Land viel bewegen. So gesehen würde es ihm nicht schaden.