Sie sind nach dem Skiunfall am Rosenmontag 16 Tage lang im Tiefschlaf gelegen. Wie war das Aufwachen?
THOMAS SCHERR: Die Erinnerungen und Gedanken sind nur sehr schleppend gekommen. Ich hatte zwölf Tage gar keine Erinnerung und dann nur schemenhaft.


Und jetzt?
Jetzt zipft es mich fürchterlich an, dass ich den Unfall gehabt habe (lacht). Ich weiß vom Unfall selbst aber gar nichts. Das Letzte, woran ich mich noch erinnern kann, ist, dass ich in der Früh ins Auto gestiegen bin.


Wie ist der Skiunfall in Haus eigentlich passiert, oder wollen Sie es lieber gar nicht wissen?
Das interessiert mich extrem. Auf der Uni habe ich den Skikurs mit einem Gut abgeschlossen, von dem her sollte ich ski-fahrerisch also nicht so schlecht sein. Ich habe heute noch keine Ahnung, wie das passiert ist. Es gibt auch keine Zeugen.


Ein zweiter Skifahrer war involviert, haben Sie Kontakt?
Nein. Ich weiß nur, dass er auf dem Weg der Besserung ist.


Wie ernst war die Situation wirklich?
Sehr ernst. Vor allem in den ersten drei Tagen. Da haben alle gebangt, da war es richtig knapp. 30 bis 40 Prozent aller Verunfallten sterben nach einem schweren Schädel-Hirn-Trauma, nur 17 bis 27 Prozent kommen ohne große Schäden davon. Ich möchte mich auch bei allen Rettern und allen in den Krankenhäusern bedanken, die mir in dieser Situation so wahnsinnig geholfen haben.


Wann war zum ersten Mal klar, wie viel Glück Sie hatten?
Das war in der Landesnervenklinik. Ich war ja zuerst im LKH und bin nach 33 Tagen überstellt worden. Da ist mir bewusst geworden, dass es gut ausgegangen ist.


Lebt man nach so einer Erfahrung bewusster?
Auf jeden Fall. Ich konnte ja am Anfang nicht gehen. Ich bin nur dagestanden und wusste nicht, was ich tun soll. Das nimmt man nach so einer Erfahrung nicht mehr als selbstverständlich hin. Es klingt komisch, wenn man sagt, man muss das Gehen erst wieder lernen. Das wünsche ich keinem. Das Gefühl war sehr eigenartig. Aber nach zwei Versuchen habe ich ein paar Schritte geschafft und dann ist es dahingegangen.


Wie ist das Leben heute?
Jetzt fast gleich wie vorher. Ich versuche, wie vor dem Unfall zu leben und das Studium durchzuziehen. Aber man wird für alles dankbarer und sieht viele Dinge ganz anders. Ob ich das Leben jetzt mehr genieße, weiß ich aber nicht.


Was ist sonst noch geblieben?
Die Gesichtsschäden (lacht).


Der Humor scheint nichts abbekommen zu haben?
Der ist derselbe geblieben. Ich kann immer noch über mich lachen und werde auch verarscht. Von dem her ist alles gleich.


Gab es einen Moment, in dem Sie nicht mehr wollten?
Nie. Ich war immer positiv eingestellt. Das muss man in so einer Situation auch sein, sonst drückt man sie nicht durch. Aber es ärgert mich, dass ich wegen der Sache körperlich so abgebaut habe.


Wie viel baut man ab?
Ich bin mit Spaghettibeinen aufgewacht (lacht). Das waren keine Oberschenkel mehr. Ich habe mich selbst nicht mehr erkannt. Aber ich war ja auch 16 Tage im Tiefschlaf und bis ich zum ersten Mal gegangen bin, hat es auch noch gedauert.


Ab wann war Handball wieder ein Thema?
Ich wollte von Anfang wieder zurück. Das war in mir drin und da wollte ich nicht loslassen. Es ist dann vom körperlichen her recht schnell wieder aufwärtsgegangen. Vermutlich auch, weil ich vor dem Unfall schon sehr gut in Form war.


Nun sind Sie zu HSG Graz und in die höchste österreichische Handballliga gewechselt.
Genau. Aber bevor es mit dem Mannschaftstraining losgeht, trainiere ich noch alleine. Nur bei den Kraftübungen habe ich einen Trainer. Bis September werde ich zwar noch nicht ganz der Alte sein, aber das wird schon.


Wie ist Ihre Familie mit der Situation umgegangen?
Sie waren ja auf der Piste hinter mir und mein Bruder hat mich gefunden. Er war ziemlich fertig, aber mittlerweile geht es wieder. Sie haben nur die Farbe vom Anorak gesehen. Klar, es war ein Schock, aber mittlerweile können auch sie darüber lachen. Es hat uns enger zusammengeschweißt.


In der Handballfamilie und in den sozialen Medien war die Anteilnahme enorm groß. Haben Sie das mitbekommen?
Es gab viele Leute und Vereine, die mir die besten Wünsche geschickt haben. Auch Spieler wie Raul Santos haben auf Facebook etwas geschrieben. Das hätte ich mir nicht gedacht.


Und Ski fahren?
Das will ich auf jeden Fall wieder. Da darf man sich nicht den Mut nehmen lassen. Die Ärzte haben auch gesagt, dass ich es machen soll, denn das nimmt die Angst. Aber vielleicht nicht im ersten Jahr in Haus, wo der Unfall passiert ist.