Eigentlich wollte ich Ihnen ja heute einmal näherbringen, was die eigentliche Kunst bei Olympischen Spielen ist. Das ist nämlich die, von A nach B zu kommen. Ohne in C zu landen oder über D fahren zu müssen, um dann bei E auszusteigen und via F zurück zu B zu watscheln. Denn, merke: Der größte Feind des Berichterstatters im Weg-Zeit-Diagramm ist die Luftlinie. Die sieht zwar immer kurz aus, hat aber mit den tatsächlichen Gegebenheiten nichts zu tun. Aber das kann warten. Olympische Busse gehen ja schließlich (fast) rund um die Uhr und auch (fast) immer dann, wenn man sie will. Ausnahmen bestätigen die Regel, wie zum Beispiel gestern, als der Shuttle-Dienst wegen Schneefalls kurzfristig eingestellt wurde. Kein Bus wirkt sich übrigens auf geplante Ankunftszeiten noch negativer aus als der falsche, aber das ist auch eine andere Geschichte.

Ich weiß, man mag mich als Chauvinist beschimpfen, wenn ich Ihnen nun erzähle, was mir ans Herz gegangen ist. Das war nämlich unser neuer Olympiasieger, David Gleirscher. Und nein, es geht nicht um den Empfang im Austria House, wie es heißt. Es geht nicht um den kollektiven (Glücks?-)Rausch, der alle in diesem Haus erfasst, es geht nicht um das Fahnenschwenken und Gabalier-Mitgegröle. Auch wenn das für den Gefeierten selbst immer wieder schöner ist, als viele meinen. Es geht um die so sichtbare Überforderung des jungen Mannes mit der Situation, die ihn alle paar Sekunden einholte. Es war das fast durchgehende Kopfschütteln, das auch anderen sichtbar begreiflich machte, was sich da gerade Unbegreifliches für ihn abgespielt haben muss. Verstehen Sie mich nicht falsch, auch Marcel Hirscher jubelt nach jedem seiner Siege – aber für ihn wäre es nicht ein Kompletteinsturz seines bisherigen Lebens, seiner Gewohnheiten, wenn er hier auch noch Olympia-Gold holen würde. Für Gleirscher war es das schon.

Es war dieses dauernde Kopfschütteln ob der Unbegreifbarkeit des Geschehenen, das rührte. Es war der Glanz in den Augen, der Kampf mit den Tränen. Erst kurz nach 2 Uhr früh gab es was zu essen, da wackelte auch ein Zahn, weil eine Sektflasche beim Schütteln zu heftig angestoßen hatte, wie er bei der letzten Pressekonferenz des Tages erzählte. Den Kopf schüttelte er auch da noch. Ich fragte ihn, wie oft er sich schon selbst gesagt habe, Olympiasieger zu sein. Er antwortet: „Noch nie!“ Um es dann mit zitternder Stimme und geschlossenen Augen das erste Mal zu versuchen: „Ich bin Olympiasieger“, sagte er ins Mikrofon. Und schüttelte das erste Mal nicht mehr den Kopf. Das sind die Situationen, die einem nahegehen.