Im vielleicht spannendsten Jahr der Motorrad-WM-Königsklasse geht Marc Marquez als WM-Leader in die entscheidende Phase. Erfahrung hat er mit 24 bereits genug. Drei WM-Titel in der MotoGP hat der Katalane aus Cervera bereits geholt. Im Oktober 2015 in Sepang nahm die Karriere jedoch eine heftige Wende. Nach dem Rempler von Valentino Rossi, der sich im Titelkampf mit Lorenzo von Marquez betrogen und provoziert fühlte, war nichts mehr wie zuvor. Sein einstige Posterheld Rossi und eine ganze Nation waren plötzlich stinksauer auf ihn – das Wunderkind, das den Meister zuvor bereits zweimal besiegt hatte.

Herr Marquez, wie hat Sie dieser Sepang-Crash von 2015 geprägt?

An diesem Tag habe ich meine Lektion gelernt. Wenn du gewinnst, lieben dich alle, wenn nicht, dann existierst du gar nicht.

Sie teilen die Welt jetzt in gut und schlecht?

Sagen wir so, ich röntge die Menschen ein wenig. Ich vertraue nur noch wenigen Leuten, für den Rest gibt es ein kurzes „Ciao“ und ich bin wieder weg.

Limits machen Ihnen anscheinend keine Angst, wenn man Ihre Einlagen und Rettungsaktionen in extremis sieht.

Ja, es spornt mich an, die Limits zu überschreiten. Manchmal schaue ich mir Videos an und sage mir selbst: „Was hast du denn da gemacht?“ Zum Beispiel als ich Lorenzo in Barcelona überholt habe, fühlte es sich recht normal an. Doch als ich das Video davon sah, merkte ich erst, wie viel Risiko dabei war. Das Motorrad hat sich heftig bewegt.

Wie geht es Ihnen, wenn Sie das Limit überschreiten?

Wir haben am Ende nur ein Motorrad und du selbst musst kapieren, was du damit machen kannst. Dafür muss man sich in extreme Bereiche tasten. Da kann es passieren, dass man zu Boden muss – auch fünf Mal, wie es mir in Barcelona passiert ist. Aber das bin ich und ich ändere mich nicht.

Es gibt Leute, die sagen, Ihr Fahrstil wäre perfekt für die Ducati.

Keine Ahnung. Wie die Ducati verlangt auch meine Honda ein sehr hartes Bremsen, die Yamaha lässt sich im Gegensatz dazu etwas flüssiger fahren. Aber das war’s dann wohl mit den Parallelen.

Sie waren im Frühling bereits 37 Punkte hinter Vinales, jetzt sind Sie schon wieder der Leader, fahren der Titelverteidigung entgegen. Was sagen Sie dazu?

Einer meiner Jungs hatte mir prophezeit, dass ich als WM-Führender in die Sommerpause gehe. Ich hatte ihn damals gefragt, welche Mittel er eingenommen hat.

Fühlen Sie sich wie ein Superheld?

Nein, aber wenn man stets gewinnt, läuft man schon Gefahr, den Boden unter den Füßen zu verlieren.

Wie nennt Sie Ihre Mutter – gibt es einen Kosenamen?

Sie sagt manchmal „Carinho“.

Was haben Sie sich vom ersten Geld geleistet?

Das war eine Werkstatthalle, in der ich alle meine Fahrzeuge unterbringen kann. Ich mag es, wenn alles gut strukturiert ist.

Rossi ist mittlerweile 38, was werden Sie mit 38 machen?

Ich werde vielleicht noch immer fahren, möglicherweise eine Familie und Kinder haben. Ja, wenn es körperlich möglich sein wird, werde ich wohl noch fahren.

Sie sprechen schon so ernst über das Thema Familie. Kommt da bald etwas?

Nein, ich bin Single und auch erst 24.

Und glauben Sie, wird Rossi dann immer noch ein Gegner sein?

Das denke ich nicht. Wie alt wird er dann überhaupt sein?

Wie ist derzeit Ihr Verhältnis zu Rossi?

Ich würde sagen, es ist professionell. Wir sagen Hallo, wenn wir uns über den Weg laufen. Doch wir sind keine Freunde. Aber Freunde hat man im Paddock ohnehin nur wenige. Das gibt es fast gar nicht.