Die Formel 1 ist an diesem Wochenende dort zu Gast, wo vor gut 67 Jahren alles begonnen hat: Im "Home of British Motor Racing" in Silverstone. Mehr Tradition geht nicht. Abseits der Rennstrecke auf dem ehemaligen Militärflughafen in der Grafschaft Northamptonshire interessiert allerdings mehr die Zukunft als die Vergangenheit.

Die von den örtlichen Veranstaltern am Mittwoch publik gemachte Kündigung des Vertrages, der die Durchführung des Grand Prix von Großbritannien bis 2026 gesichert hätte, zieht neue Verhandlungen nach sich. In Silverstone sind die Gastgeber unzufrieden mit den Konditionen, die noch mit dem ehemaligen Promoter Bernie Ecclestone vereinbart wurden. Auch für sie ist die Königsklasse des Motorsports zu teuer geworden.

Nun liegt es am Ecclestone-Nachfolger Chase Carey, eine Lösung zu finden, damit Silverstone nicht ab 2020 aus dem Kalender verschwindet. Der von den neuen Machthabern der Formel 1, Liberty Media, als Geschäftsführer installierte US-Amerikaner wird einmal mehr überzeugen und beschwichtigen müssen - und versuchen, seine Visionen von der "neuen Formel 1" darzulegen.

Ecclestones Strukturen

Der Weg hin zum für alle Beteiligten attraktiven Produkt wird beschwerlich sein. Die über Jahrzehnte von Ecclestone initiierten, nicht mehr zeitgemäßen Strukturen lassen sich nicht von heute auf morgen aus der Welt schaffen. Dafür sorgt allein schon das sogenannte Concorde Agreement. Die Verfassung der Formel 1 hat noch bis ins Jahr 2020 Gültigkeit.

Die Probleme, die Carey und sein Team aus der Welt zu schaffen haben, sind vielschichtig. Übertragungsrechte, finanzielle Abgeltung der Teams oder die Rechte und Pflichten der Veranstalter sind Themen, die den Boss fordern. Carey hat Lösungen im Kopf. Deren Umsetzung dürfte nicht ohne Nebengeräusche von sich gehen. Die Interessen aller unter einen Hut zu bringen, kommt der Quadratur des Kreises gleich, zumal in einem Geschäftsfeld, in dessen innerstem Zirkel die Selbstsucht und der Eigennutz im Vordergrund stehen.

So viele wie möglich auf allen Plattformen

Seine Gedanken hat Carey großflächig offengelegt. Betreffend Übertragungsrechten der Grands Prix ist für ihn die steigende Tendenz in Richtung Bezahl-Fernsehen der zentrale Punkt. Als ehemaliger Intimus von Medienmogul Rupert Murdoch weiß er um die aktuellen Entwicklungen im TV-Markt - und um die Möglichkeit, damit gutes Geld zu verdienen. Gleichwohl wird er nicht darum herumkommen, Stationen des frei empfangbaren Fernsehens in seinem Kundenstamm zu halten.

"Wir möchten so viele Zuschauer wie möglich und Fans auf allen Plattformen erreichen", lautet die Standardantwort von Carey. "Free-TV, Pay-TV, digitale oder soziale Medien - all das gehört bei dieser Mischung dazu."

Carey hat auf Besonderheiten einzelner Länder und Märkte Rücksicht zu nehmen. Die Unterschiede sind mitunter extrem. In den USA haben gemäß dem in der Formel 1 fürs Marketing zuständigen Sean Bratches mehr als 80 Prozent der Haushalte mindestens ein Pay-TV-Abonnement gelöst, wogegen in der Schweiz lediglich drei Prozent von diesem Angebot Gebrauch machen.

Keine finanzielle Gleichheit

Für Österreich liegen diesbezüglich keine exakten Zahlen vor. Hierzulande gibt es 3,786 Millionen TV-Haushalte (Stand Juni 2017). Der Pay-TV-Sender Sky, der die Formel-1-WM überträgt, hat derzeit 368.000 österreichische Kunden. In Frankreich ist die Königsklasse nur noch im Bezahlfernsehen zu sehen, wobei die Quoten extrem einbrachen. Verfolgten im Free-TV noch acht Millionen Seher die Formel 1, so sind es nun lediglich 700.000.

Die aktuellen Verträge mit den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern in der Österreich und der Schweiz, ORF und SRF, garantieren den Zuschauern den kostenlosen Konsum der Formel 1 bis 2019. In Deutschland besteht dagegen dringenderer Handlungsbedarf. Die Übertragungsrechte des Privatsenders RTL enden nach gegenwärtigem Stand nach dieser Saison.

Einen Kompromiss sieht Carey bei der finanziellen Abgeltung der Teams vor. Gleichheit wird es aus seiner Sicht auch in Zukunft nicht geben. Erfolgreiche und historische gewachsene Rennställe wie Ferrari oder Mercedes dürfen weiterhin mit höheren Erträgen als Privat-Teams wie Sauber oder Force India rechnen, denen Carey allerdings eine Verbesserung in Aussicht stellt. "Unser Ziel ist es, das Leistungsgefälle in der Formel 1 zu minimieren. Alle Teams sollen konkurrenzfähig sein. Nur so lässt sich die Attraktivität der Grands Prix wieder steigern."

Die differenzierte Begünstigung der WM-Teilnehmer begründet Carey unter anderem mit den immens hohen Summen, die etwa Ferrari in seine Scuderia in all den Jahren investiert hat. Die Roten aus Maranello sind seit der ersten Stunde in der Formel 1 dabei. Seit 1950, als in Silverstone alles begonnen hat.