Es sind die heutigen Autos, die  Fernando Alonso nerven – weil sie keine echte Herausforderung mehr bieten. Der Spanier ist trägt sich inzwischen mit ernsthaften Rücktrittsgedanken, sollte sich daran auch in Zukunft nichts ändern.

Sie haben zuletzt noch einmal sehr deutlich gesagt, dass ihnen die heutige Formel 1 keinen Spaß mehr macht, dass sie auf dem falschen Weg ist. Glauben Sie, dass der, den die Formel 1 2017 einschlägt, mit der neuen Aerodynamik der Autos und den breiteren Reifen zum Beispiel, der richtige ist?

FERNANDO ALONSO: Schwer zu sagen, ich bin kein Technik-Experte, der jetzt abstrakt genau sagen kann, wie die Autos wieder attraktiver werden. Ich fahre sie nur. Davon abgesehen hat jeder so seine eigenen Vorstellungen. Andererseits ist die Kritik ja etwas, was man von vielen Seiten hört, von den Fans auf den Tribünen und vor dem Fernseher... Zu langsam, zu leise, zu wenig extrem... Und als Folge davon ist die Formel 1 spätestens seit den letzten drei, vier, fünf Jahren in einem Abwärtstrend. Und wir Fahrer denken doch das gleiche. Nur dass manche es eben laut sagen und andere eher nicht. Vor allem die nicht, die es ja gar nicht anders kennen. Die saßen noch im Go-Kart oder in irgendwelchen Nachwuchsformeln in der Zeit, in der die Formel 1 noch wirklich attraktiv war.

Ist die Formel 1 als Ganzes durch die momentane Situation in Gefahr?

ALONSO: Die Formel 1 wird nie wirklich in Gefahr sein. Der Name, die Marke, das ist zu stark. Es gibt mal bessere, mal schlechtere Zeiten, aber die Formel 1 wird immer die Formel 1 bleiben. Sie ist stärker als jede spezielle Ära der Autos.

Hat die heutige Technologie auch die Einflussmöglichkeiten der Fahrers in der Entwicklungsarbeit eingeschränkt, nicht nur den Unterschied, den ein Top-Pilot rein fahrerisch machen kann?

ALONSO: Ja, das ist sicher so. Aber die Welt hat sich nun einmal verändert. Die technische Revolution, der wir gegenüberstehen, wirkt sich auch in diesem Bereich aus. Die Autos sind einfach extrem komplex geworden. Vor ein paar Jahren waren sie noch einfacher, da musste man einfach nur schnell fahren. Aber diese Autos damals wirklich am Limit zu bewegen, war nie einfach, denn sie waren sehr schnell, manchmal ging man da schon fast über die Grenzen der Physik oder dessen, was einem möglich schien, hinaus. In den letzten zehn, 15 Jahren liegt der Sport immer mehr in den Händen der Ingenieure und der technischen Arbeitsgruppen, die über die Regeln entscheiden. Die wollen die faszinierendsten Maschinen schaffen, die sie schaffen können. Aber es sind und bleiben Machinen, letztlich Spielzeuge. Aber es sind ihre Spielzeuge, nicht mehr unsere.

Diese Situation scheint sie noch mehr zu frustrieren als die Tatsache, dass sie jetzt bei McLaren-Honda schon einige Zeit ohne echte Sieg- oder gar WM-Chancen unterwegs sind...

ALONSO: Im Prinzip erzähle ich das gleiche doch schon seit mindestens zwei Jahren: Die Autos sind schwerer, sind langsamer als früher, wir müssen ständig nur Reifen und Sprit sparen, von der ersten Runde an. Und das geht alles gegen den Instinkt der Fahrer. Langsam fahren macht keinen Spaß. Man will immer, wenn man fährt, so schnell fahren wie möglich. Selbst wenn man nur in einem Go-Kart unterwegs ist. Oder auch in einem GT-Auto. Oder bei einem Showrun. Immer fährt man so schnell wie möglich. Und die Autos sind auch körperlich keine echte Herausforderung mehr. Ich weiß noch, bei meinen ersten Tests, da haben die Ingenieure gesagt, ich solle nicht mehr als 50, 60 Runden fahren. Weil man danach kaputt war, dann konnte man den Kopf nicht mehr gerade halten. Heute steigt ein Neuling bei den Wintertests ein und fährt gleich mal 150 Runden am Tag. Die heutigen Autos sind doch wie GP2-Autos – nur mit noch weniger Lärm... Es geht gar nicht darum, ob man gewinnt oder nicht. Es geht um das Gefühl, das einem das Auto gibt.

Wenn das 2017 nicht wirklich besser wird, hören Sie auf?

ALONSO: Sehr gut möglich. Ende 2017 läuft mein Vertrag bei McLaren-Honda aus, ich muss also neu verhandeln. Und dabei auch meine persönliche Situation betrachten. Ich bin jetzt 35, nächstes Jahr dann 36. Wenn ich vielleicht mein zweites Jahr in der Formel 1 wäre, mir noch Träume erfüllen müsste, vielleicht noch meinem ersten Sieg, meinem ersten WM-Titel hinterher jagen würde, oder noch Geld bräuchte, dann wäre das etwas anderes. Aber jetzt, nach 16 Jahren, da brauche ich das alles nicht mehr. Da brauche ich nur noch Spaß...

Könnten Sie den in einer anderen Rennserie wieder finden – etwa in der WEC, wie ihr Kumpel Mark Webber?

ALONSO: Warum nicht? Aber wir werden sehen...

Als sie Ende 2014 Ferrari verließen, sahen sie dort keine Perspektive mehr. Sehen Sie sich durch die heutige Ferrari-Situation bestätigt? Und haben sie eine Erklärung, warum es dort nicht so richtig weitergeht?

ALONSO: Ich hatte damals das Gefühl, wir würden immer nur um Platz zwei fahren – Mercedes war einfach zu stark. Aber es ging nicht nur darum. Als ich zu Ferrari kam, war Luca di Montezemolo Präsident, Stefano Domenicali Teammanager. Das war damals eine sehr gute Gruppe von Leuten. Aber speziell in meinem letzten Jahr dort gab es sehr viele Wechsel, und ich hatte das Gefühl, dass das nicht mehr mein Platz ist. Ich hatte das Gefühl, dass wir so nicht mehr gewinnen können. Außerdem sind im letzten Jahr merkwürdige Dinge passiert, man hat mir für alles mögliche die Schuld gegeben, zum Beispiel für eine Vorderradaufhängung, die nicht richtig funktionierte... Ich wusste, dass mein Ausgangspunkt bei McLaren-Honda deutlich niedriger sein würde – aber wir wären alle sehr motiviert und würden schnell Fortschritte machen. Bei Ferrari hätten wir mit 95 Prozent begonnen – wären aber immer auf diesen 95 Prozent geblieben...