Nico Rosberg stand zwar ganz oben auf dem Podium, der heimliche Sieger von Spa hieß Lewis Hamilton: Von ganz hinten auf Platz drei, nur zehn Punkte auf seinen WM-Rivalen verloren, mit neun Punkten weiter an der Spitze, dazu nach der Wechsel-Orgie von Belgien jetzt für den Rest der Saison mit drei frischen Antriebseinheiten sogar eine mehr straffrei zur Verfügung als Rosberg. Da scheint der Weg zum vierten WM-Titel durchaus weiter geebnet, auch wenn der Brite erst einmal weiter "von Rennen zu Rennen denken" und sich nicht mit Prognosen und Erwartungen aufhalten will.

Zwischen Kimi Räikkönen und Max Verstappen ging es heiß zur Sache
Zwischen Kimi Räikkönen und Max Verstappen ging es heiß zur Sache © APA/AFP/JOHN THYS

Einen großen Verlierer hatte das Belgien-Wochenende freilich auch: Max Verstappen. Nachdem er es im Qualifying erstmals in seiner Karriere mit einer sehr starken Vorstellung in die erste Startreihe geschafft hatte, hatte der gerne als Jahrhunderttalent hochgelobte Holländer ja schon betont, wie sehr in die Unterstützung seiner Fans hier bei seinem Quasi-Heimrennen beflügle. Schließlich hat er in den Niederlanden einen Formel-1-Boom ausgelöst wie einst Michael Schumacher in Deutschland – über 30 000 holländische Fans waren nach Spa gekommen. Möglich, dass er dann auch deshalb in der ersten Kurve zu viel wollte, als er am Start schlecht weggekommen war, sich dann aber mit Gewalt noch innen in der La Source über die Randsteine an den beiden Ferrari von Kimi Räikkönen und Sebastian Vettel wieder vorbei quetschen wollte. Mit dem Ergebnis, dass die drei Autos sich berührten, Schäden abbekamen und alle Chancen auf Spitzenplatzierungen verloren.

Doch während viele auch viele Experten das noch als normalen Rennunfall durchgehen ließen, waren sie über Verstappens Spurwechsel auf der Geraden gerade im Duell mit Kimi Räikkönen, der sich mehrfach beinahe von der Strecke gedrängt fühlte, anderer Meinung. "Dafür gehört er eigentlich für ein Rennen gesperrt", befand etwa Christian Danner bei RTL. Räikkönen machte seinem Ärger über Funk lautstark Luft: "Was der da aufführt, ist unglaublich, das habe ich noch nie erlebt, mit niemandem anderen. Sein einziges Ziel scheint es zu sein, mich von der Strecke zu schieben. Das ist unfassbar", tobte der Finne, der sonst wirklich nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen ist. Und auch Sergio Perez im Force India wäre einmal beinahe das Opfer einer wilden Verstappen-Attacke geworden.

Lauda übt scharfe Kritik

Niki Lauda hatte sich direkt nach dem Rennen zu dem Satz verstiegen, der Youngster gehöre "in die Psychiatrie. Er hat überhaupt keine Einsicht, dass er da etwas falsch gemacht hat." Er werde einmal mit Max Vater Jos Verstappen reden, "den kenne ich ja gut, damit er mit dem Burschen noch einmal redet. Er ist zu aggressiv gegen die anderen und dumm weil er nicht nach vorn kommt. Das kann nicht sein, dass er kein Hirn mehr hat, weil so viele Holländer hier sind. Hirn muss ein Rennfahrer immer haben." Mercedes-Sportchef Toto Wolff war ein bisschen hin- und hergerissen in seinem Urteil: "Ich mag Max wirklich, er ist absolut erfrischend, aggressiv, fährt die Ellbogen aus, zeigt keinen Respekt. Das erinnert mich an andere ganz Große in ihrer Anfangszeit, an Lewis, an Ayrton Senna." Andererseits befürchte er aber, "dass das irgendwann einmal in einem großen Crash endet. Es ist schon manchmal gefährlich, was er da macht."

Was die anderen Piloten Verstappen grundsätzlich besonders ankreiden, worüber ja auch schon im Fahrerbriefing in Hockenheim schon heftig gestritten wurde, nachdem es in Ungarn zwischen dem Holländer und Kimi Räikkönen heiß her gegangen war: sein Zick-Zack-Fahren in Anbremszonen. "Da übertreibt er es einfach. Und speziell hier, wenn du da mit 340 ankommst und dann jemand vor dir hin und her zackt, dann ist das kein Spaß mehr", sagte Vettel. "Einige Manöver von ihm sind da einfach nicht korrekt, da muss man vielleicht noch mal darüber reden."

Von großen Untersuchungen der FIA oder Strafen hält der viermalige Weltmeister freilich nichts. "Die beste Methode, jemanden zu erziehen, ist, mit ihm in Ruhe zu reden. Wir sind erwachsene Männer, nicht im Kindergarten. Ich komme mit Max eigentlich sehr gut aus, wir verstehen uns. Wenn ich ein Problem mit ihm habe, dann gehe ich direkt zu ihm hin und spreche mit ihm. Aber logischerweise ist direkt nach dem Rennen nicht der richtige Zeitpunkt dafür." Noch aufgeputscht von Emotionen, auch der Enttäuschung, vor seinen Fans am Ende als Elfter mit dem beschädigten Red Bull nicht einmal in die Punkte gekommen zu sein, hatte sich Verstappen da völlig uneinsichtig gezeigt, Räikkönens Beschwerden als lächerlich abgetan, Kritiker an seiner Fahrweise der Lüge bezichtigt, Vettel die komplette Schuld am Startunfall gegeben und gemeint, es sei doch alles kein Problem, "schließlich ist ja nichts passiert".

Wie Senna und Schumacher

Nach außen verteidigte die Red-Bull-Führung ihren Fahrer natürlich: "Wenn die Stewards kein Problem sehen, dann gibt es auch keines", meinte Teamchef Christian Horner trocken. Und Helmut Marko gab zu bedenken: "Da fallen mir auch zwei andere ganz Große ein, die zu Beginn ihrer Karriere dauernd Probleme mit den etablierten Piloten hatten..." Gemeint waren natürlich Schumacher und Senna. Durchaus möglich aber, dass man intern mit dem 18-Jährigen doch einmal ein paar ernste Worte wechselt... Auch oder gerade, weil die FIA bei dem kommenden Superstar offenbar etwas weniger genau hinschaut. Der ein oder andere Chef einen kleineren Teams wundert sich da unter der Hand schon mal: "Im Vergleich dazu, wofür unsere Fahrer bestraft werden, hat Verstappen offenbar Narrenfreiheit..."