Der Porsche 919 Hybrid galt vielen Experten als der fortschrittlichste Hybrid-Rennwagen seiner Zeit. Im Herbst verabschiedeten sich Fritz Enzinger und sein Team von den Le-Mans-Prototypen, die volle Konzentration gilt nun der Formel E. "Dieses Engagement wird bei Porsche Innovationen für die Elektro-Mobilität beflügeln", betonte der Steirer im Interview mit der APA - Austria Presse Agentur.

APA: Welche Gefühle werden Sie am Freitag bei der Ehrung für den LMP1-Titel im Rahmen der FIA-Gala haben?
Fritz Enzinger: "Ich empfinde vor allem Dankbarkeit. Nicht nur für den Preis, sondern für den Erfolg des gesamten Programms. Porsche hat mir die Rückkehr des Unternehmens in den Spitzensport anvertraut. Wir haben bei Null angefangen und ein großartiges Team aufgestellt, mit dem wir dann drei Mal hintereinander den Gesamtsieg in Le Mans und jeweils beide Weltmeistertitel geholt haben, in Summe sechs WM-Titel, das Maximum in drei Jahren. Das heißt, wir haben den Auftrag zu hundert Prozent erledigt."

APA: Dass Sie für Porsche und Toto Wolff für Mercedes in der Formel 1 den WM-Pokal in Empfang nehmen, hat ja schon Tradition.
"Ja, wir sind immer nur zwei Österreicher, die dabei sind. Es gibt bei der FIA-Gala keine höhere Auszeichnung als diesen Markenpokal. Das zeigt, dass man über ein Jahr hindurch das beste Team war. Von dem her ist es schon was Besonderes."

APA: Was waren die Hauptgründe gegen ein weiteres Engagement in der WEC und für den Einstieg in die Formel E?
"Wenn Porsche Motorsport auf so hohem Niveau betreibt, dann muss die technische Entwicklung hohes Potenzial haben, auch der Serie zu nützen. Das ist Tradition und Gesetz bei Porsche. Beim Porsche 919 Hybrid hat das hervorragend funktioniert. Vor allem bezüglich Energierückgewinnungssystemen, Elektroantrieb, Verbrennungseffizienz, Batterietechnik und Hochvolttechnologie haben wir in Weissach unbezahlbares Know-how für das Unternehmen erarbeitet. Jetzt gibt es aber keine vergleichbare Herausforderung. Seit dem Audi-Ausstieg Ende 2016 versucht man, neue Hersteller für die LMP1-Klasse zu gewinnen. Um neuen Mitbewerbern den Einstieg einigermaßen kostengünstig zu ermöglichen, wurde beim Reglement zurück- statt hochgerüstet. Das ist für die Weltmeisterschaft sicher richtig, passt aber eben nicht zu Porsche. In der Formel E hingegen wachsen die Freiräume für technische Innovationen."

APA: Welche Verlockung hat die Formel E als Hersteller? Ist das Ihrer Ansicht nach die Zukunft des Rennsports?
"Die Formel E ist der derzeit anspruchsvollste Wettbewerb mit elektrischen High-Performance-Fahrzeugen. Dieses Rennsport-Engagement wird bei Porsche Innovationen für die Elektro-Mobilität beflügeln. Es ist es die vierte Saison, und wie sich das Ganze weiterentwickelt, ist schon erstaunlich, das Interesse ohnehin. Mercedes kommt ja auch in der gleichen Saison wie wir dazu. BMW ist ab nächstem Jahr offiziell dabei, die übernehmen das Team von Andretti, Audi ist mit dabei. Ich glaube, das eine schließt das andere nicht aus. Man muss genauso in der E-Mobilität aktiv sein. Porsche bringt ja auch Ende 2019 ein vollelektrisches Auto."

APA: Waren Sie bei Formel-E-Rennen schon zu Gast?
"Bei einem, in Monaco. Ich habe natürlich die letzten Rennen alle im Fernsehen verfolgt, und Leute von uns waren bei unterschiedlichen Rennen. Da hat man schon einen gewissen Eindruck gewonnen."

APA: Gerhard Berger hat betont, die Formel E sei für ihn kein richtiger Motorsport.
"Man muss sich lösen von dem Sound. Bei den Verbrennungsmotoren möchte man immer, dass die noch lauter werden, das ist ganz einfach ein anderer Ansatz. Man muss dem offen gegenüber stehen. Klar gibt es eine Skepsis, aber wenn ich das erste Rennen in dieser Saison in Hongkong hernehme, das war schon richtig gut. Die Fahrer und Hersteller, die involviert sind, garantieren ja auch dafür, dass es eine professionelle Umsetzung gibt."

APA: Was sind die sportlichen Ziele? Ab wann will Porsche Siege feiern können?
"Egal, wo Porsche antritt, der Anspruch ist immer, der Beste zu werden und möglichst schnell Rennen zu gewinnen. Wie flach oder steil unsere Lernkurve verlaufen wird, kann noch niemand sagen. Deshalb wäre es unsinnig, ein Ultimatum für den ersten Sieg zu setzen."

APA: Gibt es schon einen oder mehrere Piloten, die man im Auge hat?
"Die Fahrerfrage für unser eigenes Formel-E-Team ist noch völlig offen. Aber natürlich schauen wir zuerst bei unseren bisherigen LMP1-Fahrern, die übrigens alle mit Porsche verbunden bleiben. Das sind absolute Weltklasse-Piloten, denen das Unternehmen viel zu verdanken hat."

APA: Wie konkret sind Überlegungen zu einem Formel 1-Einstieg? Welche Benefits hätte das für ein Unternehmen wie Porsche?
"Unser Auftrag ist Formel E, das ist Fakt. Bei uns läuft lediglich ein Vorausentwicklungsprogramm zur weiteren Effizienzsteigerung eines High-Performance-Verbrennungsmotors. Die LMP1-Motoreningenieure sind diesbezüglich aktiv, und jetzt wollen wir sehen, was ultimativ herauszuholen ist. Porsche lässt dieses Potenzial auf der Engineering-Seite nicht einfach verkommen. Wir reden von einem Einzylinder-Testträger."

APA: Gibt es einen Zeitrahmen, bis wann man eine Entscheidung getroffen haben will, ob es doch in die Richtung Formel 1 gehen könnte?
"Es ist eigentlich offen. Es geht darum, dass wir momentan diesen Testträger machen. Wenn es sich so entwickelt, dass es für einen Serien-Supersportwagen eine Möglichkeit wäre, dann soll es so sein, aber momentan hat es noch überhaupt keine Zuordnung. Es geht wirklich nur darum, wie weit man das treiben kann auf der Basis unseres Vierzylinders-LMP-Motors. Es sind die gleichen Leute, die wollen einfach das Ding noch höherschrauben. Wir lassen die einfach einmal entwickeln, dass wir das vorhandene Know-how auch irgendwo nutzen können."

APA: Wird die Mannschaft für die Formel E eigentlich aufgestockt?
"Nein. Es waren ungefähr 260 Leute, die im LMP-Projekt waren, rund 190 Ingenieure. Alle vom Motordesign sind jetzt an dem Einzylinder-Projekt dran, und bei den anderen entsteht gerade die Struktur, weil natürlich schon jetzt andere Schwerpunkte erforderlich sind. Schwerpunkte sind eher die Abteilung Systeme und die Batterienentwicklung, da stellen wir uns gerade neu auf. Das passiert in den nächsten Wochen. Zuerst werden die Leitungsfunktionen benannt, dann stellt man die Projektteams zusammen. Aber da ist keine Hektik."

APA: Ihre Funktion bleibt die gleiche, die sie beim LMP1-Projekt hatten, also quasi die des Projektleiters?
"Ich verantworte einen eigenen Bereich, der direkt an den Entwicklungsvorstand berichtet. Die Bezeichnung auf der Visitenkarte ist wie bei den anderen Hauptabteilungsleitern 'Vice President'. Vizepräsident Porsche Sonderaufgaben - so nennt sich das."