Zu Wochenbeginn wurde der Vertrag von Austria-Wien-Sportdirektor Franz Wohlfahrt um drei Jahre verlängert, jetzt hütet der frühere Teamtormann mit Fieber das Bett. Seinem Verein geht es schon längere Zeit nicht so gut, er laboriert in dieser Saison an chronischem Leistungsmangel. Am Sonntag jedoch ist Fitness gefragt, wenn der Start in die Frühjahrssaison gleich mit dem Wiener Derby erfolgt. Gegner Rapid hat aber auch schon weitaus schönere Zeiten erlebt. Den Hütteldorfern war im Herbst-Finish nach aussichtsreichem Zwischenspurt – abgesehen vom 5:0 gegen St. Pölten – ein wenig die Luft ausgegangen. Wo sind sie geblieben, die Wiener Großklubs?

Wiewohl die mit dem Geld aus der Dose gespeisten Salzburger mit Red Bull über den mächtigsten Financier verfügen, dürfen sich auch Rapid und Austria mit ihren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht wirklich eingeengt fühlen. Bei der Austria jedoch wurde, wie Vorstand Markus Kraetschmer betont, ein großer Teil der vorhandenen Mittel in den Ausbau der Infrastruktur investiert. In den Neubau der heimischen Spielstätte setzen die Verantwortlichen große Hoffnungen. Das Motto „Steine statt Beine“, wie Kraetschmer es formuliert, soll nicht zerbröseln, denn die Vereinspolitik der letzten Jahre sei klar zulasten des sportlichen Budgets gegangen.

Stadion ist mehr Belastung als Gewinn

Dass ein neues Stadion aber nicht auf der Direttissima in die fußballerische Glanz- und Glitterwelt führt, belegt das Beispiel des großen Lokalrivalen. Die bisherige Performance der Rapidler in ihrer schmucken und stets prall gefüllten Arena ließ fast alle Wünsche offen. „Das neue Stadion scheint für Rapid mehr Belastung als Gewinn zu sein“, sagt TV-Experte Heribert Weber, der bei seinem früheren Klub fehlende Konstanz diagnostiziert. „Sie spielen phasenweise guten Fußball, dann aber kommt ein Rückfall und der führt gleich in eine extreme Situation. Das zeigt, dass die Mannschaft nicht gefestigt ist.“ Das habe nichts mit der fußballerischen Qualität zu tun. Diese nämlich sei den Spielern nicht abzusprechen.

Kraetschmer wagt bei der Aufarbeitung der aktuellen Lage einen etwas tieferen Blick in die Vergangenheit und ortet zwei Bruchstellen, eine externe und eine interne. Zum einen passierte 2005 der Einstieg von Red Bull bei Salzburg. „Sie haben einfach ganz andere finanzielle Mittel.“ Zum anderen führte die Loslösung vom Magna-Konzern vor zehn Jahren zu einem „radikalen Einschnitt. Wir mussten eine neue Struktur schaffen, das ist ein langwieriger Prozess.“

Personalpolitik zu hinterfragen

Besonders zugesetzt hat beiden Wiener Vereinen in den vergangenen Jahren aber auch die eigene Personalpolitik. Der Austria-Vorstand zeigt sich dabei in der Nachbetrachtung durchaus selbstkritisch, was die Auswahl der Trainer bzw. die bisweilen übereilten Rauswürfe derselben betrifft. „Vielleicht wäre es da und dort gescheiter gewesen, etwas geduldiger zu sein“, gesteht Kraetschmer „mit der Weisheit des Rückblicks.“ Der seit Juni 2015 amtierende Thorsten Fink geht für Austria-Verhältnisse schon als Langzeitlösung durch. Die im Dezember wegen Kritik des Deutschen an der Transferpolitik des Klubs aufgekeimten internen Unstimmigkeiten seien, so Kraetschmer, ausgeräumt. „Es gibt die klare Strategie Austria 2025“, erklärt Kraetschmer. „Wir wollen uns in den Top 3 in Österreich stabilisieren.“ Weber gesteht der Austria außerordentliche Belastungen zu. „Die Verletzungsserie hat viel kaputtgemacht.“

Einiges an personellem Ungeschick ist auch den Entscheidungsträgern bei Rapid anzulasten. Mit zwei Fehlgriffen binnen kürzester Zeit war die Klubführung in der Disziplin Fachmenschenkenntnis mit keiner besseren Note als einem Nicht genügend zu beurteilen. Die Trainer Mike Büskens und Damir Canadi mussten vergangene Saison ihre Sessel räumen. Wie fest der im April 2017 als Interimstrainer eingesetzte aktuelle Chefbetreuer Goran Djuricin auf seinem Stuhl sitzt, wird sich bald herausstellen. Rapid-Sportchef Fredy Bickel meinte gestern, dass „wir uns demnächst zusammensetzen“ werden. Das könne in ein paar Wochen der Fall sein.

Die Vorherrschaft der Salzburger zu brechen, ist aus Sicht der Wiener bis auf Weiteres mehr Utopie als Möglichkeit. Und dann hat derzeit in der Bundesliga ja auch noch der SK Sturm den Austrianern und Rapidlern einiges voraus.