Am Donnerstag werden Sie 60 Jahre alt, wirken aber noch viel jünger. Wie haben Sie sich so gut gehalten?

WERNER GREGORITSCH: Ich mache sechs Tage in der Woche Fitness: Kraft und Laufen in meiner Folterkammer sowie Tennisspielen mit Freunden.

Muss es bei Ihnen immer Sport sein?
Nein, ich lese sehr gerne, vor allem Biografien. Die wohl wichtigste ist jene von Lance Armstrong, die mir bei meiner Krankheit weitergeholfen hat.

Stichwort Krankheit: Sie hatten Hodenkrebs.
Ich bin nach der Diagnose nach Hause gefahren, um die Sachen fürs Spital zu packen. Da ist Michael gerade vom Spielen mit Ball und Kickschuhen gekommen. Da habe ich im Stillen gebetet, meinen Buben an mich gedrückt und gehofft, dass ich ihn einmal trainieren darf. Dass es so aufgegangen ist, ist einfach wunderbar. Und als er dann das Tor in Kapfenberg geschossen hat, das war der Höhepunkt meines Lebens.

Sie hatten aber nicht nur Höhepunkte in den 60 Jahren.
Mit 29 Jahren beim Skifahren am Kitzsteinhorn habe ich mich verkantet und bin auf einen Felsen gestürzt. Ich habe mir das Schlüsselbein und den Schädel gebrochen. Da liegst du da und dein Leben geht in Bildern vorbei, da bist du ganz ruhig, es ist eigenartig. Zwei Wochen nach dem Sturz habe ich wieder trainiert und hatte rund 180 Puls. Ich ging wegen des Schlüsselbeins zum Röntgen. Und da haben sie gesehen, dass ich einen Schädelbruch hatte. Ich als Dickschädel habe es nicht bemerkt. Spaß beiseite. Ich hatte damals mehr Glück als bei meiner Krebserkrankung. Deshalb ist der 60er auch etwas ganz Besonderes für mich. Ich wollte zum einen meinen Buben trainieren und zum anderen älter werden als meine Mutter, die mit 59 Jahren an Brustkrebs gestorben ist. Meine Schwester hat es leider nicht geschafft, sie ist mit 48 Jahren gestorben.

Warum haben Sie trotz der Schicksalsschläge Ihre Emotionalität nicht verloren?
Wenn ich mir das heute so anschaue, denke ich: Eigentlich sieht das richtig blöd aus. Und wenn mich einer nur von solchen Szenen kennt, gibt es zu Recht Leute, die sagen: Der ist ja völlig bedient.

Wie sind Sie wirklich?
Ich war eine „Pippn“. Aber ich war immer ehrlich. Ich bin am Lendplatz und im Volksgarten aufgewachsen. Gegenden, die damals richtig wild waren. Und dann bin ich zur Schule gegangen, wo alles fein und anständig war. Die Erziehung der Geistlichen war sehr wichtig für mich. Ich lebte aber in zwei Welten.

Und warum kennt man nur den wilden, emotionalen Werner Gregoritsch?
Zwischendurch war es Show – in Kapfenberg etwa war das so. Ich dachte, entweder schlafen die Zuschauer und die Spieler ein, oder ich inszeniere etwas.

Das war so echt gespielt, das war hollywoodreif.
Alles war nicht gespielt, weil ich erstens ein Gerechtigkeitsfanatiker bin. Da gibt es für mich kein Halten. Und zweitens war ich ein Weltverbesserer. Das interessiert mich heute nicht, ich will keinen Stress mehr haben.

Wie lautet Ihr Leitspruch?
Nachdem ich ein bisschen religiös erzogen bin – zuerst bei den Schulwestern, dann im Bischöflichen Gymnasium –, ist es der Leitspruch des heiligen Augustinus: „Du kannst nur das in anderen Menschen entzünden, was in dir selbst brennt.“

Sie "brennen" recht oft, oder?
Jetzt nicht mehr, weil ich einen Beruf habe, in dem ich 50 Tage auf dem Platz bin und sonst viel administrative Arbeit habe. Beobachtungen sind nicht so emotional. Beim Tennis brenne ich immer wieder.

Wer ist Ihr bester Tennispartner?
Didi Kühbauer oder auch Heribert Weber.

Man hört, dass Sie selbst Ihren Mitspielern verbal zusetzen.
Der Heri ist mir nichts schuldig geblieben. Wenn zwei Alphatiere zusammenkommen, kann es krachen. Aber es waren immer sehr schöne Momente.

Alphatier ist das Stichwort. Lehrer, Trainer, der dominante Part in der Ehe – sind Sie gerne der Machthaber?
Das sieht nur so aus. In der Familie heißt meine Frau nicht umsonst "General". Wir harmonieren sehr gut, haben Spaß miteinander.

Wie streng ist das Regiment?
Meine Frau hat mich zum Umdenken gebracht. Pflichtbewusstsein gegenüber meinem Beruf habe ich durch sie gelernt, deshalb habe ich auch Karriere als Trainer gemacht. Ich war nie ein Sandler, sondern immer ehrgeizig. Meine Frau hat mir aber Verantwortungsgefühl, Selbstkontrolle und Pflichtbewusstsein eingeimpft. Sie hat immer gesagt: „Ein normaler Mensch hat zwei Batterien, du hast zehn. Und ich muss versuchen, mindestens acht wegzutun.“ Sie ist der einzige Mensch, der mich beruhigen kann. Sie passt perfekt zu mir.

Was macht Sie aus als Trainer?
Alle Vereine, die mich geholt haben, waren am Boden, sonst hätte man mich nicht geholt. Meinen Herzensverein GAK habe ich nicht auf Platz zwei, sondern in der Scheiße übernommen und dann zum Cup-Sieg geführt. Für mich sind Titel aber nie entscheidend. Wichtig war für mich immer, wie wir es gemacht haben – als Einheit, als eingeschworene Partie.

Was bedeutet Ihnen der Fußball?
Fußball ist mein Lebensinhalt. Ich weiß nicht, ob ich meine Krankheit ohne Fußball so gut überstanden hätte. Ich habe drei Tage nach meiner Operation auf Revers meine Amateurmannschaft trainiert. Diese jungen Menschen haben mich motiviert.

Die Jugend hat es Ihnen angetan – eine Alterserscheinung?
In meinem Alter und nach so langer Zeit als Trainer gibt es einen einzigen Satz für mich: Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Mir macht es extrem viel Spaß, mit jungen Leuten zu arbeiten. Und überhaupt habe ich von meinen Buben so viel gelernt. Junge Menschen sind oft kreativ, obwohl sie es heute viel schwieriger haben als wir.

Inwiefern?
Wir haben die Buschtrommeln, das Schwarz-Weiß-Fernsehen und die Natur gehabt. Wenn gewisse Dinge passiert sind, haben es drei Leute gewusst. Heute wissen es drei Millionen.

Ein kleiner Rückblick auf 60 Jahre: Würden Sie etwas anders machen?
Was den Lebensstil betrifft, würde ich bewusster leben. Ich würde beim Feiern nicht immer der Letzte sein, der heimgeht. Ich war als Junger exzessiv, bin aber froh, dass alles so gekommen ist. Ich habe mit zwölf Jahren aufgeschrieben, was ich werden will – Lehrer und Fußballer. Beides habe ich erreicht. Ich habe durch meine Mentalität und Emotionalität nicht immer die Selbstkontrolle gehabt. Da habe ich einige Dinge falsch gemacht.

Können und wollen Sie sich mit drei Worten selbst beschreiben?
Stur. Ehrlich. Emotional.

Um beim Anfang des Gesprächs anzuknüpfen: Wie würde der Titel Ihrer Biografie lauten?
Die Leiden des jungen W.