Herr Prohaska, wer ist denn ihrer Meinung nach derzeit das größte Talent in Österreich?
HERBERT PROHASKA: Das ist natürlich schwer zu sagen. Das größte Talent, das ist schwierig. Ich glaube, dass wir viele talentierte Spieler haben, die aber zum Teil auch schon ins Ausland gegangen sind. In Österreich ist es vielleicht jetzt ein bisschen schwierig richtig als Talent durchzustarten. Es wird wahrscheinlich noch schwieriger werden, weil in der nächsten Saison wahrscheinlich die 2. Liga an Qualität verlieren wird, nicht mehr oder fast nicht mehr im Fernsehen zu sehen sein wird. Ich habe das immer für einen ganz wichtigen Unterbau gehalten zwischen der 1. Liga und den Akademien der Mannschaften. Jetzt wird wahrscheinlich das passieren, dass die Talente aus den Mannschaften frühzeitig den Weg nach Deutschland oder wohin auch immer gehen werden. Das ist zu befürchten. Aber einzelne Spieler jetzt herauszunehmen ist vielleicht ein bisschen zu viel verlangt.

Warum glauben Sie, dass die Qualität so rapide abnehmen wird in der 2. Liga?
PROHASKA: Meiner Meinung nach war die Kombination aus 2 Zehner-Ligen in den 2 höchsten Spielklassen optimal für Österreich. Das Hauptproblem war natürlich immer die wirtschaftliche Seite und da habe ich natürlich leicht reden, weil ich nicht selbst das Geld aufstellen muss – aber das ist das schwierigste. Das wäre allerdings die wichtigste Aufgabe gewesen, um diese 2 Zehner-Ligen zu halten. Jetzt ist es so eine Vermischung zwischen Amateurclubs und einigen Profimannschaften und ich befürchte, das Interesse wird komplett verloren gehen.

Und damit auch das Geld, wenn man es nicht mehr im Fernsehen sehen kann?
PROHASKA: Ja, natürlich. Klar, es ist ohnehin schon schwer für Mannschaften, die in der 2. Liga spielen, potente Sponsoren zu finden. Früher waren Sponsoren oft Gönner, die keine großen Bedingungen gestellt haben, die bezahlt haben und dann trugen die Spieler eben den Namenszug auf der Brust. Heute will jeder Sponsor ein ordentliches Paket dazuhaben, um seinen Werbewert zu steigern und denen musst du dann etwas bieten. Und eines der Hauptargumente, dass du natürlich bieten musst, ist, dass du im Fernsehen vorkommst. Und wenn das dann wegfällt ist es noch einmal ums doppelte schwerer gute Sponsoren zu lukrieren.

Was wäre denn der adäquate Weg ihrer Meinung nach? Also: Wie sollte man es machen?
PROHASKA: Naja, wie gesagt, es ist schwer, weil die Probleme beim Fernsehanbieter beginnen. Da gibt es in Österreich leider viel zu wenige Mitbewerber. SKY kann eigentlich alleine dominieren, die Bundesliga freut sich, dass es 40% mehr Geld gibt, das ist zum einen gut. Dem gegenüber steht aber, dass nächste Saison in Deutschland von SKY 1,2 Mrd. € an Fernsehgeldern gezahlt werden und in Österreich nur 40 Mio. €. Wir dürfen uns natürlich nicht wirklich mit Deutschland vergleichen, aber ich würde sagen, wenn wir nur 10% kriegen und das sind wir wert, dann wären wir wenigstens auf 120 Mio. € oder einer vergleichbaren Summe. Und dann hätte sich die Frage gar nicht gestellt, ob man eine sportliche Reform machen muss. Aber nachdem das leider nicht so ist, muss man zufrieden sein und danke sagen an SKY.

Franco Foda ist jetzt der neue Teamchef. Finden Sie, dass er die richtige Wahl gewesen ist? Er ist ja wieder kein Österreicher, der den Job übernimmt. Genau dafür wurde ja auch Marcel Koller anfangs kritisiert.
PROHASKA: Die Situation als Marcel Koller angefangen hat war, dass er davor wenig bekannt war in Österreich und 2 Jahre ohne Job war. Das ist bei Franco Foda ganz anders. Der ist ja, kann man fast sagen, halber Österreicher, er lebt ja schon 20 Jahre hier, mit einer kurzen Unterbrechung von 1,5 Jahren in Kaiserslautern. Foda weiß bestens Bescheid über die österreichische Liga und auch über die anderen Ligen, wo unsere Legionäre spielen. Er hat die Nationalmannschaft sicher immer verfolgt als österreichischer Clubtrainer, also so gesehen ist das überhaupt kein Problem. Das Hauptaugenmerk sollte darauf liegen, dass du deutschsprachig bist, dann ist es einfacher – und das ist sowieso der Fall, daher ist er auch eine gute Wahl.

Man denke da nur an Karel Brückner, der als Teamchef damals gescheitert ist.
PROHASKA: Ja, genau! Bei Karel Brückner hat sich dann jeder überraschen lassen, weil der arme Mann, der ja ein Spitzentrainer war in seinem Land, viel zu wenig Deutsch gesprochen hat und dann auch vom ÖFB keinen Dolmetscher bekommen hat. Dann kannst du noch so viel wissen über Fußball, die Spieler verstehen dich einfach nicht. Ich hätte genau davor immer Angst gehabt, einen ausländischen Verein zu trainieren, wo ich nicht die Sprache kann und bin angewiesen, dass der Dolmetscher das so rüberbringt wie ich. Da bin ich schon skeptisch.

Apropos Herr Prohaska: Werden Sie noch einmal irgendwo Trainer werden?
PROHASKA: Nein. Ganz sicher nicht.

Hätte man sich beim Teamchef-Posten nicht vielleicht um Ralph Hasenhüttl bemühen müssen?
PROHASKA: Ich glaube ganz einfach, dass das, was der Ralph Hasenhüttl bei RB Leipzig verdienen kann, vom österreichischen Verband niemals bezahlt werden könnte. Und in diesem Fall hätten sie ihm ja wahrscheinlich sogar mehr zahlen müssen. Wieso sollte er sonst in der derzeitigen Situation zum ÖFB kommen? Nein, das ist utopisch.

Finden Sie, dass die Trennung von Marcel Koller die richtige Entscheidung war? Die letzten Ergebnisse des Nationalteams waren grundsätzlich in Ordnung.
PROHASKA: Man muss sich irgendwann zusammensetzen und sich die Fakten vor Augen halten. Die WM-Qualifikation hat man verpasst und Marcel Koller hat ein sehr gutes Gehalt gehabt nach der EM. Das war scheinbar auch ein Mitgrund, warum es dem ÖFB zu viel war. Aber es ist müßig jetzt darüber zu reden, ob er hätte bleiben sollen oder nicht. Fakt ist und das ist das einzige Entscheidende: Franco Foda ist Teamchef und dem sollte man jetzt jede Unterstützung zukommen lassen, damit er die Ergebnisse einfährt, die wir uns alle wünschen.

Haben die ÖFB-Landespräsidenten im Bund nicht zu viel Macht, trotz der offensichtlich fehlenden Fußballkompetenz? Man denke nur die Bestellung von Peter Schöttel als Sportdirektor. Ist es zu föderalistisch in Österreich?
PROHASKA: Man darf nicht davon ausgehen, dass die einzelnen Chefs der Landesverbände eine hohe Fußballkompetenz haben. Fakt ist, dass der ÖFB seine Satzungen jüngst geändert hat. Unter Beppo Mauhart gab es 2 Vize-Präsidenten, die sich alle 2 Jahre abgewechselt haben – das waren dann immer 2 neue aus den Reihen der Landesverbände – der jeweilige Bundesliga-Chef und Alfred „Gigi“ Ludwig. Es waren 4 Leute, die über etwas abgestimmt habe, und wenn es 2:2 gestanden ist, dann hat die Stimme von Mauhart gezählt und dann ist es entschieden worden. Das ist auch der wesentlich bessere Weg, weil umso größer alles wird, umso unterschiedlicher sind die Meinungen. Und umso mehr Leute teilnehmen, umso mehr wollen ihren eigenen Kopf durchsetzen. Scheinbar hat der Leo Windtner gegenüber dem Druck aus den Ländern nachgeben müssen. Besser wäre gewesen, er hätte es nicht gemacht.

Bei der Bestellung von Peter Schöttel, der ja der Kandidat der Landespräsidenten war und selbst zugegeben hat, dass er kein echtes Konzept hat, war offensichtlich, dass er nicht Leo Windtners Kandidat war.
PROHASKA: Nur eines dürfen wir nicht überbewerten: Es hört sich immer sehr gut an von „Konzepten“ zu sprechen. Was heißt ein Konzept vorlegen? Der ÖFB ist sehr gut aufgestellt, vor allem in den Nachwuchsmannschaften hat der Verband in den letzten Jahren sehr viel Erfolg gehabt. Schöttel muss jetzt versuchen herauszufinden, was den wichtigen Herren im ÖFB nicht gepasst hat, weswegen sie letztendlich den Willi Ruttensteiner geschasst haben. Ansonsten wird er wahrscheinlich genauso weiterarbeiten wie Ruttensteiner gearbeitet hat. Ein Konzept braucht es da nicht, sondern er ist der Sportdirektor und er hat die sportliche Kompetenz. Das ist ja genau der Punkt: Beppo Mauhart war ja auch kein Fußballer, sondern der war der Chef von der Austria Tabak und war trotzdem ein großer Präsident. Das ist genau der Punkt: Peter Schöttel ist jetzt zuständig für die sportlichen Belange, gemeinsam mit dem Trainerstab. Er braucht meiner Meinung nach kein ausgefeiltes Konzept vorlegen, sondern er muss sich um den Nachwuchs kümmern, in enger Abstimmung mit den Teamchefs sein und versuchen sportlichen Erfolg herbeizuführen.

Sie haben es gerade selber gesagt, dass im Falle der Entscheidungsfindung im ÖFB zu viele Köche den Brei verderben. Waren die Nachwuchsteams nicht gerade wegen Ruttensteiner so erfolgreich?
PROHASKA: Ich glaube, der Vorwurf an Willi Ruttensteiner war, dass er nach der EURO 2016 einen Bericht vorgelegt hat, in dem stand, dass alles in Ordnung und perfekt sei. Gegen Ende hin, als seine Arbeit noch einmal beurteilt wurde, hat er dann einen „richtigen“ Bericht vorgelegt, in dem stand, dass beim Team nicht alles in Ordnung ist. Das dürfte dann auch der Grund gewesen sein, warum er letztendlich gehen musste, auch wenn ich das natürlich nicht genau weiß. Willi Ruttensteiner wird am Anfang seiner Zeit gesagt haben, dass man die Akademien ausbauen soll, was alles sehr gut funktioniert hat, besonders, wenn man sich den Erfolg der Nachwuchsmannschaften ansieht. Deswegen war er auch so lange beim ÖFB. Aber irgendwann geht jeder. Ich war 7 Jahre lang Teamchef und wir hatten einen in der Bundesliga, der mich jeden Morgen begrüßt hat mit „Guten Morgen, zukünftiger Ex-Teamchef“ (lacht).

Nichtsdestotrotz hat es das erste Mal so gewirkt, als hätte man im ÖFB einen geordneten Weg eingeschlagen. Die Neuaufstellung der Akademien, Erfolge im Nachwuchsbereich, und auch Erfolg – zumindest kurzfristig – der Nationalmannschaft. Im Außenbild wirkt es derzeit so, als wäre Parteipolitik wichtiger als der Erfolg im Fußball. Kann so ein Neustart funktionieren?
PROHASKA: Neustart heißt ganz grundsätzlich, dass es eine Neubesetzung gibt in der Führungsetage, sprich Teamchef und Sportdirektor. Die gibt es. Das, was Marcel Koller hinterlassen hat, ist sehr positiv für Franco Foda. Es sind viele Spieler, die man übernehmen kann und Foda muss nicht mit Gewalt irgendwelche neuen Spieler erfinden oder finden. Logischerweise werden mit der Zeit einige neue Spieler dazukommen. Aber das gute ist, dass wir keine neue Mannschaft aufbauen müssen, sondern nur zusehen, dass wir mit dem verfügbaren Spielermaterial wieder erfolgreicher spielen. Und das traue ich der Mannschaft absolut zu, weil der Kader qualitativ sehr gut aufgestellt ist. Bei dem Team sehe ich keinen Grund, wieso wir in Zukunft schlechter abschneiden sollten – ganz im Gegenteil. Ich denke, dass wir gute Chancen in der nächsten Qualifikation haben, wenn wir nicht in eine Todesgruppe rutschen.

Langsam kommt eine neue Generation ins Nationalteam. Die derzeitige, mittlerweile in die Jahre gekommene Generation, muss jetzt einige Rücktritte verkraften und konnte ihre Versprechen, abgesehen von der Qualifikation für die EURO 2016, nie einlösen. Denken Sie, dass es die kommende Generation kann?
PROHASKA: Die derzeitige Generation ist eine gute Generation. Wir dürfen nicht so reden, als hätten sie ihre Versprechen nie eingelöst. In der EM-Qualifikation haben sie es sogar grandios eingelöst, sind dann aber wahrscheinlich mit diesem Druck nicht fertig geworden. Endlich kommt das erste Match gegen Ungarn, das man eigentlich gewinnen muss, so hat jeder gedacht – und dann geht es verloren. Man hat 3 Spiele bei einer Endrunde und wenn das erste schiefgeht, dann kommt ein Druck auf dich zu, den du vorher nicht kanntest. Bei der Qualifikation, wenn man ein Match verliert oder 2, bleiben immer noch genug übrig. Aber wenn du bei der EM oder bei der WM das erste Match verlierst hast du nur mehr 2 und da musst du dann gewinnen. Mit dem Druck sind wir dann einfach nicht fertig geworden. Trotzdem hätte diese Mannschaft, die die EM-Qualifikation grandios gemeistert hat, mit dem selben Glück auch die WM-Qualifikation geschafft. Aber so ist der Fußball. Und leider ist es zusätzlich so: Wir gehören zu den Nationen, die auch das Glück brauchen. Wir sind nicht Deutschland, die kein Glück brauchen, weil sie eine überragende Qualität haben. Wir brauchen ein bisschen Glück dazu.

Jetzt haben wir im Nationalteam einige Außenverteidiger, eine Position, die lange eine Planstelle war: Marco Friedl, neues Talent bei den Bayern, Moritz Bauer, Andreas Ulmer ist unter Franco Foda wieder zurück im Team. Soll Alaba im Mittelfeld bleiben, oder hinten links, was seine angestammte Position ist?
PROHASKA: Ich glaube nicht, dass es uns enorm weiterbringt, wenn er als linker Verteidiger spielt – vor allem, wenn wir Alternativen haben. Alaba ist außerdem ein gelernter Mittelfeldspieler. Er ist ja nicht aus dem Bayern-Nachwuchs hervorgegangen, sondern hat ja nur ein Jahr im Nachwuchs der Bayern gespielt. Seine gesamte Nachwuchs-Zeit hat er bei Austria Wien verbracht, obwohl die Bayern immer davon reden, dass der Letzte, den sie aus ihrem Nachwuchs herausgebracht haben, David Alaba war. Das stimmt aber absolut nicht. Bei der Austria hat er immer im Mittelfeld gespielt und erst bei Bayern links hinten. Ich denke, wenn er einen disziplinierten Sechser spielt, dann ist das für die Nationalmannschaft seine beste Position.

Paul Scharners Ansicht nach hat David Alaba zu viel Macht im Team. Sehen Sie das auch so?
PROHASKA: Ich glaube nicht. Ich kann es mir nicht vorstellen, dass sich ein Trainer alles von einem Spieler diktieren lässt. Ich weiß auch nicht, warum Scharner das behauptet. Eventuell hat ihm das jemand gesagt, dass es so ist, aber mir wäre so etwas jedenfalls nicht zu Ohren gekommen.

Er hat damals argumentiert mit dem Match gegen Irland, wo Ilsanker eingewechselt wurde und dann links hinten spielen musste, weil Alaba im Mittelfeld bleiben wollte.
PROHASKA: Ja, aber dabei bleibt jetzt offen: Hat Koller den Ilsanker aufs Feld geschickt für die linke Außenverteidigerposition? Das müsste man wissen.

Was ist Ihrer Meinung nach mit Dragovic und Arnautovic los? Vor 2 Jahren hat man bei beiden noch von Top-Klubs gesprochen, Dragovic war im Gespräch beim BVB, Arnautovic immer wieder in englischen Medien bei Everton, AC Milan etc. Was ist da los bei den beiden?
PROHASKA: Ja, gut, es ist unterschiedlich. Arnautovic war unser bester Spieler in der abgelaufenen WM-Qualifikation. Jetzt hatte er ein paar Verletzungen, die ihn zurückgeworfen haben. Zusätzlich ist er zu einem Klub gegangen, wo er davon ausgegangen ist, dass dort alles besser wird als bei Stoke City. Jetzt hängt er eigentlich hinten mit drin, auf den Abstiegsrängen. Das übt eine Menge Druck aus. In der Nationalmannschaft hingegen hat er kaum enttäuscht, da war er schon immer einer der Besten und Auffälligsten. Für Alexander Dragovic ist das Meiste bei der EM schiefgegangen. Zuerst verletzt, dann hat er gespielt, dann hat er gegen Island einen Elfmeter verschossen, dann ist wieder eine Verletzung gekommen, dann hat es sich lange gezogen, ob er jetzt von Kiew zu Leverkusen wechselt. Bei Leverkusen ist es aber auch schlecht gelaufen und das nicht nur für ihn, sondern für die ganze Mannschaft. Es ist ja so: Man kommt sehr spät in eine Mannschaft, man ist nicht in Form, die Mannschaft kommt nicht in Form. Das zieht einen mit runter. Dann kommt man in einen Teufelskreis. Summa summarum hat er so kaum eine Chance bekommen in Leverkusen und das verunsichert natürlich zusätzlich. Er ist gegangen, weil er in Leverkusen keine Chance gesehen hat, aber bei Leicester City hat er derzeit noch kleinere Chancen. Wenn er wieder Einsätze bekommt und Selbstvertrauen aufbaut, ist er ein sehr guter Innenverteidiger.

Wer hat denn ihrer Meinung nach im Nationalteam als Stürmer derzeit die Nase vorne: Gregoritsch oder Burgstaller?
PROHASKA: Bei den beiden ist die Position ein wenig verschieden. Burgstaller spielt den klassischen Mittelstürmer im Zentrum, Gregoritsch spielt auch manchmal dahinter. Für die Zukunft ist es gut Optionen zu haben. Wen wir sicher in der Nationalmannschaft brauchen ist ein Janko-Nachfolger, der die Tore macht. Janko war überragend, vielleicht nicht mehr in der WM-Qualifikation, aber in der EM-Qualifikation. Und auch zu Recht hat ihn der Koller da immer aufgestellt. Eine erfolgreiche Mannschaft braucht einen Knipser. Immer, wenn wir so einen Stürmer hatten, ob das jetzt Krankl oder Polster waren, hatte die Nationalmannschaft Erfolg. Wir haben unzählige Mittelfeldspieler, wir haben Außenspieler, wir haben Stürmer, der Kader ist wirklich gut. Jetzt braucht es noch einen Torjäger.

Hat Marcel Sabitzer Ihrer Meinung nach das Zeug für eine internationale Karriere, die vielleicht noch höher geht als RB Leipzig?
PROHASKA: Das wird an ihm liegen. Er ist jetzt einmal in einer guten Mannschaft, in einer sehr guten Liga. In Deutschland gäbe es als nächsten Step nur mehr die Bayern. Oder er müsste zu einem Top-Klub nach Spanien, Italien oder England gehen. Aber im Moment wird er sicher zufrieden sein, bisher hat ja in seiner Karriere alles sehr gut geklappt und es ist immer ein Stück weiter aufwärtsgegangen.

Was sagen Sie denn dazu, dass ein Klub wie RB Leipzig in Deutschland immer noch massiv angefeindet wird? Nicht nur von Fans, sondern auch von anderen Funktionären.
PROHASKA: Das ist natürlich zum Teil der Neid. Aber wenn man sich die Geschichte von RB Leipzig ansieht, dann ist die fantastisch. Das wirkt ja alles durchgeplant. Das Konzept ist ganz eng mit Ralf Rangnick verbunden. Und natürlich mit Didi Mateschitz, dem Mann, der das Konzept finanzieren kann. Sie haben kontinuierlich am Aufstieg gearbeitet und deshalb sind diese Anfeindungen sinnlos. Wenn jemand Anfeindungen „verdient“, dann die, die ihren Klub als Spielzeug betrachten. Einen Mann wie Mateschitz muss man eigentlich feiern und nicht verdammen. Er tut ja irrsinnig viel Gutes für die Region, beispielsweise Arbeitsplätze, das Stadion wird größer und so weiter und so fort. Das Problem vieler ist die fehlende Tradition, aber meiner Meinung nach ist es doch komplett belanglos, ob man schon 100 Jahre alt ist oder nicht. Entscheidend ist, dass dort sehr gut gearbeitet wird. Dass dort eine Mannschaft entstanden ist, die zu 50 oder 60% aus Spielern besteht, die aus Salzburg gekommen sind, zeigt ja auch welche gute Qualität in Salzburg zuhause ist.

Sehen Sie das denn allgemein positiv, dass Spieler von Salzburg nach Leipzig geschleust werden? Überwiegt die Möglichkeit einen leichteren Weg in eine Topliga zu haben oder finden Sie, dass der Liga sukzessive Qualität verloren geht?
PROHASKA: Nein, ich glaube ganz einfach, dass das ein wichtiger Teil des Konzepts von Rangnick ist. Junge Spieler kommen zur Entwicklung nach Salzburg, können dort mit ihrer Qualität auf Anhieb spielen und sobald man der Meinung ist, dass sie reif sind für Leipzig, dann werden sie transferiert. Für mich geht das absolut in Ordnung. Sie wirtschaften gut, sie spielen in schönen Stadien, haben in Afrika Schulen, haben in Amerika eine Mannschaft, bauen in Leipzig sukzessive aus oder neu und in Salzburg steht ohnehin ein sehr schönes Stadion. Das Gesamtkonzept „Red Bull“ ist super. Ich würde mich darüber nicht aufregen, wir sollten eher froh sein, dass es diese Vereine gibt.

Bei Inter Mailand gab es seit dem Einstieg der chinesischen Investoren offensichtlich kein optimales Konzept. Glauben Sie, dass der Verein jetzt wieder dauerhaft Erfolg haben wird, nachdem es derzeit bergauf geht?
PROHASKA: Naja, das Problem ist ganz einfach, dass alle Spitzenklubs in Italien verkraften mussten, dass die besten Spieler der Welt plötzlich nicht mehr nach Italien wechseln. Der einzige Verein, der das halbwegs hinbekommen hat, war Juventus – darum sind die auch Serienmeister. Bei Inter scheint es derzeit wieder gut zu klappen. Die haben sich auch einen Super-Trainer geholt mit dem Spalletti, der ein absoluter Topmann ist. Die Mannschaft passt jetzt auch zusammen, im Gegensatz zu Milan. Milan hat irrsinnig viele Spieler eingekauft. Dass das noch nicht auf Anhieb funktionieren kann, ist klar. Wenn man den italienischen Fußball kennt, dann weiß man, dass er sehr taktiklastig ist. So viele Neukäufe, die gleich Stammspieler sein sollen, klappt in Italien nicht sofort. Geben wir Milan ein Jahr Zeit, dann kommt dort auch der Erfolg wieder zurück. Was mich sehr freut ist, dass beim nächsten Spiel von Inter gegen Chievo Verona 70.000 Zuschauer erwartet werden. Vor ein paar Jahren war das noch anders. Die Leute glauben wieder an den Klub. Beide Mailänder Klubs sind im Aufstieg. Wichtig wäre, dass die Investoren es schaffen, auch wieder einmal den einen oder anderen Topspieler nach Italien zu locken.

Haben Sie damals lieber bei Inter Mailand oder der AS Roma gespielt? Wo hatten Sie die schönere Zeit?
PROHASKA: Das ist für mich sehr schwer zu sagen. Im Norden herrschen andere Mentalitäten als im Süden. Das Angenehmere und Schönere war in Rom, wo wir auch Meister geworden sind. Nachdem man in Rom leider nur alle 20 Jahre Meister wird, sieht man vieles dort viel lockerer. Zu Inter bin ich gekommen und dort wurde ähnlich wie heute beispielsweise bei Bayern der Fokus nur aufs internationale Geschäft gelegt. Die Meisterschaft müssen die Bayern sowieso gewinnen, eigentlich geht es nur um die Champions League (alle CL-Wetten). Bei Inter wurde damals auch nur über den Europacup der Meister geredet. So war man ständig unter diesem Druck. Haben wir in der Meisterschaft zuhause einmal Unentschieden gespielt, waren alle böse auf einen. Vom Vorstand bis zum Zeugwart (lacht). Aber das Flair, wie ich von der Austria zu Inter gekommen bin, war natürlich wie aus einer anderen Welt. Die Austria wird immer mein Herzensklub bleiben, bei dem ich am liebsten gespielt habe, aber der Wechsel von der Austria zu Inter war wie ein Umzug von Simmering nach New York.