Musik von Johnny Cash dröhnt aus den Lautsprechern. Diesmal ist sie wohl lauter als üblich, Marburg hat schließlich hohen Besuch. „Love is a burning thing“, singt Johnny Cash aus den Boxen und Dutzende in Rot gekleidete Fußballfans besingen ihre Hingabe zum Liverpool FC. Die schmalen Gassen von Marburg sind vor dem Champions-League-Duell, dem selbst erklärten „Spiel des Jahres“, praller gefüllt als sonst. Viel praller, als es eigentlich vorgesehen war. Rund 800 Fans haben im Gästesektor des „Ljudski vrt“, zu Deutsch „Volksgarten“, in Marburg Platz. Mindestens fünf solcher Gästesektoren bräuchte es, um allen Liverpool-Fans an diesem Abend einen Platz im Stadion bieten zu können. Der Laune tut es keinen Abbruch, Johnny Cash hat seinen Anteil daran.

Geoff Crump kommt mit leeren Händen aus dem Marburg-Fanshop. „Hast du Karten?“, fragt er. Im Klubgeschäft ist der rund 70-Jährige nicht fündig geworden, die anderen 50 darin werden es wohl auch nicht mehr. Seit Wochen ist das Spiel ausverkauft. „Ich bin mit meinem Kumpel da“, erzählt der Mann aus Chester, nicht weit von Liverpool. Unter seiner dünnen Jacke ragen Liverpool-Aufnäher und -Plaketten hervor. „Wir fahren zu jedem Auswärtsspiel von Liverpool. Auch zu jenem in Marburg. Und auch, wenn wir keine Karte haben“, erzählt Geoff.

Sadio-Mane-Bier

Eine Gasse weiter finden die beiden Gleichgesinnte. Ein rotes, zum Großteil ticketloses Menschenmeer. Der Gerstensaft fliest aus Selbstbedienungs-Biertendern, auf denen einige Spielernamen von Liverpool prangern. Einen Unterschied schmecken die beiden Iren Ken und Paul zwischen dem Sadio-Mane-Bier und der Philippe-Coutinho-Variante zwar keinen – aber sie fühlen sich pudelwohl. Und textsicher sind sie beim Liverpool-Klassiker von Johnny Cash obendrein: „And it burns, burns, burns, the ring of fire.“

Marburg ist hohen Besuch gewohnt. Im Jahr 2014 machten Chelsea und Schalke in der Champions-League-Gruppenphase in Slowenien Halt. In dieser Saison haben es die Slowenen mit Spartak Moskau, Sevilla und eben Liverpool zu tun. Einen Lärm haben schon die Russen gemacht, aber Liverpool ist angenehmer „und noch ein Stück stimmgewaltiger“, erzählt ein Marburg-Fan. Mit dem Nachsatz: Er könnte sich an solche Gegner gewöhnen.

Philippe Coutinho (rechts) und Roberto Firmino (daneben) hatten mit ihren Liverpool-Kollegen in Marburg leichtes Spiel
Philippe Coutinho (rechts) und Roberto Firmino (daneben) hatten mit ihren Liverpool-Kollegen in Marburg leichtes Spiel © APA/AFP/JURE MAKOVEC

Marburg gewöhnt sich tatsächlich daran. Es ist die dritte Teilnahme in der Königsklasse. „In der Vergangenheit war es mehr Zufall, wenn der Klub in der Champions League war“, weiß Fan Frank. Doch nun arbeitet man mehr und mehr auf das große Geschäft hin. Der Vater des Aufwindes: Zlatko Zahovic. Er ist seit 2007 Sportlicher Leiter in Marburg und die rechte Hand von Trainer Darko Milanic. Ohne Zahovic wäre Violett-Gelb nicht dort, wo es heute ist, erzählt Frank. Auch das Stadion soll ausgebaut werden und größeren Aufgaben gerecht werden.

Für Kaliber wie Liverpool reicht es in Marburg noch nicht, mit 7:0 fuhren die Engländer über die Slowenen drüber. „Sie empfangen uns hier aber sehr nett“, zollt der Liverpooler Dave Respekt. Er muss es wissen: „Seit ich denken kann, bin ich Liverpool-Fan. Ich bin auswärts überall dabei.“ Der rote Virus entfachte etwas in ihm. Wie bei Johnny Cash.