Hans Krankl und Hans Müller verlassen mit getauschten Trikots das Feld im Stadion in Cordoba
Hans Krankl und Hans Müller verlassen mit getauschten Trikots das Feld im Stadion in Cordoba © (c) UPI/Upi Heikes (Upi Heikes)

Einst, vor 15 Jahren, da war sie noch fixer Bestandteil im Hoheitsgebiet des österreichischen Fußballs: die alte Ordnung. In diesem ganz speziellen Kosmos hatte Hans Krankl seinen festen Platz. „Halbzeit, und die Pause ist vorbei“, gab der nach eigenen Angaben in „Silbermetallic“ eingefärbte damalige Trainer des Nationalteams anlässlich seines Fünfzigers als persönliche Befindlichkeitserklärung zu Protokoll. Jetzt, da die Haare längst ins Weiß hineingewachsen sind, ist das Dasein zwar noch keine Zitterpartie, aber ein bisschen ins Schwanken ist er schon geraten. „Kann ich nicht sagen, auf der einen Seite, ja“, meint der nunmehr 65-Jährige auf die Frage, ob er das Älterwerden spürt. Die Jahre zehren an der Zeit. Andererseits, ein Mann wie Hans Krankl zehrt auch von den Jahren, vor allem von den früheren. Da war der Fußball in diesem Lande ganz zwangsläufig mit seinem Namen verbunden. Es war eine enge, eine tiefe Beziehung, und mit den zwei Toren beim 3:2-Erfolg über Deutschland bei der Weltmeisterschaft in Argentinien 1978, ja, im berühmten Cordoba, hatte der damals 25-Jährige einen Platz bei den Unsterblichen für sich reserviert.

Weil ihm das Kicken im Blut liegt, lässt Krankl es bis heute nicht aus seinem Kreislauf entkommen. Zweimal pro Woche gibt er sich die Wuchtel, umgeben von seinen Haberern. Das sind nicht unbedingt jene, die alle Welt oder zumindest Fußball-Österreich, kennt. Nur der Heini Strasser, auch ein Alt-78er, ist dort mit von der „Wiener Liga“-Partie, aber der ist von der breiteren Öffentlichkeit auch beinahe schon vergessen. Die Gemütlichkeit im trauten Freundeskreis lässt ihn behaglich erscheinen, den langen Ausklang einer Karriere mit vielen Glanzlichtern. Die Zeit beim FC Barcelona, „dem besten Fußballklub der Welt“, hat für ihn bis heute nichts von ihrer Strahlkraft eingebüßt. Von dort aus erfährt der einstige „Goleador“ jene Anerkennung, die er hierzulande doch schmerzlich vermisst. „Die Wertschätzung ist im Ausland viel größer als bei uns in Österreich“, sagt Krankl. Dem Engagement in Barcelona kommt rein objektiv gesehen insofern enorme Bedeutung zu, als damals nur zwei Ausländer spielberechtigt waren. Der Legionär war die große Ausnahme, nicht - wie heute - der Regelfall. Dass Lionel Messi, „der größte Fußballer der Gegenwart“, Krankl vor fünf Jahren zum Sechziger persönlich gratulierte, machte ihn, den Ehemaligen, „besonders stolz“.

Von seinem eigenen Land hingegen wurde Krankl wohl mindestens so tief verletzt, wie er mit ihm verwurzelt ist. Als sein Vertrag als Nationaltrainer 2005 gekappt wurde, war das Band zwischen ihm und dem Österreichischen Fußballbund zerschnitten. Die Europameisterschaft 2008 im eigenen Land, „die hätte ich gerne gemacht“, doch der große Traum blieb ihm versagt. Dieser Tiefschlag zerriss ihm fast das Fußballherz, dem er stets seine Hand auflegte, wenn anlässlich eines Länderspiels die Hymne erklang. Es war, so gibt er heute nach ein paar Atemzügen Nachdenkpause zu, „die größte Enttäuschung meines Lebens“.

Hans Krankl in seiner Zeit als österreichischer Nationaltrainer
Hans Krankl in seiner Zeit als österreichischer Nationaltrainer © (c) Guenter R. Artinger

Seit damals hat Hans Krankl kein einziges Match der Nationalmannschaft mehr live im Stadion miterlebt. Das sieht nach Verbitterung aus. „Nein“, widerspricht er. „Das ist hart, viel zu hart. Jetzt bin ich darüber hinweg.“ Nur der Stolz verbietet ihm eine Abkehr von diesem Grundsatz. Prinzipientreue ist eine der zentralen Eigenschaften des Sohns eines Wiener Straßenbahners, der stets die Familie als höchstes Gut erkannte und dies auch lebt. Dass er als Trainer bei Weitem nicht an die Erfolge in seiner Spielerkarriere anknüpfen konnte, nimmt Krankl zur Kenntnis. „Da hätte ich größere Klubs trainieren müssen. Aber ich habe mit kleinen Vereinen viel erreicht.“ Nach einem Intermezzo in Linz beim LASK legte er 2009 sein Amt nieder.

Die Fußball-Leidenschaft lebt er mittlerweile nur noch über den Bildschirm und als Kritiker aus, in seiner Rolle als Kolumnist und TV-Experte. Vom ÖFB erhält Krankl zwar zu jeder Feier und zu jedem Ländermatch Einladungen, er schlägt sie allesamt aus. „Ich will mich dort nicht zeigen.“ Er müsste sich wohl verstellen, das ist dem Mann, der stets „echt“ und authentisch sein will, zutiefst zuwider. „Im Stadion zu sein, das ist nicht meins, ich gehör auch nicht zu Rapid“, sagt der Ur-Rapidler. Die Grün-Weißen in der heutigen Erscheinungsform können den ehemaligen Stürmer nicht in die nötige emotionale Offensive versetzen.

Dem rot-weiß-roten Team bleibt er treu. „Ich bin immer noch ein Patriot und ein Kind des österreichischen Fußballs. Ich halte der Nationalmannschaft die Daumen, egal, wer Teamchef ist.“ Mit dem Schweizer Marcel Koller hatte Krankl nicht nur zu Beginn keine Freude. Auch als das Nationalteam in der Ära des Schweizers in der EM-Qualifikation 2015 auf dem Höhepunkt angelangt war, blieb Krankl auf seiner Linie. Im Gegensatz zu den übrigen Koller-Kritikern der ersten Stunde.

Dass der Ton die Musik macht, zeigt Hans Krankl vulgo Johann K. auch auf der Bühne, nach wie vor. Früher mit „Rostigen Flügeln“ und als „Lonely Boy“ in der Showbranche durchaus erfolgreich, tourt er heute mit der Band „Monti Beton“ durch die Lande. Pro Jahr ist Johann K. zehn bis 15 Mal bei Konzerten live als Sänger zu sehen und zu hören. Natürlich ganz echt, richtig live. „Bei uns gibt es kein Playback.“ Er selbst gibt sich am liebsten die „oidn Hadern“ wie Beatles, Stones, Deep Purple, Led Zeppelin, U2. Und er liest, mit Vorliebe Biografien und Krimis.

Und was hat Hans Krankl sonst noch vor? „Ich habe noch sieben Jahre, dann kommt meine große Zeit als Trainer, so wie bei Jupp Heynckes.“ Dieser ist Coach des FC Bayern und 72. Für Krankl kommen nur drei Klubs infrage: FC Barcelona, Manchester United und der AC Milan. „“, meint er launig.

Nein, Hans Krankl ist nicht verbittert. Nur stolz. Und echt.