"Wenn eine Mannschaft mit Angst einläuft, dann hat der Trainer alles falsch gemacht. Vor allem psychologisch", betonte der 62-Jährige. Die "Squadra Azzurra" beendete die Gruppe F mit zwei Punkten sogar noch hinter Neuseeland (3) auf dem letzten Platz. Zum ersten Mal überhaupt ist damit schon vorzeitig sowohl der Titelverteidiger als auch der Vize-Weltmeister (Frankreich) gescheitert. Für die Italiener endete das Turnier gleich mit drei Negativ-Schlagzeilen. Es war nicht nur das erste Aus in der Gruppenphase seit 1974 sondern auch das einzige WM-Turnier bei 17 Teilnahmen ohne Sieg. Zudem kassierte der Weltmeister von 2006 zum ersten Mal seit dem Finale 1970 in Mexiko (1:4 gegen Brasilien) in einem WM-Spiel drei oder mehr Tore.

"Das war das schlechteste Italien aller Zeiten", klagte die "Gazzetta dello Sport". "Schande!", titelte der "Corriere dello Sport". Für die "Repubblica" war es das "Waterloo der Azzurri". "Tuttosport" verhöhnte die WM-Versager als "Mozzarelle". Minister Roberto Calderoli beschimpfte Trainer Lippi als "arrogant" und die Spieler als "verwöhnte Millionäre mit Gelantine-Beinen."

"Ich habe Druck gemacht. Das war falsch"

Der Coach entschuldigte sich für den enttäuschenden Auftritt seiner Elf, die wie schon 1950 als Titelverteidiger gleich in der Gruppenphase ausschied. "Es tut mir schrecklich leid für Italien, die Fans, den Verband und die Spieler. Ich habe es nicht geschafft, die Mannschaft so vorzubereiten, wie es hätte sein müssen", sagte Lippi. Der Coach hatte seine Spieler vor der Partie auf die Wichtigkeit des Spiels hingewiesen und damit anscheinend genau das Falsche gemacht. "Ich habe Druck gemacht. Das war falsch", gestand sich Lippi ein. Die Spieler selbst suchten ebenfalls keine Ausreden für die große Blamage. "Als wir Weltmeister geworden sind, haben wir Siegermedaillen bekommen, jetzt werden wir Medaillen der Schande bekommen und das völlig zurecht. Wir haben einen Tiefpunkt erreicht", sagte Gennaro Gattuso, der genauso wie Fabio Cannavaro ("So ein Abschied tut weh. Es war der schwärzeste Tag für unsere Nationalelf") seine Teamkarriere beendete.

Ähnlich sah es Andrea Pirlo, der verletzungsbedingt erst gegen die Slowakei und da auch nur nach der Pause zum Einsatz gekommen war. "Unsere Leistung war beschämend. Wir haben kein einziges Spiel gewonnen, es ist die Schuld jedes Einzelnen." Lippi erlebte mit Italiens Nationalteam alle Höhen und Tiefen. 2006 hatte er die Mannschaft in seiner ersten Amtszeit in Deutschland noch zum Titel geführt, jetzt kam das peinliche Aus in einer von der Papierform leichten Gruppe mit Paraguay, der Slowakei und Neuseeland. Für Lippi war es aber kein Fehler, das Amt 2008 neuerlich angenommen zu haben. "Ich bin mit Begeisterung zurückgekehrt. Das bereue ich nicht. Ich war zwar nicht überzeugt, dass wir Weltmeister werden können, aber ich war hundertprozentig davon überzeugt, dass wir besser abschneiden", fasste Lippi zusammen, der sich jetzt einmal eine mehrmonatige Trainer-Auszeit nehmen wird.

Auf seinen Nachfolger Cesare Prandelli wartet jedenfalls harte Arbeit, in Südafrika hatten die Italiener in keinem der drei Gruppenspiele wirklich überzeugen können. "Mein Nachfolger wird den richtigen Mix finden, was mir diesmal nicht gelungen ist", war Lippi optimistisch. Prandelli tritt sein Amt offiziell am 1. Juli an, wie Verbandspräsident Giancarlo Abete am Freitag bekanntgab. Der 52-jährige Ex-Fiorentina-Coach erhielt einen Vierjahresvertrag.

Die Vorzeichen stehen aber nicht gut. Selbst Abete räumte ein, dass es im italienischen Fußball strukturelle Probleme gebe. Zwei EM-Bewerbungen scheiterten kläglich, die mit Fan-Gewalt und veralteten Stadien kämpfende Serie A verliert an Attraktivität und den Anschluss an die Top-Ligen in Europa. Inter Mailands Champions-League-Sieg täuscht, weil kein einziger Italiener in Inters Startelf steht. "Ich sehe dunkle Zeiten kommen", meinte der verletzte Goalie Gianluigi Buffon. Abete hofft allerdings auf einen Umschwung. "Der Generationswechsel wird schwierig, das Comeback der Azzurri ist aber unsere Pflicht", betonte der Verbandspräsident.