Der Mann verlässt sich nicht nur in der Küche lieber auf sein Gefühl als auf bekannte Rezepte. Spitzenkoch Tom Riederer geht auch das Bauen auf diese Weise an, und wie das Kochen tut er es leidenschaftlich gern: „Ich reiß einfach gern etwas um“, gibt er zu Protokoll. Und „umzureißen“ gab es im ehemaligen Pfarrhof in St. Andrä im Sausal, dessen Bausubstanz auf das 14. Jahrhundert zurückgeht, wirklich genug. Dabei war das alles gar nicht so geplant.

Riederer, der zuvor privat und beruflich neun Jahre im südsteirischen Leutschach zu Hause war, hatte bereits einen fixfertigen Plan für einen Neubau in ebenjener Gemeinde in der Tasche, als ihm im Februar 2013 ein Zeitungsinserat quasi dazwischenkam, wie er erzählt. „Darauf waren nur zwei Fensterreihen von der Fassade zu sehen. Dazu gab’s eine Adresse und eine Telefonnummer.“
Langer Rede kurzer Sinn: Riederer fuhr hin, betrat das denkmalgeschützte Haus, stellte fest, dass es weder schlecht roch noch schlecht aussah, und wusste sofort: „Das ist es.“ Weil man so etwas einfach nie wieder bekommt – weder was Lage noch was Bausubstanz angeht – „und weil ein Umbau viel spannender ist als ein Neubau“.

Vor dem Umbau: Ein Blick auf den Pfarrhof neben der Kirche und das Stallgebäude
Vor dem Umbau: Ein Blick auf den Pfarrhof neben der Kirche und das Stallgebäude © (c) Karin Bergmann & Helmut Bolesch

Der Pfarrhof stand zu diesem Zeitpunkt bereits fünf Jahre leer, „davor hat der Pfarrer nicht mehr als ein Zimmer genutzt“, sagt Riederer. Das 42 Meter lange Wirtschaftsgebäude daneben war zuletzt ein Schweine- und Pferdestall, „zugemüllt bis obenhin“. Genau hier konnte sich Riederer von Anfang an seine sechs Gästezimmer vorstellen, die für ihn auch der Hauptgrund für den Umzug waren. Der Pfarrhof wiederum erschien ihm ideal als Restaurant im Erdgeschoß und privates Zuhause im ersten Stock samt ausgebautem Dachboden.

Teamarbeit 

Bis dahin war es freilich ein steiniger Weg, bei dem sich die Kombination von Koch und Bauherr wieder als Segen erwies: „Baufirma, Dachdecker, Tischler, Zimmerer, Installateur – jeden von ihnen habe ich schon als Gast in meinem Restaurant gekannt“, sagt Riederer. Kleiner Nachsatz: „Sie haben alle als Firmen bei mir gearbeitet.“ Und die Kooperation hat sich in jedem Fall als Segen erwiesen. Wie auch die Beratung des Bundesdenkmalamtes, die Riederer in jeder Hinsicht als Gewinn erlebte.

Vom 28. Oktober 2013 bis 20. August 2014 tauschte Riederer die Kochschürze sozusagen gegen die Bauarbeitermontur und lebte de facto auf der Baustelle. Die alten Kastenfenster samt den hölzernen Fensterläden wurden liebevoll saniert, die alten Farbschichten von den Stuckdecken gewaschen, die alten Böden, wo es ging, abgeschliffen und wo es nicht mehr ging, durch neue Eichendielen ersetzt. Wand- und Fußbodenheizung in Kombination mit einer thermischen Solaranlage machen das Raumklima perfekt. Bei Bedarf kann über Wände und Fußboden auch gekühlt werden.

Im Prinzip wurde die historische Substanz mit viel Liebe aufpoliert und zweckoptimiert, wobei der einzig radikale Eingriff der neue Zubau für die Küche ist: ein Würfel mit rostroter Cortenstahl-Fassade, dessen Dach den Wohnraum der Familie im ersten Stock um eine prächtige Terrasse erweitert.

Gast-Haus

Die Übergänge zwischen privat und öffentlich sind bei den Riederers freilich fließend. Bis aufs Schlafzimmer wird auch das Obergeschoß bei Bedarf, und das sind zum Beispiel Hochzeiten, gern mit Gästen geteilt. Und einer der Wohnräume ist ohnehin zum Handarbeits-, Schau- und Verkaufsraum der Hausherrin mutiert. Umgeben von schönen alten Dingen wie einem Kaufmannsladen aus den 1930er-Jahren im Puppenhausformat, alten Büchern, Nähzeug von anno dazumal und Schränken, die vor 100 Jahren einmal im Finanzamt oder in einem Kaufhaus gute Dienste leisteten, zaubert Katarina Riederer hier allerlei Hübsches aus Stoff: von Tilda-Puppen bis zu Vorhängen und Kissen.

Und da sind wir schon beim Geheimrezept, das den Erfolg eines Tom Riederer mit ausmacht: Seine „bessere Hälfte“ hat so viel Gespür für die richtige Dosis von Modernem in einem uralten Haus, dass sich die Einrichtungsberatung neben der Gastronomie gerade zu ihrem neuen beruflichen Standbein entwickelt.

Bei der Gestaltung des alten Pfarrhofs haben sich mit dem Ehepaar Riederer jedenfalls zwei Perfektionisten gefunden. Mit den höhenverstellbaren, drehbaren Ledersesseln, die im Restaurant stehen, lebt man auch privat: Ein österreichischer Hersteller fertigt sie nach den Wünschen der Riederers. Eine ähnliche Geschichte haben die Betten im Haus. Die Lampen wiederum sind italienischer Chic, den die Hausherrin gekonnt zu platzieren weiß. Was an Stoffen zu sehen ist, stammt von der österreichischen Leinenmanufaktur Leitner. Und die Kunst, mit der die Riederers leben, kommt konsequent aus Gamlitz: aus dem Atelier Romana Leitners. Abgerundet wird das alles durch jede Menge Antiquitäten.

Mit der Entscheidung, auf Erdung zu setzen, sind die Riederers jedenfalls gut gefahren. Spätestens im Frühjahr wird sich das auch wieder am zwei Hektar großen Garten ablesen lassen. Aber das ist eine andere Geschichte.