Eigentlich hat bei Walter Neuwirth immer eins das andere ergeben. Aber in einem Tempo, bei dem man als Außenstehender schon einmal den Überblick verlieren kann. Wenn er sagt: „Ich habe vier Berufe: Bauer, Imker, Bierbrauer und Hotelier“, dann ist das die kürzeste Kurzform seiner Lebensgeschichte, aus der sich ganz von selbst ergab, dass er seit mehr als zehn Jahren permanent auch Bauherr ist. Er hat einfach immer nur „nach Bedarf“ aus- und umgebaut, wie er selber sagt.

Dass er dabei Maß an der „guten alten Zeit“ nahm, an Gehöften und Bauernhäusern von anno dazumal, war ebenfalls ein ganz logischer Schritt. „Ich hab mir schon als Jugendlicher zum Schlafen eine Rosshaarmatratze mit einer Dinkelstrohauflage besorgt, und wenn ich irgendwo ein altes Brett gefunden habe, bin ich auch schon hingekniet.“

Zugegeben: Die 3000 Quadratmeter altes Holz, mit denen Neuwirth vor nunmehr zwei Jahren sein Hotel vertäfelt hat, stammen nicht alle aus dem eigenen Lager. Aber anders als mit 18 Jahren denkt der Mann heute ja auch in größeren Dimensionen und Zusammenhängen. Was er sich mit seinem Hotel „Steirisch Ursprung“ geschaffen hat, ist im Prinzip ein Netzwerk von „spinnerten“ Handwerkern und Produzenten, die wie Neuwirth von allem begeistert sind, was keine 08/15-Lösung ist. Nur so lässt sich erklären, dass in einem Seminarraum im sogenannten Bienenstock, den Neuwirth schon vor dem Hotelgebäude errichten ließ, „weil gerade konkreter Bedarf da war“, ein Holzboden mit Intarsientechnik aus 36 verschiedenen heimischen Holzsorten verlegt wurde. Der „Bienenstock“ selbst ist ein sechseckiger Bau aus Ziegel, Holz und Lehm mit Strohdeckung. Und da sind wir wieder beim Lebensthema des Herrn Neuwirth: „Altes bewahren, aber Neues zulassen.“

Geschichte und Geschichten

Das heißt: Als Baumaterialien kamen für ihn, wo auch immer es möglich war, nur Grundstoffe aus unserem alpenländischen Raum infrage: Stein, Holz, Ziegel, Kalk, Lehm, Stroh. Wer so denkt, baut keinen fantasielosen Nutzbau, sondern will mit seinem Haus eine Geschichte erzählen. Bei Neuwirth war es die Geschichte von der guten alten Zeit, die vielleicht gar nicht so gut war, nach der wir uns aber sehnen, weil sie ein Leben mit Erdung bot, mit Materialien, die sich gut anfühlten und gut rochen.
Neuwirth sagt es so: „Im Freilichtmuseum Stübing dürfen Sie in die alten Stuben maximal hineinschauen, bei mir schlüpfen Sie, solange Sie wollen, in die Rolle eines Bauern, einer Magd oder eines Hochknechts und wohnen in einem Zimmer, das von damals sein könnte.“ Kleiner Nachsatz: „Dabei haben Sie aber doch jeden  erdenklichen modernen Wohnkomfort.“

Soll heißen: Die Zirbenholzbetten, die eine Kirchenmalerin nach alten Mustern verziert hat, haben die richtigen Maße für aktuell gängige Menschengrößen. Und das Heu für die Matratzenauflagen wurde von einer Bäuerin in feinen Stoff eingenäht. „Die Leute fragen mich immer, woher ich so etwas bekomme“, ist Neuwirth stolz und gibt die Adressen gerne weiter. Ideen muss man eben haben.

Dazu gehören auch die modernen Toiletten, die optisch als Plumpsklos daherkommen – oder die 17 Mühlsteine, die sich Neuwirth aus Oberösterreich kommen ließ, um den Steinmetz daraus Duschtassen machen zu lassen. Außerdem wären da noch die uralten Steintröge, die der Bauherr zu Waschbecken umfunktionieren ließ. Und den Fußboden im Empfangsraum gibt es auch nur einmal: Hier wurden Steine aus dem Vulkanland in Platten geschnitten, von denen keine der anderen gleicht.

Die Fenster im „Ursprung“ sind eine eigene Geschichte. Die meisten davon sind Wiener Stockfenster mit Rahmen aus unbehandeltem Fichtenholz und moderner Isolierverglasung. Zwischendurch sorgen Butzenscheiben für besonderen Glanz in der guten Stube.
Zum modernen Wohnkomfort gehört freilich eine Multimedia-Station. Bei Neuwirth ist sie hinter rot-weiß karierten Gardinen an einer schmiedeeisernen Vorhangstange versteckt. Zweimal hinschauen muss man auch bei den Türen: Die Türblätter sind neu, auch wenn sie nicht so aussehen. Beschläge und Schlösser haben hingegen schon Patina angesetzt. Aber wo, bitte schön, sind nun die Kleiderschränke versteckt, wenn sie nicht gerade als Bauernkästen vom Antiquitätenhändler daherkommen? Ach ja: Hier wurden alte Heuraufen umfunktioniert und hinter der eisernen Tür, die einst eine Selchkammer verschloss, ist auch noch ein Abstellplatz versteckt.

Ideen muss man haben. Und die gehen dem Bauherrn nicht aus. Es wird also weitergebaut.