Eigentlich wollten Petra und Karl Heinz Lesch nie etwas Neues bauen. Sie waren rundum glücklich in ihrem 150 Jahre alten Bauernhaus, das sie 2002 auf Beinahe-Passivhausstandard saniert hatten. In diesem Heim steckte schon so viel eigene Arbeit und Mühe. „Das Haus war uns vertraut, und wir haben es geliebt“, sagt Petra Lesch. Dann kam der 12. April 2012 und alles war anders.
Aus Gründen, die wohl nie ganz geklärt sein werden, ging das Haus in Flammen auf und die fünfköpfige Familie stand von heute auf morgen auf der Straße. „Außer einigen Dokumenten konnten wir nichts aus dem Feuer retten“, gibt die Hausherrin zu Protokoll. An der Hilfsbereitschaft lieber Menschen mangelte es nach dem Unglück zwar nicht, die Leschs wollten aber so schnell wie möglich wieder ein eigenes Dach über dem Kopf haben. Dazu mussten sie plötzlich tun, was sie eigentlich nie tun wollten: ein neues Haus planen.

Startbereit

„Wenn das schon unvermeidlich war, wollten wir aber auch keine Kopie des alten Hauses, sondern gleich etwas ganz Neues“, sagt die Hausherrin. Wann genau ihr und ihrem Mann die Idee gekommen ist, lässt sich heute nicht mehr sagen, aber plötzlich war da das Bild von einem Hobbit-Haus, einem Haus, das im Prinzip ein Stück Natur ist. Baubiologie und Ressourcenschonung waren den Leschs ohnehin schon immer wichtig. Für den Bauherrn, einen Physiker mit beruflichen Wurzeln in der Energieberatung, kam beim Neubau nichts anderes als ein Passivhaus infrage.
Mit diesen vagen Ideen im Kopf wandten sich Petra und Karl Heinz Lesch an den Planer Heribert Hegedys, den die beiden schon bei der Sanierung des alten Hauses zu schätzen gelernt hatten. Eine glückliche Fügung des Schicksals, wie sich im Nachhinein herausstellte. „Ich hatte zu dem Zeitpunkt, rein aus persönlichem Interesse, sicher schon an die 200 Arbeitsstunden ins Thema Erdhaus investiert“, sagte Hegedys, nach dessen Überzeugung die Zeit reif ist für eine „Architektur in einer menschengerechten Sprache“.

Vorbild Natur

Es ging darum, einmal nicht in Grau und Weiß, in Rechtecken und Quadraten zu denken, sondern etwas ganz anderes zuzulassen: runde Formen und warme Farben. Das alles stand nie im Widerspruch zu einem Passivhaus, im Gegenteil. „Die Bauphysik ist eigentlich ein Feind der Methode Erdhaus“, sagt Hegedys und spricht dabei das Schimmelproblem an, das in den ersten Erdhäusern weit verbreitet war. „Ein Passivhaus mit Komfortlüftung und den baubiologischen Werkstoffen, wie wir sie verwendet haben, beugt dem ideal vor.“ Dieses Erdhaus sollte aber nicht nur ein Passivhaus sein, sondern sogar ein energieautarkes Leben garantieren.
Auch in diesem Punkt erwiesen sich Planer und Bauherr als
kongeniales Team. Die Idee dabei war ein eigenes Minispeicherkraftwerk, mit dem man den natürlichen Höhenunterschied von rund 30 Metern auf dem eigenen Grundstück und einen bereits vorhandenen Teich mit kleiner Quelle nutzt. Der überschüssige Strom aus der eigenen Fotovoltaikanlage wird für eine Höhenverlagerung des Wassers genutzt, statt ihn ins öffentliche Netz einzuspeisen. Für die Stromversorgung in Zeiten, in denen es keine Sonne gibt, bedarf es nun nur noch einer richtig dimensionierten Pumpe, die gleichzeitig Turbine und Generator ist. „Diese Geräte gibt es, ohne eine große Stückzahl zu bestellen, sind sie im Moment aber noch viel zu teuer“, sagt Hegedys.
Bei diesem Haus hat man aber ohnehin nicht nur ans Heute gedacht, sondern vor allem an die Zukunft. Das spiegelt sich auch im Grundriss des Hauses wider. „Uns war es wichtig, bei Bedarf zwei separate Wohneinheiten aus dem Haus machen zu können, entweder für die Kinder oder zum Vermieten“, sagt der Bauherr. Das Obergeschoß wurde bergseitig folgerichtig mit einem eigenen Zugang versehen. Sowohl im Erdgeschoß als auch im ersten Stock kommt man ebenerdig ins Freie.

Alle unter einem Dach

Das Erdgeschoß ist gewissermaßen der Elternbereich, der über die Gesamtlänge von 22 Metern ganz nach Süden hin orientierter Wohnraum ist. Der Großteil davon ist ein offener Koch-Essbereich, in dem gemäß dem Wunsch der Bewohner bei Bedarf auch 30 Leute gemütlich zusammensitzen können. Ein kleines Büro sowie ein Schlafzimmer und ein Bad mit spektakulärer Lichtkuppel vervollständigen das Raumprogramm auf dieser Etage. Weiße Wände sucht man hier vergeblich, stattdessen dominieren warmes Rot und Gelb.
Einen Stock höher haben die Kinder ihr Paradies. Holz, Licht aus Bullaugen und Glaskuppeln bestimmen das Wohngefühl unter dem runden Dach. Ein kleines Eckiges ging sich im Runden auch noch aus: Der Sohn des Hauses bekam sein Turmzimmer, in dem es sich so herrlich vom Alltag abheben lässt.
Aber großzügiges, offenes, helles Wohnen gibt es auch anderswo. Was ist nun der konkrete Vorteil in einem Erdhaus?, fragen wir die Familie ein Jahr nach dem Bezug. „Wir sind mit diesem Gebäude ein Teil der Landschaft, ein Teil des Hügels und das genießen wir“, sagt die Bauherrin und spaziert ganz entspannt über ihr Haus.