Eigentlich hatten die beiden schon alles, wovon viele nur träumen können: ein Haus im Grünen und mitten in der Stadt. Ihr Refugium auf dem Grazer Messendorfberg, bekannt als "Giovanni's Garden", zieht jährlich rund 10.000 Gartenfans an. Und dann das: Ausgerechnet im Alter, oder sagen wir "nicht mehr ganz jung", beschließen die Schwestern Eva Kotzmuth und Sonja Grinschgl, der Hauptstadt den Rücken zu kehren und aufs Land zu ziehen - oder zumindest weit weg von dem, was man gemeinhin unter Stadt versteht.

Alterssitz

Bad Radkersburg soll der neue Alterssitz der beiden sein. Ausgerechnet. Nicht gerade ein steirisches Hoffnungsgebiet - und ohne Autobahnanschluss. Haben wir hier einen neuen Trend verpasst? Sagen wir es so: Kein Nachteil ohne Vorteil - und umgekehrt. Der Nachteil von Graz ist schnell erklärt: "Unser Garten ist im Alter und speziell im Winter eine Katastrophe. Will man in Graz alles auf einer Ebene und in nächster Nähe, muss man am Hauptplatz wohnen, und das ist bei den aktuellen Immobilienpreisen nicht leistbar", schildert Grinschgl die Ausgangslage.

Der Vorteil von Bad Radkersburg ist die perfekte Infrastruktur. Alles gleich ums Eck: Apotheke, Arzt, Krankenhaus, Geschäfte, Gasthäuser und die Therme - dazu noch ein bezauberndes Flair. "Freilich ist das nicht Mallorca, aber genauso schön - nur ohne Palmen", sind sich die Zwillinge einig. "Und die Leute freuen sich, wenn man kommt." Die Immobilienpreise? "Ein Drittel im Vergleich zu Graz."

Verliebt in ein Haus

Grinschgl und Kotzmuth haben sich ein Jahr lang alle Bezirkshauptstädte der Steiermark angesehen, um den perfekten Alterssitz zu finden. Nach Bad Radkersburg kamen sie damals zum ersten Mal - und haben sich sofort verliebt, wie sie sagen. In den Hauptplatz und in die alten Bürgerhäuser, die hier dornröschengleich auf ihre behutsame Wiederbelebung warten.

Das knapp 260 Jahre alte Benker-Haus war eines davon. Kotzmuth und Grinschgl haben es in Eigeninitiative wieder bewohnbar gemacht und dabei im Erdgeschoß Geschäftsräume samt Galerie mit der original Einrichtung von 1913 entstaubt und aufpoliert. Was vor 100 Jahren einmal eine Glaserei war, hat einen Zauber besonderer Art - Räume wie aus einem Harry-Potter-Film. Eine Etage darüber haben die Schwestern bei der sanften Revitalisierung der Wohnräume die Trennwände aus Jugendstilglas bewahrt, alte Fenster und Flügeltüren instand gesetzt und einen ebenfalls 100 Jahre alten Wintergarten samt Dachterrasse zu neuem Leben erweckt. Die Wohnung wurde vermietet.

Selbst sind sie ein paar Häuser weiter eingezogen, in einen ebenfalls revitalisierten Altbau, in dem genug Platz ist, dass jede der Damen ihren eigenen Salon und ein eigenes Schlafzimmer hat. Hat hier jemand etwas über Nachteile gesagt? "Ganz im Gegenteil", sagen die Schwestern.