Familientradition wird bei den Fandlers großgeschrieben. 1926 begann Julia Fandlers Urgroßvater damit, verschiedenen Feldfrüchten feine Speiseöle zu entlocken, in vierter Generation führt sie heute die Ölmühle im steirischen Naturpark Pöllauer Tal weiter. Nur mit einem Hausbrauch hat die Unternehmerin 2011 gebrochen. "Seit ich denken kann, hat mein Vater ständig dazugebaut", erinnert sich Fandler. "Aber ich wollte Ölmüllerin sein, nicht Bauherrin."

Also musste ein neues Firmengebäude her, etwas "Gscheites", etwas mit Wachstumspotenzial für die Zukunft. Denn Produktion, Verkauf und Büroarbeit waren in dem Stückwerk mit seinen vielen unterschiedlichen Bodenniveaus an ihre Grenzen gestoßen. "Bei mehr als 200 Reisebussen mit Besuchern pro Jahr war der Shop oft so voll, dass man darin nicht umfallen konnte", sagt Fandler. Stress, der einfach nicht zur Produktphilosophie passte.

Umso mehr sollte es das neue Gebäude tun, dessen Planung die Architekten von epps, Petra Simon und Elemer Ploder, in die Hand nahmen und dabei streng nach dem Reinheitsgebot der Ölmühle, "Es ist, was es ist", vorgingen: "Der Entwurf musste Kraft haben, wie die Pressen, die Tradition spürbar bleiben und eine gemeinsame Hülle für viele Anwendungen sein", erklärt Simon die Anforderungen. Deshalb wirken die Werkstoffe Eichenholz - extra astreich, damit die Flächen lebendiger wirken -, Sichtbeton und Glas in ihrer Ursprünglichkeit, ganz ohne "Geschmacksverstärker". "Gleich der erste Entwurf war das, was ich wollte. Modern, aber nicht kalt, ordentlich, aber nicht gespreizt", sagt Fandler. Nur für die Idee der Sichtbetonfassade konnte sie sich nicht sofort erwärmen, wollte sich von der Wirkung erst mit eigenen Augen überzeugen. "Ich glaube, ich habe mir so gut wie jede im Raum Graz angeschaut."

Steter Tropfen

Aus einem Guss stehen heute Presshaus, Shop, Seminarräume, Büros und Lagerhalle da. Stetig finden sich die Tropfen, die seit einigen Jahren das Markenzeichen der Ölmühle sind, auf Fassade, Furnier oder dem Pflaster im Hof wieder. Verwachsen mit dem angrenzenden Haus der Familie, das Julia Fandler während der zwölf Monate Bauzeit bewohnte. Und Tag für Tag mit einigen der rund 30 Mitarbeiter teilte, weil die für den laufenden Betrieb ja Büros brauchten.

Durch die großen Glasflächen fällt viel Tageslicht auf die neuen luftigen Arbeitsplätze im ersten Stock. Dort hat auch die Chefin ihr Büro und durch die U-Form des Zubaus alles im Blick. "Meine Mitarbeiter nennen mein Büro ,Adlerhorst'", lacht sie.

Und hat Freude daran, dass sie niemanden mehr dabei sieht, wie er im Vorbeigehen eilig ein Weckerl runterschlingt. "Es war mir wichtig, dass alle, die hier arbeiten, gesund zu Mittag essen", sagt die Steirerin. Deshalb ist die Schauküche, in der Profi Franz Meißl aufkocht, prominent im 200 Quadratmeter großen Verkaufsraum positioniert. Außerdem können sich Kunden dort Anregungen dafür holen, was man mit den Produkten aus den Eichenholzregalen alles zubereiten kann. "Schließlich sind wir stolz darauf, was wir tun. Das möchten wir auch herzeigen", sagt Fandler. "Mein Vater hat mit einem kleinen Guckloch in den Pressraum angefangen. Das ist mit der Zeit immer größer geworden." Heute kann man den Pressmeistern bei der Herstellung der kalt gepressten Öle mit maximaler Offenheit durch eine große Glasscheibe zusehen.