Nach 21 Jahren am alten Apothekenstandort mitten in Wies hatte die Pharmazeutin Elfriede Scholler endgültig genug vom ständigen Treppauf und Treppab über drei Etagen. Die Zeit war reif für einen Umzug in Geschäftsräume, die das barrierefreie Arbeiten auf einer Ebene erlauben. Nach reiflicher Überlegung fiel die Entscheidung für einen Neubau direkt neben dem Endbahnhof Wies-Eibiswald. Das Grundstück am Ende der Abstellgleise brachte allerdings ein Problem mit sich, das kein Arzt oder Apotheker lösen kann: Wie macht man aus einem Abstellgleis einen Hauptverkehrsknotenpunkt? Wie setzt man in einem Gelände, in dem sich alles verläuft, einen markanten Punkt, den niemand übersieht?

Die Lösung des Künstler- und Architektenteams rund um Hannes Freiszmuth überzeugte die Miteigentümergemeinschaft Scholler + Mitbesitzer, die die Finanzierung des Projekts in die Hand nahm. Die Devise der Planer lautete, einfach gesagt: "Dieses Haus wartet nicht, bis die ersten Besucher kommen, es geht selbst auf sie zu" - in Form von Mary, die auch Hanna, Gusti oder Mathilde heißen kann.

Blütenbilder

© Groszstadt

"Aus Mary kann jeder machen, was er mag und wen er in ihr sehen will", sagt Freiszmuth. Mary ist das Porträt einer unbekannten Dame, das sich im Erdgeschoß der Fassade 18-mal wiederholt. Darauf setzten die Planer im Obergeschoß ein Ornamentband aus vier unterschiedlichen Quadratflächen von fast schwarz bis fast weiß. Die Bildpunkte, die in beiden Etagen die Muster erzeugen, erweisen sich bei näherer Betrachtung als winzige Blüten.

Und damit sind wir auch schon mitten in Schollers nagelneuer Apotheke. Hier geben stilisierte, blaue Passionsblumen auf der Verglasung und dem weißen Inventar den Ton an. Willkommen im Reich der Heilpflanzen! - Unter dieses Motto wurde auch das Atrium gestellt, das als Zentrum des Hauses für Licht, Luft und Transparenz sorgt: Hier wurde ein kleines Hochmoor mit Erika, Moos, Sonnentau und winzigen Föhren angelegt. Der Begeisterung für Innenhöfe verdankt das neue Geschäftsgebäude auch sein geschlossenes Bild nach außen hin. Kein einziges Fenster in der Fassade des Obergeschoßes - "das hat die Leute schon verwirrt", erzählt Scholler.

Innenhöfe

Licht gibt es in den Räumen der ersten Etage, die als kleinere und größere Einheiten gemietet werden können, dennoch genug: Dank mehrerer Innenhöfe, die darüber hinaus auch noch geschützte Rückzugszonen bieten, in denen der Trubel rundherum ausgeblendet ist. Das Planer-Team betrachtete die Dachhaut dabei als fünfte Fassade, die bis ins letzte Detail mitzugestalten ist. Das Resultat ist eine klare Ansage in Form farbiger Kies- und Wandflächen - Ordnung und Struktur auf eine ganz entspannende Weise.

Auch das ist Mary, wie sie leibt und lebt.