Wenn Eva Burtscher über Zäune spricht, dann geht es um „Stoffe“, um das „Gewebe“, die „Wolle“, die „Maschen“ und das „Stricken“, das eigentlich ein Klöppeln ist – „Aber mit dem Begriff kann heute keiner mehr etwas anfangen.“ Es geht um das Malen von Bildern mit nicht ganz geläufigen Mitteln – theoretisch. Praktisch stehen wir vor dem neuen Wohnbauprojekt C34 der Diözese Graz-Seckau in der Theodor-Körner-Straße, bei dem die Fassade des L-förmigen Neubaus ein sehr spezielles Drahtgeflecht dominiert – aus Stahl gestrickte bzw. geklöppelte Kastanienblätter in 3D, ein Maschendrahtzaun der etwas anderen Art. „Das ist jetzt weltweit das erste Projekt dieser Art“, sagt Burtscher und verweist auf die Wellen, die das Geflecht bei genauer Betrachtung macht. Voraussetzung für den 3D-Effekt waren die intensive Planungsarbeit und das handwerkliche Geschick der „Stricker“.

Willkommen in der Welt von Securo-Design und Lace Fence, willkommen im Leben einer Powerfrau, die dabei ist, mithilfe ihrer kleinen Werkstatt in der oststeirischen Provinz einem gar nicht kleinen Teil der Welt zu beweisen, dass ein Zaun nicht nur sicher, sondern auch äußerst dekorativ sein kann.

Bis dahin war es freilich ein steiniger Weg: Als die gebürtige Slowakin mit ihrer Ausbildung als Lehrerin für Russisch, Kunstgeschichte, bildende Kunst und Ethnologie 1994 wegen ihres Mannes nach Österreich kam, hatte sie von Zaunbau nicht die geringste Ahnung. Und Securo-Zaunbau, die Firma ihres Mannes, hatte nicht das Geringste mit Kunst zu tun. Der Betrieb war auf industrielle Lösungen spezialisiert. „Schon damals habe ich gefragt, warum wir Zäune eigentlich nicht stricken – und alle haben mich ausgelacht“, sagt Burtscher. Als ihr Mann 2001 bei einem Unfall ums Leben kam und sie als junge Frau mit zwei kleinen Kindern von heute auf morgen in ein beinhartes Männergeschäft einsteigen musste, war Kreativität auch nicht wirklich gefragt. „Erst einmal ging es nur um das wirtschaftliche Überleben.“ Burtscher meisterte die Aufgabe mit Bravour. Vor etwa sechs Jahren begann sich ihre Branche allerdings massiv zu verändern. „Plötzlich gab es von allem zu viel, die Preise für Massenware gingen in den Keller“, erzählt die Unternehmerin, die in dieser Situation ihre Stärke als Pädagogin und Künstlerin voll ausleben konnte: „Wir müssen etwas anderes machen, etwas Neues“, war ihre Schlussfolgerung. Kurz entschlossen nahm sie einen Rahmen für ein Zaunelement zur Hand und füllte ihn mit individuell geführten Drähten gemäß dem Bild, das sie gerade im Kopf hatte. „Meine Leute haben gemeint: Jetzt spinnt sie komplett, wenig später haben in der Werkstatt aber alle gepfiffen und getanzt. Wenn man die Routine durchbricht, dann macht das Freude.“

Das war die Geburtsstunde der Marke Securo-Design, von Bildern aus Metall, die einerseits den klassischen Zaun oder ein Geländer ersetzen können, aber auch Raumteiler und Gartendekoration sein können. Unter anderem wurde unlängst auch der Gastronom Heinz Reitbauer bei Securo-Design fündig, als es darum ging, für seine vier neuen „Vogelhäuser deluxe“ am Pogusch ein Geländer zu finden, das sozusagen ein modernes Astwerk ist. „70 Zaunfelder, bei denen keines dem anderen gleicht, gute alte Schlosserarbeit im besten Sinne des Wortes“, erklärt Burtscher die Arbeit und spricht wieder vom Malen von Bildern – „nur eben mit anderen Mitteln“.

Am Anfang von Securo-Design stand die Hoffnung, die Umsatzeinbußen, die sich durch die Marktveränderungen in den vergangenen Jahren ergaben, mit einem neuen Geschäftsfeld wettmachen zu können. Dass das neue Geschäftsfeld weit mehr als ein Lückenfüller wurde, verdankt sich dem Glücksfall, dass Burtscher über all die Jahre nie ihre Vision von den „gestrickten Zäunen“ verlor. 2009 war die Welt offenbar reif für die Idee. „Zufällig stoße ich bei meiner Internetrecherche auf Bilder von Lace Fence und weiß sofort: Das ist es, das sind die gestrickten Zäune, von denen ich seit 20 Jahren rede.“ Als Kontakt gab es nur eine E-Mail-Adresse, an die sie schrieb, ob man denn nicht zusammenarbeiten könne.
Gemeinsam stark

Der Adressat entpuppte sich als holländisches Designer-Team, das Burtscher zu sich nach Amsterdam einlud, um gleich im ersten Gespräch festzustellen: „Du bist die Erste, die versteht, was wir tun.“ Damit war die Kooperation besiegelt. Burtscher bekam 2010 die Generalvertretung für Lace Fence in Österreich und in den Ostländern, nahm Marketing und Design für das Produkt in die Hand und sorgte überhaupt erst für einen Rahmen (im wahrsten Sinne des Wortes), in dem sich das Produkt in unseren Breitengraden verkaufen lässt.

Die Achse Dechantskirchen/Amsterdam erwies sich als voller Erfolg: Die überwiegend händische Fertigung des Drahtgeflechts erfolgt in einem (als Sozialprojekt prämierten) Betrieb in Indien, den das holländische Team rund um den Designer Joep Verhoeven aufgebaut hat. Im Prinzip gibt es bei Design, Motiv und Muster keine Einschränkung – aber lange Wartezeiten. Um diese zu umgehen, gibt es einen von Burtscher entwickelten Katalog an Mustern, die bei Securo immer auf Lager sind und aus denen sich bei Bedarf im Baukastensystem individuelle, leistbare Zäune zusammensetzen lassen. Dekorfelder lassen sich dabei je nach Budget mit Standard-Geflechten kombinieren. „Oder ich entwickle gemeinsam mit den Kunden das Muster, zeichne den Entwurf und bestelle den Stoff in Holland. Ein richtiger Zaun wird daraus in jedem Fall erst in unserer Werkstatt“, sagt die Unternehmerin.

Die ersten Kunden waren ein paar „mutige private Bauherren“, die sich Zäune bei Burtscher bestellten. Mittlerweile ist aus der Kombination von Securo und Design allerdings ein Selbstläufer geworden – „die Anfragen kommen von Deutschland bis Dubai“.