Der Zeitpunkt könnte nicht besser gewählt sein, Gartenkunst und Gartenlust sind beherrschende Freizeitthemen mit stetig steigender Anhängerschaft – nicht nur bei verwurzelten Landmenschen. Auch der moderne Großstädter gefällt sich beim „Urban Gardening“ oder „Guerilla Gardening“ und träumt seinen Traum vom Paradies. Paradox bleibt es dennoch: Allerorten drischt der Mensch auf die Natur ein, aber gleichzeitig bekommt der Garten, und sei es nur jener mobile in den Töpfen über den Dächern der Großstadt, als Zufluchtsort einen immer höheren Stellenwert.

Mittel gegen den „Melancholikus“

Einerlei, in der Erde zu wühlen und zuzusehen, wie die Saat sprießt, Sträucher zu pflanzen und zu ernten, geht allemal als altes, neues Wellnessprogramm durch. Das wirkte im übertragenen Sinn auch schon bei Hermann Fürst von Pückler-Muskau. Immer wenn ihn der „Melancholikus“ überfiel, stürzte er sich in ein Gartenprojekt. Die Schau „Parkomanie“ in Bonn legt dafür Zeugnis ab. „Es ist an der Zeit, dass man ihn aus der Kreuzworträtsel-Ecke befreit, wo er nur als Eisverkäufer, Lebemann und Geldverschwender gehandelt wird“, freut sich ein Nachkomme über die opulente Ausstellung in der Bundeskunsthalle, die Hermann Fürst von Pückler-Muskau unter die bedeutendsten Gartengestalter, Schriftsteller und Sozialkritiker seiner Zeit reiht.


Den Künstler-Aristokraten mit der Eiskreation „Schokolade, Vanille, Himbeere“ abzuspeisen, wäre wahrlich eine Sünde. Seine drei Meisterwerke, die Gartenlandschaften in Muskau, Babelsberg und Branitz, zählen heute allesamt zum Welterbe der Unesco. Wer hätte das dem einstigen Lehrerschreck, Studienabbrecher, Schuldner und gescheiterten Gardehusaren zugetraut, einem „typischen Fall von aristokratischer Wohlstandsverwahrlosung“, wie Ulf Jacob in seinem Katalogbeitrag schreibt?


1811 erbte Pückler das Gut Muskau in der Oberlausitz, plötzlich Herr über 41 Dörfer und 10.000 Menschen, wusste er damit wenig anzufangen und durchkämmte zunächst England. 36 Gärten in sechs Wochen, denn „einen guten Gärtner bringt ein kurzer Aufenthalt hier weiter in seinem Fach, als zehnjähriges Studium zu Hause“, steht in seinen Reisenotizen. Daneben blieb allemal Zeit, seinen Ruf als Dandy zu festigen und den Damen der englischen Gesellschaft den Kopf zu verdrehen. Zurückgekehrt schuf er daheim ein Wunderwerk der Natur, eine Gartenlandschaft wie ein begehbares Bild. Er entpuppte sich als Meister bei der Verpflanzung alter Bäume, was bis dahin für schier unmöglich gehalten wurde. Die 820 Hektar große Gartenlandschaft ganz im Osten Deutschlands und im Westen Polens ist heute das einzige zweistaatliche Weltkulturerbe.


Als Pückler das Geld ausging, trennte er sich pro forma von seiner Ehefrau Lucie, geborene von Hardenberg, um in England erneut auf Brautschau gehen zu können. Der Plan ging schief, dafür bescherte ihm seine anonym veröffentlichte Korrespondenz mit seiner „Schnucke“ unter dem Titel „Briefe eines Verstorbenen“ Ruhm und Geld, der Bestseller heimste sogar Lob von Goethe ein. Muskau war vorübergehend gerettet, 1845 musste der Fürst mit dem grünen Daumen seine Standesherrschaft dann doch endgültig verkaufen.


Der begabte Netzwerker bot seine Gartendienste Prinzessin Augusta und ihrem Gatten Wilhelm, dem späteren deutschen Kaiser, an, hebelte den Generaldirektor der königlich-preußischen Gärten, Peter Joseph Lenné, aus und verzaubert den Park von Schloss Babelsberg. Ironie der Geschichte: Just in der Geburtsstadt von Lenné, in Bonn, wird heuer der Kontrahent jubelnd gefeiert.  Lange hielt es den ungewöhnlichen Preußen, von Heinrich Heine als „Überall und nirgends“ bezeichnet, nie daheim. Der Mann mit dem markanten, schmalen Bärtchen tourte durch Europa und unternahm ausgedehnte Orienterkundungen. Als der Exzentriker von einer solchen Reise eine abessinische Sklavin mitbrachte, geriet selbst die „Kameradschaftsehe“ mit Lucie vorübergehend ins Wanken.


Mit 60 startete der „Parkomane“ (Pückler über Pückler) noch einmal durch und verwandelte sein väterliches Erbgut in Branitz bei Cottbus in einen Wunderpark. Auf sandigem Ackerland legte er sanfte Hügel an, schaffte Wasserfälle und verwunschene Seen. Das Zentrum bilden zwei bewachsene Pyramiden, eine im Wasser, die Grabstätte des grünen Fürsten.

Die Ruhestätte in der neuen „Oasis in der Wüste“ in Branitz
Die Ruhestätte in der neuen „Oasis in der Wüste“ in Branitz © (c) imohn - Fotolia


In der Textsammlung „Tutti Frutti“ entwarf der Aristokrat mit dem republikanischen Herzen eine düstere Vision: „Die Bäume gefällt, die Wiesen als Ackerland parzelliert, der Fluss zum Schifffahrtskanal verkommen und die Asche des letzten Besitzers aufs Feld gestreut.“ Zumindest der letzte Punkt trifft nicht zu, Hermann Fürst von Pückler-Muskau wird am 9. Februar 1871 im Tumulus zur letzten Ruhe gebettet.