Ein paar Tage mit T-Shirt-Wetter reichen für uns Gartenliebhaber und alles ist "im grünen Bereich". Wenn die Zwiebelblumen aus der Erde quellen und die Vögel ab sechs Uhr zum Aufstehen pfeifen, ist der Lenz da, auf den wir ein gefühltes halbes Jahr gewartet haben. Ich hatte heuer einen besonderen Start und besuchte im zeitigen Frühjahr ein Symposium in Great Dixter, einem der berühmtesten englischen Gärten. Sir Christopher Lloyd hat ihn gemeinsam mit seinem Head Gardener Fergus Garrett zu dem gemacht, was er heute ist: eine Pilgerstätte für Gartenenthusiasten aus allen Teilen der Welt, an der Grenze zwischen East Sussex und Kent gelegen, nur wenige Meilen vom Ärmelkanal entfernt.

Eine Frage des Gefühls

Der Kurs, den ich belegte, war für mich eines der tollsten Erlebnisse, die ich in meiner Gartenkarriere je hatte. Gemeinsam mit sieben Frauen aus den USA, Kanada, Russland und England blickte ich dem Chefgärtner über die Schulter. Bald ging es zur Sache – Schneiden. "Fühlen Sie sich in die Pflanze hinein, nicht einfach drauflosschneiden", bläute uns Garrett ein ums andere Mal ein. Egal, welchen Baum oder Strauch, welche Rose oder Kletterpflanze man schneidet, zuerst muss die Frage beantwortet werden: Auf welchem Holz blüht die Pflanze, auf dem einjährigen wie die Edelrosen oder auf dem alten Holz wie die Wildrosen?

Der Chefgärtner riet uns, auch auf die Rindenfarbe zu achten. Manchmal sei das alte Holz dunkel und das neue hell, manchmal aber auch umgekehrt. Hier hieße es Erfahrung sammeln. Geschnitten wird in Great Dixter wohlüberlegt. Zuerst kam das Abgeblühte dran. Auch wenn das manchmal endlos erscheine, man "fühle" dabei die Pflanze, erkenne ihre Schwachstellen und ihre Stärken; sehe, wo sie Licht braucht und wo sie überschwänglich wächst, erfuhren wir. Danach kamen alle schwachen Triebe an die Reihe.

Licht und Luft für den Rosenbusch

Schritt vier war maßgeblich für die Formgebung. Wir lernten, darauf zu achten, wie man Licht und Luft in den Rosenbusch bringt. Die Regel gilt aber genauso bei Kletterpflanzen, Sträuchern oder sogar Bäumen. Das führte zum nächsten Kapitel, dem Verjüngen. Oft zeige sich hier, dass die Pflanze überaltert ist und dringend vitaler wachsen muss. Da gelte es ganze Äste bodeneben herausnehmen und danach gleich mit Kompost und organischem Dünger zu "füttern", wurden wir unterwiesen.

Zwischendurch versorgte uns Aaron, der Gemüsegärtner und Hüter des Hauses, mit einem Lunch und meist bestritt er auch gleich das abendliche Dinner. Da sich unsere Lernwoche durch Kälte und Wind auszeichnete, wurde Tee oder Kaffee zum Aufwärmen gereicht – und als Draufgabe servierte man noch Bilder, so zum Beispiel unsere Schnittobjekte vorher/nachher. Viel wurde diskutiert und viel erzählt, es war mehr als nur ein Schneiden, Planen oder Pflanzen.

Neben all den Eindrücken wurde mir nach dieser Woche eines klar: Gärtnern wie die Briten kann man bei den Gartenreisen bloß erahnen. Erleben kann man es nur, wenn man tatsächlich einmal für einige Zeit aktiv dabei gewesen ist. Über die Themen Boden, Planung sowie Aufbinden und Stützen erfahren Sie in den nächsten Wochen hier mehr.