Guerilla Gardening", was so kriegerisch klingt, kann eine durchaus charmante Art der sinnvollen Begrünung städtischer Betonwüsten sein. Diese wird obendrein in Zeiten magerer Budgets von mancher Stadtverwaltung nicht nur gelitten, sondern gar begrüßt. Seit den achtziger Jahren etwa pflanzen Stadtmenschen in Europa bereits wild im urbanen Raum. Sei es aus ökologischem Anliegen, künstlerischem Anspruch oder aus politischem Protest heraus.

Angefangen hat das illegale Begrünen in den siebziger Jahren in New York. Dort entstanden die ersten Gemeinschaftsgärten, die oft eine Mischung aus Nachbarschaftshilfe, Sozialprojekt und Kunstaktion darstellten und lange eher als ein regionales Phänomen wahrgenommen wurden.

Sonnenblumen überall

Nun erlebt die grüne Welle unter den Stichwörtern Guerilla Gardening, Urban Gardening oder Community Gardening ein Revival, ausgelöst vom Engländer Richard Reynolds, der etwa mit seiner Anhängerschaft dafür sorgt, dass in London Zigtausende Sonnenblumen überall in der Stadt wachsen. Unterdessen gibt es sogar schon den "Internationalen Sonnenblumen Guerilla Gardening Tag".

In Berlin ist es Marco Clausen, auf einer ehemaligen Brachfläche mitten im Berliner Bezirk Kreuzberg betreibt der Historiker den "Prinzessinnengarten" als "alternatives städtisches Grün, als Bildungsgarten und Instrument, um die Nachbarschaft in dem sozial schwachen Quartier zu stärken und zu aktivieren".

Marco Clausen sieht diese gemeinsame städtische Landwirtschaft auch als "Versuchslabor" für eine nachhaltige Stadt der Zukunft: "Die Leute werden älter, da kann die urbane Landwirtschaft eine Möglichkeit sein, auch des sozialen Miteinanders."

Samenbomben

Hinter dem urbanen Phänomen verbirgt sich oft auch zwinkerndes Aufbegehren. Die Saat keimt stets aufs Neue und an den undenkbarsten Stellen. Dafür sorgen auch sogenannte "Samenbomben", die klammheimlich und vorzugsweise in der Nacht auf fruchtbaren Großstadtboden fallen. Es gibt die kleinen Samenbälle übrigens mittlerweile im Angebot des Handels.

Andernorts ziehen die "Geheimgartler" mangels eigener Nutzflächen mit Kübel, Grabgabel und Pflanzerde los, um unwirtliche Baumscheiben, verkehrsumflutete Straßenränder oder Brachflächen zwischen den städtischen Häuserklötzen in Blumen- und Gemüseparadiese zu verwandeln.

Immerhin, seit Michelle Obama hinter dem Weißen Haus Gemüse der Marke Eigenbau zieht, ist urbanes Garteln allerorts gesellschaftsfähig geworden. Nutzpflanzen verkaufen sich von Jahr zu Jahr besser. Das hat zum einen mit Gesundheitsbewusstsein zu tun, weil Gärtnerfrau und Gärtnermann da wissen, was in ihrem Gemüse steckt. Zum anderen ist es in knappen Zeiten auch eine Frage des Geldbeutels.

Es sei jedenfalls eine extrem spannende Entwicklung, findet Christa Müller, Vorsitzende der Stiftung Interkultur. Die Soziologin meint, man könne durchaus von einer Renaissance der Selbstversorgung sprechen.