Smart-Home-Konzepte im privaten Wohnbereich liegen im Trend. Automatisiert, vernetzt und fernsteuerbar soll das Zuhause die Lebensqualität seiner Bewohner steigern, Energiekosten senken und die Sicherheit erhöhen. Die Rede ist dabei nicht von der Luxus-Villa, sondern vom Durchschnittsheim. Gerhard Leitner vom Institut für Informatiksysteme an der Uni Klagenfurt mit dem Spezialgebiet „Mensch-Computer-Interaktion“, sieht die Entwicklung kritisch: „Bei den bisherigen Konzepten wird die Technik dem Menschen übergestülpt und zwingt ihn, mit komplexen und unverständlichen Steuerungs- und Programmierverfahren umzugehen“, sagt er.

Ihr Gegenentwurf sind „weise Konzepte“, wie Sie sie auch in Ihrem Buch fordern. Was ist damit gemeint?

GERHARD LEITNER: Smarte Technologie, die sich im Hintergrund hält. Nehmen wir den Vergleich mit dem Auto: In einem Standard-Modell sind heute 50 bis 100 Computer eingebaut, ich muss mich aber nicht darum kümmern, wie die alle funktionieren, geschweige denn sie programmieren. Dennoch habe ich als Fahrer (noch) die Entscheidung, was zu passieren hat. Ich entscheide wann ich auf die Bremse trete, dass diese bestmöglich funktioniert, dafür sorgen Systeme wie ABS und ESP. Eine Weiterentwicklung sind Notbremsassistenten die bei Gefahr im Verzug automatisch bremsen können. Diese Synergie von Mensch und Maschine ist im Smart Home noch nicht so weit gediehen.

Wie macht sich das konkret bemerkbar?

LEITNER: Nehmen wir etwa einen aktuellen Notfallknopf im Haushalt: Hier zeigt die Praxis, dass es viele Fehlalarme gibt und bei einem Notfall überhaupt fraglich ist, ob jemand den Knopf noch aktiv zu Drücken in der Lage ist. Die meisten dieser Systeme sind auch nicht mit der sonst im Haushalt vorhandenen Technik verbunden. Eine Alternative wäre es, auf Basis von Systemen vergleichbar mit den Computern im Fahrzeug Rückschlüsse darauf zu ziehen, ob bei den Bewohnern im Haushalt alles in Ordnung ist. Die Daten dafür kommen einfach aus vorhandenen Geräten.

Wie aus der Kaffeemaschine?

LEITNER: Durchaus - bei jemandem, der in der Früh immer Kaffee trinkt, könnte es sinnvoll sein, einen Sensor an die Kaffeemaschine anzuschließen, der Alarm schlägt, wenn die Kaffeemaschine zu den gewohnten Zeiten nicht in Betrieb genommen wird.

Technisch ist jetzt schon unglaublich viel möglich – aber wir verzetteln uns mit unwesentlichen Details.

LEITNER: Die Smart Home-Konzepte wurden bereits Mitte der 1980er einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Die technischen Grundlagen haben sich seit damals zwar nicht wesentlich verändert, aber im Vergleich zu anderer Technologie kaum durchgesetzt. Es haben sich durch Internet und mobile Geräte lediglich die Möglichkeiten erweitert. Das Problem ist: Der Fokus liegt noch immer auf der Technik. In den Prospekten der Hersteller wird gezeigt, was die Technik tun kann, nicht welche Bedürfnisse sie abdecken könnte. Es sollte stärker in Richtung Bedürfniserforschung gehen, um die Frage, wie die Leute wohnen, was sie überhaupt wollen und in ihrem Wohnumfeld und in ihrer Lebenssituation sinnvoll nutzen könnten.

Und was wollen sie tatsächlich?

LEITNER: Die Erfahrung zeigt: Technik wird dann angenommen, wenn der Nutzen die Kosten bzw. den Aufwand überwiegt. Die Technik solllte daher grossteils - wie bei den Computern im Auto -  im Hintergrund bleiben und so einfach wie möglich steuerbar sein. Nur wenige wollen ihren Haushalt wie über eine Steuerzentrale in einem Kraftwerk überwachen und steuern.

Was lernen wir daraus?

LEITNER: Was als praktische Funktionalität übrig bleibt, ist technisch eher banal: Etwa noch immer einen Knopf auf einer Fernbedienung drücken, damit aber nicht nur eines sondern mehrere Rollos gleichzeitig zu steuern.  Oder, von der Ferne überprüfen zu können, ob alle Elektrogeräte im Haus ausgeschaltet sind – mit einem einfachen und auch für Laien intuitiven Programm am Handy. Aber durch die Vernetzung der Gerätschaften im Haushalt und Sammlung von Daten können auch komplexere Funktionen einfach möglich werden. Das Haus kann dann Alarm schlagen, wenn es weiß, dass niemand zu Hause ist und dennoch Aktivität erkennt – z.B. durch einen Einbruch. Und das alles aber automatisiert, durch lernende Systeme die man nicht händisch programmieren muss.

Leistbar ist diese Technik für jedermann?

LEITNER: Die Komponenten sind mittlerweile schon sehr billig, aber es gibt noch keine einheitlichen Standards für sie. Wenn sie bei zwei unterschiedlichen Baumärkten Komponenten kaufen, sind die meist nicht kompatibel. Das lässt viele noch davor zurückscheuen, sich solche Systeme anzuschaffen.

Gerhard Leitner vom Institut für Informatiksysteme an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
Gerhard Leitner vom Institut für Informatiksysteme an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt © KK