Die Firma Activ Solar mit Sitz in Wien ist pleite. Das Unternehmen, das in Solarprojekte in der Ukraine investiert ist, hat über 500 Millionen Euro Schulden angehäuft. Nun wurde am Wiener Handelsgericht ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung beantragt.

Die GmbH geriet in den Strudel der ukrainischen Politik und wird in Kiew nach wie vor den österreich-affinen Politikerbrüdern Kljujew zugerechnet. Sie haben dies allerdings bisher vehement dementiert.

Auf der Flucht

Serhij Kljujew, früher Spitzenpolitiker von Viktor Janukowitschs "Partei der Regionen", hatte im Vorjahr seine parlamentarische Immunität verloren und sich einer wahrscheinlichen Festnahme durch Flucht entzogen. Er und sein Bruder Andrij sollen sich Medienberichten zufolge in Russland aufhalten. Die Generalstaatsanwaltschaft in Kiew wirft Serhij Kljujew Wirtschaftsvergehen und Amtsvergehen in den Jahren 2007 bis 2010 vor. Es geht unter anderem um Vermögenstransfers zum österreichischen Firmenimperium der Brüder. Ihnen gehört etwa die Firma SLAV, die an Unternehmen in der Ukraine beteiligt ist. Für die Brüder gilt die Unschuldsvermutung.

Die nunmehr insolvente Activ Solar GmbH wiederum gehört zwischenzeitlich zu 100 Prozent dem Wiener Anwalt Stefan Benesch, wie aus dem FirmenCompass hervorgeht. Einer der Geschäftsführer ist Kaveh Ertefai, Schwiegersohn von Serhij Kljujew.

Die Pleite der Activ Solar GmbH ist mit Passiva von 503,4 Millionen Euro die größte im bisherigen Jahr 2016, so Creditreform. Dem Schuldenberg stehen Aktiva von 18,6 Millionen Euro gegenüber. 34 Gläubiger und drei Arbeitnehmer sind betroffen.

Ukrainekrise

Die Firma hat in der Ukraine ein Siliziumwerk gekauft, von ihr entwickelte Solarprojekte umgesetzt und ein "Modernisierungsprojekt" gestartet. "Mit dem Einsetzen der politischen und wirtschaftlichen Krise in der Ukraine und insbesondere infolge der Annexion der Krim im Jahr 2013 bzw. 2014 kam das Kerngeschäft der Antragstellerin innerhalb von zwei Jahren zum Erliegen", erklärten die österreichischen Kreditschützer am Mittwoch.

Das Unternehmen habe sofort Restrukturierungsmaßnahmen ergriffen, weitere Investitionen in das Siliziumwerk gestoppt, unrentables Anlagevermögen verkauft.

Im Oktober 2015 erging jedoch in Kiew ein Schiedsspruch, der das Unternehmen zu einer Zahlung von 57 Millionen Euro verpflichtete. Es folgte ein monatelanger Rechtsstreit, Vergleichsgespräche scheiterten. "Daher muss die Antragstellerin die Zahlungsfähigkeit eingestehen", schreiben die Kreditschützer unter Berufung auf den Insolvenzantrag.

20 Prozent Quote

Das Unternehmen soll fortgeführt werden. Die Firma bietet ihren Gläubigern eine Quote von 20 Prozent, zahlbar binnen zwei Jahren.

Im Jahr 2010 hatte eine Tochter von Activ Solar einen staatlichen Kredit in der Ukraine bekommen. Die Kiewer Ermittler werten die Vergabe als Korruption, da sie von den Kljujew-Brüdern beeinflusst worden sein soll. Sie und auch die Firma haben in der Vergangenheit mehrfach vehement bestritten, das Unternehmen nach dem Oktober 2008 kontrolliert zu haben.

Kriminalfall

Unabhängig vom Sanierungsverfahren laufen in Österreich und in der Ukraine, so bestätigen gegenüber der APA eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien und ein mit den Ermittlungen betrauter Staatsanwalt in Kiew, weiterhin strafrechtliche Ermittlungen gegen Andrij Kljujew und Serhij Kljuew, die jeweils Bezüge zu Activ Solar aufweisen. Andrij, der als letzter Leiter der Präsidentschaftskanzlei von Viktor Janukowitsch amtierte, floh gleichzeitig mit seinem Chef Ende Februar 2014 nach Russland, sein Bruder Serhij, der im Herbst 2014 erneut ins ukrainische Parlament gewählt wurde, verließ die Ukraine im Juni 2015, nachdem seine parlamentarische Immunität aufgehoben worden war. Beide sollen sich Medienberichten zufolge in Russland aufhalten.

Ukrainische Strafverfolger erachten indes die Firmengeschichte der Activ Solar nahezu als einzigen großen Kriminalfall: 2007 und 2008 hätten der damalige Vizepremierminister Andrij und der damalige Parlamentsabgeordnete Serhij Kljujew, hieß es im April 2015 in einem Schreiben der Generalsstaatsanwaltschaft an das ukrainische Parlament, einen gemeinsamen verbrecherischen Plan realisiert und sich jene Aktien von PSJC Semiconductor Plant angeeignet, die im Oktober 2008 an die Activ Solar in Wien verkauft wurden. Auch die folgenden Kreditvergaben der Ukreximbank an diesen Siliziumhersteller seien auf den politischen Einfluss der beiden Brüder zurückzuführen.

Für Andrij und Serhij Kljujew gilt die Unschuldsvermutung, Vertreter von Serhij Kljujew haben 2015 die Anschuldigungen der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft wiederholt zurückgewiesen und von politisch motivierter Strafverfolgung gesprochen.

Besitzverhältnisse unklar

Umstritten blieben aber bis zuletzt die wahren Besitzverhältnisse der in die Insolvenz geschlitterten Firma in Wien. Vertreter von Activ Solar bestritten stets, dass die Politikerbrüder Kljujew nach der Gründungsphase eine diesbezügliche Rolle in der Firma spielten.

Zwischen 2009 und 2015 schien ein P & A Corporate Trust in Liechtenstein als einziger Gesellschafter auf - laut unüberprüfbaren Angaben von Activ Solar verbargen sich dahinter das Management sowie Investoren aus der EU. Offiziell wurde lediglich bestätigt, dass Activ-Solar-Geschäftsführer Kaveh Ertefai einen Anteil besitzt, er ist auch Schwiegersohn von Serhij Kljujew. Im Mai 2015 übernahm schließlich der Wiener Rechtsanwalt Stefan Benesch die Gesellschafteranteile der Activ Solar, er wird auch im aktuellen Insolvenzantrag als Alleingesellschafter genannt.

Gleichzeitig findet sich im Antrag an das Handelsgericht Wien jedoch auch die brisante Erwähnung einer Tisha Investment Limited, die Activ Solar im Dezember 2013 fast 82 Mio. Euro zur Finanzierung der Geschäftstätigkeit zur Verfügung gestellt hat. Eine Gesellschaft dieses Namens, die auf den Britischen Jungferninseln ihren Sitz hat, ist in der Ukraine nicht unbekannt: "Nach Ermittlungsergebnissen ist Andrij Kljujew Begünstigter eines Bankkontos bei Julius Baer in der Schweiz, das der Tisha Investments Ltd. gehört", heißt es in einem Kiewer Gerichtserkenntnis aus dem September 2014.